Newsletter Subscribe
Enter your email address below and subscribe to our newsletter
Seit Monaten kämpfen wir mit niedrigen Temperaturen, widrigen Laufbedingungen und natürlich mit dem inneren Schweinehund, der uns empfiehlt, lieber durch intensives Couching zu glänzen als durch ordentliches Training. Und da die Temperaturen derzeit nur langsam steigen, bleibt während der kalten Jahreszeit nur die Aussicht darauf, dass es wieder besser wird. Irgendwann.
Seit Monaten kämpfen wir mit niedrigen Temperaturen, widrigen Laufbedingungen und natürlich mit dem inneren Schweinehund, der uns empfiehlt, lieber durch intensives Couching zu glänzen als durch ordentliches Training. Und da die Temperaturen derzeit nur langsam steigen, bleibt während der kalten Jahreszeit nur die Aussicht darauf, dass es wieder besser wird. Irgendwann.
Immer wieder gibt es sie, diese braungebrannten Läuferinnen und Läufer, die am Start der Crossläufe im Frühjahr aus der Menge an käsebleichen Gesichtern hervorstechen. Wie Exoten wirken sie, und doch sind es die gleichen Mitstreiter, denen man beim Silvesterlauf zwei Monate zuvor auch schon hinterhergelaufen ist – damals allerdings noch ohne diesen gesunden, an Sommer erinnernden und so hochmotivierenden Teint im Gesicht, der alle anderen vor Neid noch blasser wirken lässt als es ohnehin schon der Fall ist.
Es können ungeahnte Potenziale ausgeschöpft werden.
Das geschulte Läuferauge erkennt es sofort, denn es gibt nur zwei Möglichkeiten auszuschließen: die künstliche Solariumsonne und Winterurlaub in Südostasien. Spätenstens dann, wenn diese braungebrannten Athleten ihre bisherigen Bestzeiten pulverisieren, fügen sich die Indizien zu einem eindeutigen, runden Bild zusammen: kein Solarium, kein Urlaub sind der Grund für den Leistungszuwachs, sondern ein hartes Trainingslager, dessen Früchte nun geerntet werden.
Der Neid ist dann meist groß und eine Ausrede suchend wendet man sich ab. „Das machen doch nur Profis“, redet man sich schnell und gerne ein. Aber genau hier liegen die meisten falsch. Denn gerade für Läuferinnen und Läufer, die in ihrer spärlichen Freizeit verzweifelt nach freien Zeitslots für das Training suchen, können von einem Trainingslager profitieren. Sportlich und sozial.
Wir kennen es alle: Der Chef nervt. Die Kinder nerven. Der Partner nervt. Nach einem harten Tag dann noch die Laufschuhe anzuziehen, um in der Dunkelheit bei Regen oder gar Schnee das notwendige Training zu absolvieren, nervt am allermeisten. Gerade in diesen Fällen ist der Kampf mit dem inneren Schweinehund unglaublich unfair, hat dieser doch eine Armada an schlachtentscheidenden Argumenten hinter sich, die von allen Seiten gleichzeitig angreifen und unseren unbändigen Bewegungsdrang in die Knie zwingen.
In solchen Situationen wünscht man sich in den Süden, in die Sonne und in eine Zeit, in der sich nicht das Lauftraining um den Alltag herum organisiert, sondern das Lauftraining den Alltag ausmacht. Diese Chance hat man im Trainingslager so gut wie sonst nirgends. Und egal, wie viel oder wie oft man trainiert, man freut sich darauf, die Laufschuhe anzuziehen und das Training zu absolvieren, denn genau dazu nimmt man sich diese ein- oder zweiwöchige Auszeit.
Doch geht es im Trainingslager nicht nur darum, die Zeit für das Training zu finden, sondern auch darum, sich der zweitwichtigsten Sache nach den Laufeinheiten zuzuwenden: der Regeneration.
Urlaub dient zur Entspannung. Das ist nicht nur beim Familienurlaub so, sondern auch – oder vor allem – im Trainingslager. Denn die Leistung, die dem Körper abverlangt wird, fordert früher oder später ihren Tribut, wenn man den geschundenen Muskeln nicht durch wohltuende Bäder, Massagen oder wärmende Saunagänge zur Seite steht.
Was im Alltag oft nicht geht, ist also im Trainingslager ein wesentlicher inhaltlicher Bestandteil des sportlichen Tagesverlaufs und somit auch ein entscheidender Erfolgsfaktor. Nicht nur für das Trainingslager selbst, sondern vor allem auch für die Wettkampfergebnisse, die man danach erzielen kann. Denn im Trainingslager kann man vor allem auch an wichtigen Potenzialen arbeiten: Trainingsqualität und Quantität.
Ist man alleine oder mit einer Gruppe im Trainingslager unterwegs, gilt es, die Zeit zu nutzen. Meist können dadurch bis dahin ungeahnte Potenziale ausgeschöpft werden. Man läuft nicht nur längere Strecken und mehr Kilometer als sonst, sondern auch in einem höheren Tempo. Denn während man zu Hause den Alltagstrott auf die Laufstrecke mitnimmt und ihn auf die Trainingseinheit überträgt, unterliegt man im Trainingslager der Dynamik der Gruppe, der puren Motivation, die alleine die Bezeichnung Trainingslager schon mit sich bringt, und vor allem auch dem Reiz der optimalen Bedingungen mit frühlingshaften Temperaturen, schnellen Laufstrecken und dem damit verbundenen Urlaubsfeeling.
Nicht selten schaffen deshalb auch Hobbyathleten in einem Trainingslager mehr als den doppelten Umfang einer normalen Trainingswoche. Einerseits wird das durch längere Läufe erzielt, andererseits erhöht sich die Anzahl der Trainingseinheiten. Denn obwohl in den meisten Trainingsresorts sehr viele Angebote existieren, um den Urlaub zu einem echten Erlebnis zu machen, ist man (auch) zum Laufen da. Und dieser Motivation kann man sich einfach nicht entziehen.
Die meisten Trainingslager sind für Gruppen organisiert. So schwer es oft ist, zu Hause einen Trainingspartner zu finden, so leicht ist es deshalb im Trainingslager. Man befindet sich unter Gleichgesinnten, kann seine Erfahrungen austauschen und gemeinsame Trainingserfolge feiern. Es herrschen also nicht nur optimale Trainingsbedingungen vor, sondern es stimmt auch das soziale Umfeld. Denn auch das ist etwas, das man sich vom Urlaub erwartet: Spaß an der freien Zeit mit Menschen, die man gerne um sich hat.
Wer also noch immer glaubt, das Trainingslager sei nur etwas für Profis, sollte bei den kommenden Wettkämpfen im Frühjahr nach links und rechts schauen – in die hochmotivierten, braungebrannten Gesichter der Läufer, die tatsächlich dem tristen winterlichen Alltag entflohen sind, mit einem enormen Leistungszuwachs glänzen und neue Freunde gefunden haben. Im Trainingslager.
Autor: Karl Aumayr
Bilder: © SIP / Johannes Langer