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Clever & Smart

Zehn Jahre iPhone. Ist das für Läuferinnen und Läufer wichtig? Sicher! Denn Ausdauersportler gehören längst zur Zielgruppe der Smartphone-Hersteller. Das zeigen die Entwicklungen. Aber was macht Hightech-Geräte so attraktiv für Läufer? Und, ist ein Läufer, der nicht digital unterwegs ist, soziologisch auffällig?

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Zehn Jahre iPhone. Ist das für Läuferinnen und Läufer wichtig? Sicher! Denn Ausdauersportler gehören längst zur Zielgruppe der Smartphone-Hersteller. Das zeigen die Entwicklungen. Aber was macht Hightech-Geräte so attraktiv für Läufer? Und, ist ein Läufer, der nicht digital unterwegs ist, soziologisch auffällig?

Es scheiden sich die sprichwörtlichen Geister, wenn es um die Frage nach dem treuen, unverzichtbaren Laufbegleiter geht: Uhr oder Smartphone? Manche benutzen sogar beide. Auf jeden Fall digital. Viele von uns können auf das smarte Teil am Handgelenk oder in der Tasche bzw. im Gurt gar nicht mehr verzichten. Und es werden offensichtlich immer mehr, die sich mit der neuen Technik, die quasi ständig mitläuft, anfreunden. Eine Technik, die uns Läufer durch die rasende Entwicklung auch sehr oft überholt und gerade Genusssportlern, die ihre Aktivitäten ursprünglich ganz ohne Ablenkung ausübten, reizvolle Angebote liefert.

Wir wollen Sie in diesem Beitrag nicht mit analytischen Zahlen und technischen Daten überfordern (die natürlich spannend sein können), sondern vielmehr aus unserem Erfahrungsschatz berichten und persönliche Stimmungen rund ums Laufen wiedergeben.

Ein einziges Ergebnis aus einer statistischen Erhebung möchten wir Ihnen aber keinesfalls vorenthalten: Was glauben Sie, wie viele Laufsportler heutzutage regelmäßig mit Pulsmessung unterwegs sind? In einer Umfrage des Onlineportals statista zum Laufverhalten in Österreich aus dem Jahr 2016 gaben 71 Prozent der Befragten auf diese Frage zur Antwort, dass sie während ihrer sportlichen Aktivität keinen Pulsmesser verwenden. Nur (noch) sechs Prozent sind mit klassischer Pulsuhr samt Brustgurt unterwegs, Elf Prozent bevorzugen die moderne Variante einer Laufuhr mit integriertem Pulsmesser am Handgelenk. Neun Prozent schwören auf eine App auf ihrem Smartphone, die ihnen die Herzfrequenz anzeigt, die wiederum über einen Brustgurt übertragen wird. Die restlichen drei Prozent verteilen sich auf Fitnessarmbänder und andere technische Lösungen.

Mehr als Pulsmesser

Aus diesem Ergebnis lässt sich vieles herauslesen. Zum einen bestätigt es, dass die Herzfrequenz für einen Großteil der Läufer kaum wichtig ist bzw. keine Rolle mehr spielt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche kennen ihren Körper gut genug und benötigen daher keine Pulskontrolle beim Sport, manche wollen sich keinen Rhythmus aufzwingen lassen. Andere steuern ihr Training lieber über die Geschwindigkeit, wieder andere wollen ganz ohne Technik und ganz natürlich die Natur um sich herum genießen.

Mittlerweile ist das Angebot an Funktionen, Tools, Gimmicks, u.ä. bei einer Laufuhr oder einem Smartphone so groß, dass die eigenen Herzschläge beim Sport offenbar ohnehin zur unwichtigen Nebensache verkommen sind. Obwohl die Sportmedizin uns Läufern – und hier gerade den Laufeinsteigern – ein pulsgesteuertes Training buchstäblich ans Herz legt.

Was aber bewegt die Freizeitsportler beim Laufen, wenn nicht der eigene Pulsschlag? Wir wollen die Frage zum besseren Verständnis leicht abändern: Was beschäftigt die Läufer während ihrer oder rund um ihre Lieblingsbeschäftigung so sehr, dass sie sich auf die neuesten Technologien einlassen und sich mit diesen intensiv beschäftigen?

Dutzende Tools & Funktionen

Ob das Herz gut, richtig und mit gewünschten Frequenz schlägt, interessiert wie gesagt einen Großteil der Läufer nicht so sehr. Eine multifunktionale Laufuhr oder App auf einem Smartphone verrät einem Läufer in Echtzeit – also in jener Sekunde, in der er aufs Display blickt – eine ganze Menge:

  • wie schnell er läuft
  • wie weit er gelaufen ist
  • wie weit er noch läuft
  • wie viele Höhenmeter er läuft
  • wie groß und lange seine Schritte sind
  • wie hoch er die Füße beim Laufen hebt
  • wie hoch sein maximaler Sauerstoffverbrauch ist (VO2max) ist
  • in welchem Trainingsbereich er sich befindet
  • wie viele Kalorien er verbrennt

Außerdem

  • sieht er die aktuelle Temperatur
  • sieht er die Windstärke
  • erfährt er, woher der Wind weht
  • wird er per Karte navigiert
  • kann er Musik hören
  • redet das Smartphone mit ihm
  • motiviert ihn die Lauf-App
  • wird er von seinen Freunden via Social Media angefeuert

Was braucht es also mehr, als alle wichtigen Trainingsinfos mit einem Blick zu erhaschen? Vielleicht gilt es in Bälde ja als unglaublich cool, während des Fahrtspiels, also mitten im Laufen ein Telefonat einzuschieben statt in der kurzen Verschnaufpause zwischen zwei Intervalleinheiten, Luft zu holen und den Körper herunterzufahren. Die Frage der Realisierung richtet sich danach, ob es der Körper zulässt. An der Technik wird es nicht scheitern.

Weltweites Teilen

In Zeiten von Facebook, Twitter und Co. ist der Läufer vor und nach der sportlichen Aktivität sofort mit einer Community vernetzt. Wenn er das Bedürfnis hat. Unmittelbar nach dem Speichern des Trainings bieten die Apps Gelegenheit, soeben Geleistetes zu teilen, auf Knopfdruck hinauszuposaunen – laut, großflächig, weltweit. Für viele reicht es, wenn es die engsten Freunde, Bekannten und Verwandten wissen.

Wer die Competition liebt, liefert sich online einen sportlichen Wettstreit mit Gleichgesinnten im Nachbarbezirk, in der nächsten Stadt oder auf der anderen Seite des Globus. Wer die Connections auf der ganzen Welt nicht braucht, duelliert sich mit seinem liebsten Nachbarn im Heimatort. Da erstreckt sich das Netz(werk) gerade einmal bis zur nächsten Reihenhaussiedlung.

Den technischen Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Hier fragen sich die einen, wo die Grenzen des Erträglichen sind, dort üben sich andere mit Eifer in Kreativität, um neue Formen des Lauferlebnisses auf dem scheinbar endlosen Feld der Sozialen Medien zu entdecken und zu erkunden. Der Laufsport als Spiel. Wenn wir aber ans Spielen denken, dann ist die Sucht nicht weit entfernt. Kann uns Technik beim Genusssport Laufen abhängig machen? Verlieren wir die Kontrolle über das, was der Laufsport eigentlich vermitteln soll: absolute Freiheit und Ungebundenheit in ganz natürlicher Umgebung – kein Lärm, keine Hektik, keine störenden Geräusche, die uns aus automatisierten oder tranceartigen Bewegungsabläufen herauslösen?

Der Laufsport verbindet – auch bei der Jagd nach Rekorden

Laufen verbindet. Keine Frage. Viele Hobbysportler lieben es, mit anderen, die es ebenfalls lieben, einen gemeinsamen Laufausflug zu unternehmen, von Erlebnissen zu erzählen, von Trainingsfortschritten zu berichten, Erfahrungen auszutauschen oder auch nur im Duett oder in der Gruppe die herrliche Umgebung zu genießen. Manche sehen ein Treffen aber als Gelegenheit, Rekorde zu brechen.

„Im Sport geht es um Beschleunigung, Leistung und Schnelligkeit. Die Digitalisierung hilft in vielfacher Hinsicht in der Organisation des Einzelnen und generell in der Organisation des Sports in Vereinen und Gruppen“, erklärt der Wiener Sportsoziologe Otmar Weiß.

Laufen ist und macht sozial. Nach der Maslowschen Bedürfnispyramide sind die sozialen Bedürfnisse der Menschen im hierarchischen Aufbau gleich über den physiologischen Basisbedürfnissen (essen, trinken, schlafen) und denen der Sicherheit gereiht. Dazu gehört nun einmal auch das harmonische Miteinander bei der liebsten Nebenbeschäftigung der Welt. Bei gemeinsamen sportlichen Aktivitäten kommen einmal mehr die Sozialen Medien ins Spiel.

In der Facebook-Gruppe werden schon während des Ausflugs Fotos und Videos gepostet, danach wird fleißig kommentiert, wie schön es mit den anderen war. Eine Stunde später – die meisten Teilnehmer sind gerade nach Hause gekommen, stehen vielleicht noch unter Dusche – folgt bereits der Eintrag samt Terminvorschlag für den nächsten gemeinsamen Lauftrip. Zum Verschnaufen bleibt da kaum Zeit. Alles normal oder soziale „Überlastung“?

„Digitalisierung ist kein Zwang“

Laufsport gilt noch immer als überaus geeignetes Mittel, sich aktiv und ohne Leistungsdruck zu entspannen, Probleme für kurze Zeit links liegen zu lassen oder genussvolle Momente alleine zu verbringen. Werden all diese positiven Effekte durch die Digitalisierung zunichte gemacht?

Fachmann Otmar Weiß sieht diese Auswirkungen in keiner Weise gefährdet. „Menschen werden durch die Digitalisierung immer mündiger und sind in der Lage, zu differenzieren und entscheiden, was ihnen gut tut bzw. was ihrer Persönlichkeitsentwicklung hilft. Das behindert nicht die Erlebnisdimension im Sport, wo man allein sein, abschalten und jene Erfahrungen genießen kann, die man möchte.“ Das werde durch schnellere Informationsverfügbarkeit und Kommunikationsmöglichkeit der Digitalisierung sogar unterstützt. Außerdem könne jeder selbst entscheiden, ob und wie er High-tech oder Social Media verwendet. Digitalisierung dürfe nicht mit Zwang verwechselt werden. Laufen ist auch ohne Laufcomputer, Smartphone oder App ein Abenteuer. Und wird es immer bleiben.

„Sport hat viele Dimensionen, die Erlebnisdimension ist eine davon. Sie hat mit der Digitalisierung nichts zu tun“, ist Weiß überzeugt.

Ob Einzelläufer oder in der Gruppe, Läufer vernetzen sich gerne, um Kontakte zu pflegen, nach Lob zu haschen, Rekorde mitzuteilen oder sich nur wieder einmal bei Bekannten zu melden. Die ausgefeilte Technik von Laufuhr oder Smartphone gibt auch Einzelgängern die Chance, Spaß zu haben. Wenn der Läufer lieber alleine unterwegs ist, lässt er sich unterhalten – von oben beschriebenen Funktionen und Tools, die Uhr oder App bieten.

Welcher Technik den Vorzug gegeben wird, liegt im Ermessen des Users. „Handy oder Uhr kann mir den Gegner oder Trainingspartner ersetzen und liefert sofortige Rückmeldung über meine eigene Leistung. Die Intra- und Interkommunikation erfolgt viel einfacher“, so Weiß. „Ich kann mit mir selbst kommunizieren und gleichzeitig mit anderen, obwohl die sich nicht in meiner Nähe befinden. Im Sport vergleicht man, das liegt in seiner Natur. Und die Digitalisierung bietet Vergleiche an.“

Per Klick zum smarten Check-in bei Laufveranstaltungen

Das Smartphone samt App und Fitnesstracker wird die Laufuhr, die schon längst ein Computer ist, in den nächsten Jahren bei all seinen Vorteilen nicht verdrängen oder ersetzen können, sein Einsatz im Alltag wird aber weiter rasant zunehmen. Smartwatches sind in ihrer steigenden Beliebtheit nichts anderes als die Synergie der Vorzüge von Trainingscomputern am Handgelenk und der mobilen und digitalen Technologie.

Googeln Sie einmal, wie viele User heute schon via mobiler Technik und nicht mehr mit Computer im Netz surfen! Sie werden überrascht sein. Besonders wenn Sie bedenken, welch wichtige Rolle der mobile Internetzugang in der Dritten Welt spielt, deren Gesellschaften die erste Phase des Internetzeitalter einfach überspringen. Vielleicht hält sich Ihre Überraschung auch in Grenzen. Anmeldung, Bestätigung, Startnummer – all die Dinge, die der Freizeitsportler rund um eine Laufveranstaltung benötigt (auch beim kleinen, aber feinen Ortslauf mit 44 Teilnehmern!), kann er heute ohne Ausnahme mit einem Smartphone erledigen, Internetverbindung vorausgesetzt.

Bleibt die Gretchenfrage: Wie denken Sie über einen Läufer, der ohne Uhr, Telefon und Music Player durch die Gegend trabt, an keinen Laufveranstaltungen teilnehmen will – der den Sport offensichtlich in seiner ursprünglichsten Form genießt und dabei ein verklärtes Lächeln im Gesicht zeigt?

Autor: Roland Romanik & Thomas Kolfer
Bilder: SIP/ZVG

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