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Fast auf den Tag genau vor elf Jahren verbuchte das Diamond-League-Meeting in Paris einen historischen Zieleinlauf im 5.000m-Bewerb der Männer. Im von Dejen Gebremeskel in einer Zeit von 12:46,81 Minuten gewonnen Wettkampf blieben nicht weniger als sechs Läufer unter 12:50 Minuten. Nie zuvor und nie danach waren es mehr als drei, bis am Freitagabend beim Diamond-League-Meeting in Lausanne vier Läufer aus einem starken Starterfeld diese Marke unterboten. Die Siegerzeit war deutlich besser als damals in der französischen Hauptstadt, 12:40,45 Minuten durch Berihu Aregawi, gefolgt vom zweitplatzierten Joshua Cheptegei in 12:41,61 Minuten. Es sind der sechst- und siebtschnellste 5.000m-Lauf der Geschichte. Besser war nur der Ugander selbst bei seinem Weltrekordlauf in Monaco 2020, außerdem Kenenisa Bekele 2004 in Hengelo und 2005 in Paris, Haile Gebrselassie 1998 in Helsinki und Daniel Komen 1997 in Brüssel. Etikett: historisch. Und das in einer Disziplin, die der Leichtathletik-Weltverband (World Athletics) vor wenigen Jahren aus dem Diamond-League-Programm verbannen wollte. Nun sahen auch die Funktionäre das bereits dritte hochspannende 5.000m-Rennen der Männer im laufenden Kalenderjahr.
Der Lauf in Lausanne erinnerte irgendwie auch an den 5.000m-Lauf des Diamond-League-Meetings in Oslo zwei Wochen zuvor (siehe RunAustria-Bericht). Auch da wurde verdammt schnell gelaufen, auch damals blieben zwei Läufer unter 12:42 Minuten, Yomif Kejelcha und Jacob Kiplimo, die beide nicht am Genfer See weilten. Vier Läufer, je zwei aus Äthiopien und Uganda, haben also binnen 15 Tagen vier der historisch schnellsten 5.000m-Zeiten produziert – die Vorfreude auf die WM könnte kaum größer sein. Zumal die Besten Kenias, die 2022 die Weltjahresbestenliste anführten, sich heuer noch nicht wirklich gezeigt haben. Und ein gewisser Jakob Ingebrigtsen nicht nur durch seine Weltbestleistung im Zwei-Meilen-Lauf Anfang des Monats in Paris auch nicht unbedingt durch Formschwäche von sich reden macht.
Nicht nur die Zahlen aus dem Wettkampf in Lausanne hinterlassen einen tiefen Eindruck, insbesondere die Art und Weise des Erfolgs von Berihu Aregawi, der erst eine Woche zuvor die gut besetzten äthiopischen Trials im 10.000m-Lauf für die WM-Nominierung vor Selemon Barega mit einer sub-27-Minuten-Zeit gewinnen konnte, versah das Rennen mit etlichen Rufzeichen. Denn ausgelegt war die Tempomacher-Arbeit auf die Verbesserung des Meetingrekords von Muktar Edris aus dem Jahr 2017 (12:55,23 Minuten) und genau so waren auch die Wavelights eingestellt.
Doch nach zwei Kilometern, als die Tempomacher ausstiegen, begann ein fantastischer Lauf an der Spitze von Berihu Aregawi. Der 22-jährige Äthiopier kommandierte von der Spitze, schaltete einen Gang hoch und senkte die Rundenzeiten kontinuierlich von 61er-Runden um Zehntelsekunden nach unten. Telahun Bekele und Hagos Gebrhiwet hefteten sich an seine Fersen. Olympiasieger Joshua Cheptegei, der offenbar keine große Lust auf ein derartig rasantes Tempo in der Mittelphase des Wettkampfs, nicht selten der „langsamste“ Teil, hatte, erkannte, dass er Positionen gutmachen musste, um die Spitze nicht aus den Augen zu verlieren. Tatsächlich brach diese in zwei Teile und der Ugander war als Vierter vorne, der von Barega angeführte Rest hatte rasch einen großen Rückstand. Als der letzte Kilometer anstand, mussten Bekele und Gebrhiwet locker lassen und nur Cheptegei jagte dem Tempo Aregawis nach.
Nach fast drei Kilometern Führungsarbeit im Weltrekordtempo wäre es keine Überraschung gewesen, hätte der Weltrekordhalter seinen Kontrahenten in der Schlussrunde abgekocht. Cheptegei ging in Angriffshaltung, attackierte bestens positioniert aus der letzten Kurve heraus und gab sichtlich alles. Es war nicht genug. Aregawi konterte eingangs der Zielgerade empfindlich und sorgte für die Vorentscheidung, die sich nach 12:40,45 Minuten Laufzeit in einen goldenen Sieg adelte – eine Verbesserung der persönlichen Bestleistung um fast zehn Sekunden. „Ich bin überglücklich, vor dieser großartigen Kulisse Joshua geschlagen zu haben“, jubelte der Sieger. Cheptegei finishte seinen zweitschnellsten 5.000m-Lauf überhaupt in einer Zeit von 12:41,61 Minuten, zum achten Mal in seiner Karriere blieb der 26-Jährige unter 13 Minuten. „Mein Ziel ist es, von Wettkampf zu Wettkampf schneller zu werden. Das ist gelungen, aber das heutige Rennen zeigt, dass ich weitere Schritte setzen muss, um meine Ziele zu erreichen“, sagte der Weltrekordhalter. Den spannenden Endspurt um Platz drei gewann Hagos Gebrhiwet haarscharf gegen Telahun Bekele , ebenfalls auf höchstem Niveau. Ihre Leistungen: 12:49,80 und 12:49,81 Minuten. Dass beide keine persönliche Bestleistungen liefen, lag daran, dass der 29-jährige Gebrhiwet bereits zum vierten Mal in seiner Karriere unter 12:50 Minuten lief (nur Kenenisa Bekele hat noch mehr, Anm. d Red.) und der 24-jährige Bekele bereits vor zwei Wochen in Oslo mit Platz drei richtig schnell gelaufen ist.
Nicht ins Konzert der schnellen Zeiten einstimmen konnte Lokalmatador Jonas Raess, dessen Angriff auf den Schweizer Landesrekord von Markus Ryffel (13:07,54) scheiterte, womit der 29-Jährige weiterhin auch das WM-Limit von 13:07,00 Minuten nicht in der Tasche hat. Raess wurde in einer Zeit von 13:22,53 Minuten Elfter.
Dass der 1.500m-Lauf die chronologisch letzte Laufdisziplin am Freitagabend in Lausanne war, lag einzig und allein an der Präsenz von Jakob Ingebrigtsen, der die Erwartungen erfüllte und seinen achten Sieg im Rahmen eines Diamond-League-Meetings feierte. Die Art und Weise erstaunte erneut und da der Norweger wiederholt ein hochklassiges Rennen mit dieser Strategie gewann und gleichzeitig eine hochklassige Siegerzeit von 3:28,72 Minuten auf die Bahn zauberte, macht die Nuss, die die Konkurrenz zu knacken hat, für sie immer härter. Auch wenn in Lausanne eine dreiviertel Sekunde auf den Europarekord, den der 22-Jährige vor heimischem Publikum in Oslo aufgestellt hatte, fehlte – über den Meetingrekord konnte sich der Skandinavier dennoch freuen. Er blieb 0,05 Sekunden unter der Zeit seines ehemaligen und vielleicht auch baldigen Hauptkontrahenten Timothy Cheruiyot. Damals, im Sommer 2019, staunte die Laufwelt über die Konstanz mit dem Touch der Unbesiegbarkeit des Kenianers, nun tut sie es beim Norweger.
Denn Ingebrigtsen setzte sich ohne Umschweife direkt auf die Position hinter die Tempomacher, die von den auf Ingebrigtsens Europarekord eingestellten Wavelights geleitet wurden. Der zweite Pacemaker, Erik Sowinski, führte den Norweger bei einer Zwischenzeit von 1:51,75 Minuten über die Marke bei 800 Metern und schaffte sogar fast noch weitere 200. So demonstrierte der Norweger, der einen Start-Ziel-Sieg feierte, seine Tempogestaltung nur etwas mehr als 500 Meter und beschleunigte sukzessive während der letzten Runde. Noch in der letzten Kurve schienen Josh Kerr und Lamecha Girma in potenzieller Angriffsposition. Doch das Tempo aus der Kurve heraus erinnerte an einen leichten Booster aus dem Motorsport, binnen weniger Schritte hatte der Norweger einige Meter Vorsprung und hievte sich in dieser Phase unter den Meetingrekord. Die Frage, wer Ingebrigtsen in seiner 2023er-Verfassung bei den Weltmeisterschaften über 1.500m schlagen soll, ist bereits jetzt davor berechtigt. Zumal der Norweger im Interview mit der Diamond League das Offensichtliche zugab: Die gesamte Saisonstrategie ist darauf ausgelegt, in Topform bei der WM den 1.500m-Lauf zu gewinnen.
Auch die Leistungen hinter dem Sieger waren beachtlich: Lamecha Girma, frischer Weltrekordhalter im 3.000m-Hindernislauf, demonstrierte eine fast unglaubliche Grundschnelligkeit und war der Zweitbeste insgesamt, aber vor allem im Finale. Dass er 1.500m-Wettkämpfe nicht gewohnt ist, erkannte man am Beginn, als sich der Äthiopier erst etwas hinten einordnete und peu à peu nach vorne zog. Dennoch unterbot der 22-Jährige, der erstmals einen Wettkampf gegen Ingebrigtsen bestritt, den äthiopischen Landesrekord, den Aman Wote nun seit neun Jahren hielt, um vier Zehntelsekunden. Gewiss ist diese Disziplin nicht als äthiopische Spezialdisziplin anzusehen, denn auch jetzt ist der äthiopische Rekord lediglich der elftbeste der Welt – beispielsweise hinter den Landesrekorden aus Frankreich, der USA oder Australien.
Auch hinter dem britischen, der in Lausanne zwar nicht fiel, aber für den britischen Laufsport war es dennoch ein bedeutendes Rennen. Josh Kerr, Olympia-Bronzemedaillengewinner von Tokio, absolvierte den besten Wettkampf seit damals und ließ so manches enttäuschendes Rennen der letzten Wochen und Monate inklusive des bereits guten Rennens in Oslo vergessen. Nur knapp musste sich der Schotte auf den letzten Metern Girma geschlagen geben, die Zeit von 3:29,64 Minuten bedeutet seine erst zweite unter der Schallmauer von 3:30 Minuten. Damit haben, jetzt zu Saisonmitte, man höre und staune, bereits zehn Athleten eine Saisonbestleistung unter 3:30 Minuten stehen – so etwas hat es in ein und demselben Kalenderjahr noch nie gegeben, die bisherigen Höchstwerte stammen aus den letzten Jahren des letzten Jahrhunderts. Zum Vergleich: 2022 waren es in der gesamten Saison vier, im Olympia-Jahr davor sechs. Gäbe es nicht die Leistungsexplosionen im 5.000m-Lauf der Männer, wäre der 1.500m-Lauf die alleinige Laufdisziplin des Jahres 2023!
Neben dem Stockerl, aber auch wichtig, weil der 1.500m-Lauf bei den anstehenden britischen Meisterschaften der mit Abstand dichteste und spannendste Laufbewerb sein wird: Der viertplatzierte Elliot Giles steigerte seine persönliche Bestleistung deutlich auf: 3:31,56 Minuten. Lokalmatador Tom Elmer belegte den zehnten Platz.
Das spannende Duell zwischen der aufgrund ihrer Siegesleistung von Paris (1:55,77) favorisierten Keely Hodgkinson gegen die Kenianerin Mary Moraa endete mit einem überraschenden Ausgang. Die 23-jährige Kenianerin gewann in einer Zeit von 1:57,43 Minuten mit fast einer Sekunde Vorsprung auf die 21-jährige Engländerin. Hodgkinson, die ihre erste Niederlage seit dem Diamond-League-Finale in Zürich im September erlitt, als sie nach einer langen Saison mit drei Höhepunkten müde wirkte, verlor den Anfangsspurt bis zur zweiten Kurve und musste der Kenianerin die führende Position überlassen. Noch frustrierender für Hodgkinson war aber, dass sich auch die junge Schweizerin Audrey Werro unbekümmert in die Spitze drängte und die erste Runde hinter Moraa (56,65 Sekunden) als Zweite beendete. Die Britin musste erst an der 19-Jährigen vorbei und setzte in der letzten Kurve außen zum Überholmanöver an. Die Kenianerin ließ sich Richtung Bahn zwei fallen und drängte Hodgkinson auf faire Weise damit zu einem leichten Umweg, gleichzeitig kam sie besser aus der Kurve und das Rennen war bereits vor dem Endspurt entschieden. „Es war ein sehr herausfordernder Wettkampf und im Ziel war ich richtig leer“, meinte die Siegerin, die ihrerseits in Freiluftrennen nun seit den Weltmeisterschaften von Oregon, wo sie Bronze holte, ungeschlagen ist. Die Besiegte, die nun die letzten drei direkten Duelle gegen ihre kenianische Rivalin verloren hat und in der Gesamtbilanz mit 3:4 in den Rückstand geraten ist, machte gute Miene zum bösen Spiel: „Ich bin nicht glücklich, weil ich immer gewinnen will. Aber nächstes Mal schlag ich zurück. Ich bin in großartiger Form und grundsätzlich stimmt der Kurs.“
Platz drei ging an Natoya Goule, die damit ihr drittes Diamond-League-Rennen der Saison unter den Top-Vier beendete. Exakt dieselbe statistische Einordnung trifft auf die viertplatzierte Australierin Catriona Bisset zu. Angesichts der Präsenz von Moraa, Hodgkinson und Weltmeisterin Athing Mu dürften aber beide nicht wirklich realistisch von WM-Medaillenchancen in Budapest träumen. Werro blieb in 1:59,71 Minuten neuerlich unter zwei Minuten und war hinter der Britin Jemma Reekie beste Schweizerin vor Lore Hoffmann, die eine Saisonbestleistung von 2:00,49 Minuten erreichte. Das WM-Limit für Budapest hat die 26-Jährige jedoch schon dank zweier Leistungen im Spätsommer des letzten Jahres in der Tasche.
In der vierten Laufentscheidung des Tages, dem 3.000m-Hindernislauf der Frauen, feierte Beatrice Chepkoech ihren ersten Sieg seit dem Meeting in Nairobi im Mai und ihren ersten in der Diamond League seit ihrer Traumsaison 2019, nachdem sie die heurige Diamond-League-Saison mit zwei vierten Plätzen eröffnet hatte. Die 31-Jährige, die ihren achten Sieg in der Diamond League feierte, spannte sich hinter der Äthiopierin Sembo Almayew, Siegerin von Florenz, ein. Nach einem schnellen ersten Kilometer dank der Unterstützung von Tempomacherin Fancy Cherono, selbst eine gute Hindernisläuferin, wurde das Tempo im Mitteldrittel etwas langsamer. Im Finale kam Chepkoech aus der Angriffsposition ihre bessere Technik über das Hindernis auf der Gegengerade, das das Überholmanöver einleitete, und über den letzten Wassergraben entgegen. Sie siegte in einer Zeit von 9:05,98 Minuten mit einer Sekunde Vorsprung, Olympiasiegerin Peruth Chemutai konnte im Finale nicht mehr mithalten und wurde Dritte (9:11,91). Die Verbesserung des Meetingrekords von Virginia Nyambura aus dem Jahr 2015 von 9:16,99 Minuten war angesichts der aktuellen Qualität an der Spitze des 3.000m-Hindernislauf eine reine Formsache.
Vize-Europameisterin Lea Meyer wurde bei ihrem Saison-Debüt über die Hindernisse gute Achte (9:20,36) und war damit zweitbeste Europäerin hinter Marusa Mismas-Zrimsek auf Rang sechs. Die Französin Alice Finot kam nicht über Platz neun hinaus und blieb weit hinter ihrem Landesrekord, den sie in Florenz vor vier Wochen aufgestellt hatte.
5.000m-Lauf der Männer
3.000m-Hindernislauf der Frauen
1.500m-Lauf der Männer
800m-Lauf der Frauen
* neuer Meetingrekord
** neue Weltjahresbestleistung
*** neue persönliche Bestleistung
**** neuer äthiopischer Landesrekord