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Vor wenigen Jahren arbeitete Boris Berian noch in einer als Olympia-Sponsor auftretenden und weltbekannte Schnell-Imbiss-Kette und frittierte Kartoffelsticks in heißem Öl, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Seit Samstag ist der 23-Jährige Hallen-Weltmeister im 800m-Lauf. Es sind genau jene Geschichten…
Vor wenigen Jahren arbeitete Boris Berian noch in einer als Olympia-Sponsor auftretenden und weltbekannte Schnell-Imbiss-Kette und frittierte Kartoffelsticks in heißem Öl, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Seit Samstag ist der 23-Jährige Hallen-Weltmeister im 800m-Lauf. Es sind genau jene Geschichten „vom Tellerwäscher zum Millionär“, die die US-Amerikaner so lieben und besonders zelebrieren können, wie sonst kein anderes sportbegeisterte Volk auf der Welt.
Was der stämmige Athlet vom Big Bear Lake in den Höhen Kaliforniens im Oregon Convention Center vor 7.000 begeisterten gleich wie erstaunten Zuschauern m Finale über 800m ablieferte, war eine wahrhaft überzeugende Performance. Gleich nach dem Start setzte er sich an die Spitze, legte einen Abstand zwischen sich und seinen fünf Konkurrenten und verfolgte seine Offensivtaktik mit Überzeugung. Mit einem Vorsprung von rund acht Metern ging der US-Amerikaner in die letzte Runde. Dass dahinter Medaillenkandidat Musaeb Abdulrahman Balla ins Stoplern kam, als er Antoine Gakeme auf das Schuhende trat, half Berian. Doch die Rivalen hätten den US-Amerikaner ohnehin nicht eingeholt. Mit schmerzverzerrten Gesicht und zusammengepressten Zähnen jagte Berian die Zielgerade entlang und ging nach exakt 1:45,83 Minuten in einen lässigen Jubel über. Jener Mann, den vor einem Jahr noch keiner kannte und der beim Diamond League Meeting in New York im vergangenen Jahr wie Phönix aus der Asche auf einen zweiten Rang hinter einem gewissen David Rudisha stürmte, präsentierte sich an diesem Samstagabend in Portland als cooler WM-Goldmedaillengewinner. „Mein Plan war ein einfacher. Einfach vorne weg jagen. Ich mag diese Art zu laufen. Das Publikum hat mir dann geholfen, meine Spitzenposition zu verteidigen“, resümierte der Überraschungs-Champion.
Zweimal in Folge hatte Mohammed Aman bei Hallen-Weltmeisterschaften die Goldmedaille geholt, in Portland – gewissermaßen als kleiner Lokalmatador, weil der Äthiopier seit über einem Jahr in Eugene lebt und trainiert – war er wieder im Finale mit dabei, doch dieses Mal ohne Chance. Von Beginn an wählte er eine Defensivtaktik und setze sich an die letzte Stelle. Gift, bei dem Vorhaben Berians. Am Ende verpasste der Weltmeister von 2013 in Moskau die Medaillenränge als Vierter klar. Der junge Marokkaner Mostafa Smaili, der in seinem Vorlauf so stark auftrat, spielte im Finale keine Rolle. Doch alleine die Teilnahme war bereits ein Erfolg und deutete das Potenzial des 19-Jährigen für die Zukunft an.
Dass kein Europäer im Finallauf über 800m weilte, war indes in einem insgesamt überschaubaren Teilnehmerfeld in den drei Vorläufen keine große Überraschung. Dass kein Kenianer ins Finale rutschte, allerdings schon. Jeremiah Mutai verpasste im Vorlauf als Dritter hinter Gakeme und Berian den Sprung ins Finale nur knapp. Der spätere Weltmeister hatte diesen übrigens nur über die Zeitregel geschafft, genauso wie der Bronzemedaillengewinner.
So überragend die Hallen-Weltmeisterschaften für die gastgebende Nation nicht nur insgesamt, sondern besonders im Mittelstreckenlauf verlief: Mit einer Goldmedaille hatten die Amerikaner irgendwie spekuliert. Nämlich mit jener über die vier Hallenrunden bei den Damen. Ajee Wilson machte auch nie einen Hehl daraus, dass sie nur allzu gerne diese Goldmedaille auch holen würde. Die Anspannung war ihr ins Gesicht geschrieben, als das sechsköpfige Finalfeld an der Startlinie in die richtige Form delegiert wurde. Sofort setzte sich Wilson an die Spitze und signalisierte der Konkurrenz, umsichtig, aber flink laufen zu wollen. Anfangs der dritten Runde attackierte Francine Niyonsaba mit einem energiereichen Antritt und setzte sich ab. Es spricht für die junge Wilson, dass sie sich in dieser Phase nicht zu einer Harakiri-Aktion hinreißen ließ, obwohl ihre Felle davonzuschwimmen drohten.
Hinter Niyonsaba sammelte die geduldige Wilson auf den finalen 100 Metern noch einmal alle Kraft zusammen und überholte die Margaret Wambui, um die Silbermedaille zu gewinnen. „Ich bin zufrieden, mit dem, was ich erreicht habe. Ich war auf den Angriff von Niyonsaba einfach nicht vorbereitet und konnte dann nicht mehr reagieren. Ich hatte mir zwar Gold gewünscht, aber ich gehe glücklich mit der Silbermedaille nach Hause“, erklärte die Lokalmatadorin. Dass die Junioren-Weltmeisterin aus Kenia auf das Podest lief, dürfte nicht jeden gefreut haben. Die 20-Jährige erstaunt mit einer überraschend männlichen Erscheinung und auch wenn sich die Diskussionen bis dato eher im Hintergrund hielten: Nicht wenige fühlen sich an den Fall Caster Semenya zurückerinnert.
Im Gegensatz zum Finallauf der Herren schaffte es eine Europäerin unter die besten sechs. Die Isländerin Anita Hinriksdottir zeigte im Vorlauf eine starke Leistung und schaffte über die Zeitregel den Sprung ins Finale, wo sie – entgegen ihrem Naturell – defensiv lief. Was durchaus intelligent schien, war sie doch die größte Außenseiterin. Rang fünf hinter der zweiten US-Amerikanerin Laura Roesler und vor der abgeschlagenen Äthiopierin Habitam Alemu stellten ein respektables Ergebnis dar – dem international besten in der noch jungen sportlichen Laufbahn des Riesentalents von der skandinavischen Insel im Nordatlantik.
Nicht den Sprung in den Endlauf schaffte die Deutsche Christina Hering, die in einem von Roesler gleichermaßen dominierten wie eingebremsten Vorlauf als Dritte über die Zeitregel keine Chance hatte. Noch schlechter erging es der Kubanerin Rose Mary Almanza, die mit fliegenden Fahnen unterging. Auch dass Lynsey Sharp nicht ins Finale kam, war durchaus eine Überraschung. Aber mit Niyonsaba hatte sie eine übermächtige Gegnerin im Vorlauf und bei diesem knallharten Modus (nur die schnellste der drei Vorläufe plus die drei Zeitschnellsten gehen ins Finale) braucht man eine gehörige Portion Glück. Und so kamen bei den Damen mit Wambui, Hinriksdottir und Alemu alle drei Zeitschnellsten Nicht-Gewinner eines Vorlaufs aus dem ersten Vorlauf.
Herren
Gold: Boris Berian (USA) 1:45,83 Minuten
Silber: Antoine Gakeme (Burundi) 1:46,65 Minuten
Bronze: Erik Sowinski (USA) 1:47,22 Minuten
4. Mohammed Aman (Äthiopien) 1:47,97 Minuten
5. Musaebn Abdulrahman Balla (Katar) 1:48,31 Minuten
6. Mostafa Smaili (Marokko) 1:52,32 Minuten
Damen
Gold: Francine Niyonsaba (Burundi) 2:00,01 Minuten
Silber: Ajee Wilson (USA) 2:00,27 Minuten
Bronze: Margaret Wambui (Kenia) 2:00,44 Minuten
4. Laura Roesler (USA) 2:00,80 Minuten
5. Anita Hinriksdottir (Island) 2:02,58 Minuten
6. Habitam Alemu (Äthiopien) 2:04,61 Minuten
Hallen-Weltmeisterschaften 2016 in Portland