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Mitte September musste mit dem WACHAUmarathon erstmals eine große Laufveranstaltung in Österreich aufgrund der Wetterbedingungen abgesagt werden. Schwere Regenfälle, die als Jahrhundertereignis bezeichnet wurden, ließen keine Durchführung zu, was Veranstalter Michael Buchleitner dank genauer Wetterprognosen bereits wissend mit einer frühzeitigen Absage antizipierte. Nun sieht er sich mit dem wirtschaftlichen Schaden der Absage konfrontiert. Der Valencia Marathon fand Anfang Dezember trotz der schrecklichen Unwetter in der Region von Ende Oktober mit über 200 Todesopfern statt. Dass das Wetter ein Laufevent verhindert, damit steht der WACHAUmarathon in diesem Herbst dennoch nicht alleine – wie Beispiele aus England und Spanien zeigen.
Die Tage einer Eventwoche sind üblicherweise von steigender Anspannung geprägt. In der Lauf-Community im Sinne der Vorfreude und der Konkretisierung der individuellen Vorstellungen und Ziele. Beim Veranstalter üblicherweise mit der Kumulation des organisatorischen Vorbereitungsfinals. Beim WACHAUmarathon, der Mitte September seine 25. Auflage hätte feiern sollen, war alles anders. Die Anspannung bei den Teilnehmer*innen kippte in Unsicherheit. Über dem Veranstaltungsverantwortlichen Michael Buchleitner und seinem Team legte sich ein unvergleichlicher Stress. Eine Wetterwarnung der höchsten Stufe schwebte als Damoklesschwert über dem, was eigentlich ein Lauffest werden sollte.
Buchleitner reagierte schnell und mutig (siehe RunUp.eu-Bericht). Er erkannte die Unrealisierbarkeit der Veranstaltungsdurchführung und antizipierte die offizielle Kommunikation der zögernden Behörden. Sie hätten ihn sprichwörtlich im Regen stehen lassen und sahen vier Tage vor dem 15. September keinen Handlungsbedarf, erzählt der ehemalige Spitzenläufer im Interview mit dem Laufmagazin „Running & Fitness“ (November-Ausgabe). Buchleitner sortierte seine Gedanken, führte Gespräche und traf die Entscheidung am Donnerstag selbst: Absage! „Nach den letzten Gesprächen mit den Behörden des Landes Niederösterreich habe ich mich dazu entschlossen, den WACHAUmarathon im Alleingang abzusagen.“
Die Undurchführbarkeit des Laufevents und die damit alternativlose Absage war dem 55-Jährigen umfänglich bewusst – und auch die Gefahren, die ein Zögern bedeutet hätte. Tatsächlich steckte das größte Bundesland Österreichs am 15. September in einer Jahrhundert-Naturkatastrophe mit schicksalshafter Dramatik in tausendfacher Ausführung für die Bevölkerung im Katastrophengebiet. Die Wachau und der Bezirk Krems, Zielort des WACHAUmarathon, gehörten zu den vom Hochwasser am stärksten betroffenen Regionen dieses dramatischen Ausnahmeereignisses.
Durch die frühe Absage und konstruktiven, lösungsorientierten Gesprächen mit Lieferanten konnte Buchleitner den Schaden etwas minimieren, sagte er gegenüber „Running & Fitness“. Das war aber nur eine leichte Linderung, denn schnell wurde klar, dass der Veranstalter keinen Schadenersatz bekommen würde. Versicherungen für den Ausfall einer Laufveranstaltung sind besonders seit der Corona-Zeit mit astronomischen und praktisch unleistbaren Prämien verbunden, die Hochwasserfonds des Landes sind für andere Fälle vorgesehen. Erste Schätzungen nach der Absage, die beispielsweise einem Bericht der Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN) zu entnehmen waren, beziffern den wirtschaftlichen Schaden auf eine Höhe von 250.000 Euro – mit dem Hinweis einer noch nicht im Detail verfügbaren Bilanz. Öffentliche Neuigkeiten gibt es seither keine, nicht einmal auf den Kommunikationskanälen des WACHAUmarathon.
Buchleitner steht nun vor den Herausforderungen, den wirtschaftlichen Schaden zu bewältigen und das Comeback des WACHAUmarathon am Wochenende des 13. und 14. September 2025 vorzubereiten. Ein wichtiger Schritt dorthin ist eine Versicherung, für Buchleitner unausweichlich. Der Pandemie bedingte Ausfall der Veranstaltung in den Jahren 2020 und 2021 ist auch noch nicht allzu lange her, das bedeutet: Seit 2019 konnte der WACHAUmarathon nur zwei von fünfmal über die Bühne gehen.
Der Veranstalter sieht sich auf einem guten Weg einer Versicherungslösung gemeinsam mit mehreren weiteren Laufevents in Österreich, um die Prämie pro Veranstalter im machbaren Bereich zu halten, erzählt er gegenüber „Running & Fitness“ mit Optimismus: „Wir werden gemeinsam einen Verein gründen, der die Versicherung abschließt und der im Schadensfall an den betroffenen Lauf das Geld der Versicherung ausschüttet.“ Interesse dürfte bestehen, denn die Absage des WACHAUmarathon steht als Mahnmal in der österreichischen Laufszene. Sie ist, abgesehen von der Pandemie, unter den größeren heimischen Laufevents einmalig. Europaweit freilich nicht.
Durch das verheerende Wettereignis Mitte September im Osten Österreichs mussten Tausende Laufbegeisterte auf ihr Lauferlebnis WACHAUmarathon verzichten. Rund 6.800 hatten sich für die verschiedenen Distanzen angemeldet. Mehr als acht von zehn angemeldeten Teilnehmer*innen entschieden sich auf das offizielle Schreiben des Veranstalters für eine Rückforderung des einbezahlten Nenngelds – und damit, bewusst oder unbewusst, gegen die Varianten, die eine aktive Solidaritätsleistung zugunsten der Veranstaltung beinhaltet hätten. Und zwar entweder als 50%-Gutschein auf eine Anmeldung im kommenden Jahr oder in Form eines Verzichts auf Rückzahlung. In letzterem Falle hätte der Veranstalter als kleinen Anreiz 10 Euro pro Fall an die Caritas gespendet.
Aufgrund dieses für ihn unerwartet hohen Prozentsatzes war Buchleiter in den Tagen nach dem abgesagten Event auf das Wort „Solidarität“ nicht nur aufgrund des mangelnden behördlichen und politischen Beistandes schlecht anzusprechen. Seine im Grunde durchaus verständliche emotionale Reaktion, die er auch gegenüber den NÖN in Überdeutlichkeit äußerte und der Gesellschaft Egoismus unterstellte, bezieht sich wohl auch auf die Weitsicht der frühzeitigen Entscheidung der Absage, die den Teilnehmer*innen im Vergleich zu einer kurzfristigen Absage unabhängig der dann gestiegenen Gefahrenlage auch einige Lästigkeiten erspart hat.
Abgesehen von einigen dreisten Versuchen von multiplem Profit, von denen Buchleitner im „Running & Fitness“ erzählt, machten die angemeldeten Teilnehmer*innen mit der individuellen Wahl von ihrem Recht Gebrauch. Vielen mögen die komplexen Modalitäten aus der Coronazeit, die damals ja nicht nur den Laufsport betrafen, noch negativ in Erinnerung gewesen sein. Viele, gerade in Niederösterreich, hatten möglicherweise privat durch die Unwetter finanzielle Sorgen oder fanden diese im familiären Umfeld oder Bekanntenkreis vor.
Der WACHAUmarathon 2024 lieferte eine beispiellose Episode im heimischen Laufsport. Ein höchst seltenes Wetterereignis hatte massive Auswirkungen auf ein ganzes Bundesland und darüber hinaus. Die Drastik der Naturgewalt hat die Entscheidung Buchleitners zur Absage inhaltlich nie in Diskussion gestellt, sie war eindeutig richtig. Debatten wurden aufgrund der Begleiterscheinungen und der Effekte laut. Lauf-Communities in anderen europäischen Ländern haben schon Erfahrungen mit Absagen aufgrund von Wetterereignissen gesammelt, auch in diesem Herbst.
Das jüngste Beispiel einer kurzfristigen Absage ist der San Sebastian Marathon, der am 24. November zu seiner 46. Auflage kommen hätte sollen. Da die Behörden aufgrund prognostizierter Sturmspitzen mit bis zu 120 km/h für den Renntag eine Wetterwarnung aussprachen, blieb dem Veranstalter keine andere Möglichkeit, als den Event tags zuvor abzublasen. Eine solche Wetterwarnung wegen Wind trete in der baskischen Hafenstadt im Schnitt nur einmal pro Jahr auf, schrieb der Veranstalter.
Im Gegensatz zum Beispiel WACHAUmarathon konnte der Veranstalter des San Sebastian Marathon sich auf offizielle Dokumente berufen, in diesem Falle jene der Wetterbehörden, die mit dem Ausruf der Warnstufe, die u.a. die Gefahr für die körperliche Unversehrtheit von Menschen umfasste, diverse festgelegte Sonderregeln, Gebote und Verbote aktivierten. Damit wäre eine (unverantwortliche) Durchführung des Laufevents rechtlich gar nicht möglich gewesen.
Der Veranstalter reagierte auf die Absage schnell und kündigte dank tatkräftiger Unterstützung des Hauptsponsors, die Versicherung Zurich, eine unkomplizierte Rückerstattung aller Teilnehmergebühren an – zusätzlich zu weiteren Varianten, aus denen die Teilnehmer*innen nun wählen können. Dazu gehört auch der Übertrag zu einem Startplatz für den San Sebastian Marathon 2025.
„Wir bedauern es zutiefst, dass wir nicht das Lauffest feiern konnten, das wir uns vorgestellt haben. Aber wir werden mit noch mehr Enthusiasmus die nächsten Ausgaben des Donostia and Zürich Marathon San Sebastian vorbereiten. Wir werden euch immer mit offenen Armen begrüßen“, schreib der Veranstalter in einem Statement an seine Teilnehmer*innen und bat um deren Verständnis. Rund 12.000 Laufbegeisterte wären entweder im Marathon, im Halbmarathon oder im 10km-Lauf angemeldet gewesen.
Fünf Wochen nach dem WACHAUmarathon und fünf Wochen vor dem San Sebastian Marathon fiel eine der größten Laufveranstaltungen Großbritanniens dem Wind zum Opfer. Der Great South Run in Portsmouth an der Südküste Englands wurde aufgrund schwerer Regenfälle und Wind mit Spitzen von bis zu 60 km/h abgesagt. Auch in diesem Fall erfolgte die Absage rund 24 Stunden vor dem geplanten Startschuss, rund 23.000 für dieses traditionsreiche Zehn-Meilen-Rennen angemeldete Läufer*innen konnten nicht mitmachen.
Der Veranstalter berief sich darauf, mit der Veranstaltungsinfrastruktur die Sicherheit aller Beteiligten, also nicht nur der Läufer*innen, sondern vorwiegend der Mitarbeiter*innen nicht garantieren zu können – und diese habe oberste Priorität. Das Verständnis war aber nicht universell groß. Etliche Teilnehmer*innen kritisierten die Entscheidung und monierten in sozialen Netzwerken, dass diese Wetterbedingungen an der Südküste Englands in dieser Jahreszeit nicht untypisch wären. Es gab auch keine offiziellen Wetterwarnungen, worauf etliche Social-Media-Nutzer*innen hinwiesen.
2023 sagte der Veranstalter den Twin Cities Marathon im US-Bundesstaat Minnesota, eine der größten Laufveranstaltungen in den USA, ab, weil das Wetter den heißesten Oktober-Tag in der Geschichte des Bundesstaats brachte. Wegen starkem Wind mit Spitzen von rund 100 km/h konnte der Den Haag Halbmarathon 2019 mit über 40.000 Teilnehmer*innen nicht stattfinden. 2016 musste der Malaga Marathon aufgrund sintflutartiger Regenfälle und stürmischen Winds w.o. geben. Die berühmteste Absage in den letzten Jahren, ausgenommen der Pandemie bedingten, war freilich jene des New York City Marathon 2012 infolge der Verwüstungen durch Hurricane Sandy wenige Tage zuvor.
Die von der Chronologie wohl dramatischste Absage der letzten Zeit betraf den Turin Marathon 2019. Als erste Läufer*innen bereits aufwärmten, gab der Veranstalter eine halbe Stunde vor dem geplanten Startschuss über die Moderation die Absage des Events bekannt. Die Verwaltung eines Vororts, durch den die Strecke führte, hatte aufgrund der über Nacht gestiegenen Pegel einiger Bäche, u.a. des Po, am Morgen die Gewährleistung der Sicherheit der Läufer*innen als nicht gegeben eingeschätzt, woraufhin die Stadtverwaltung der Metropole die Durchführung des Marathons untersagte. Der Veranstalter berief sich auf die Veranstaltungsregeln und argumentierte, aufgrund der offiziellen Absage durch die Stadtverwaltung die Nenngebühren nicht zurückzahlen zu müssen.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © Pixabay