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Die Athletics Integrity Unit (AIU), unabhängige Ermittlungskommission des Leichtathletik-Weltverbandes (World Athletics), hat Nazret Weldu wegen drei Verstößen gegen die Meldepflicht binnen weniger als zwölf Monate für ein Jahr und acht Monate gesperrt. Die Sperre beginnt rückwirkend am 17. Juni 2024 und erkennt alle seit 22. Mai 2024 erzielten Ergebnisse als ungültig an. Da der Vienna City Marathon am 21. April vor dem dritten nicht zustande gekommenen Dopingtest stattfand, gilt das Ergebnis als unbescholten.
Alle Spitzensportler*innen sind, um den Kampf gegen Doping im Sport eine gewisse Wirksamkeit zu erleichtern, verpflichtet, gegenüber der Welt Anti Doping Agentur (WADA) vorausschauend ihre Aufenthaltsorte bekannt zu geben und jeweils eine frei wählbare Stunde lang pro Tag für unangekündigte Dopingkontrollen dort auffindbar zu sein. Diese Verpflichtung ist in Reise- und Trainingsstress oft herausfordernd, besonders wenn kurzfristige Änderungen und Anpassungen vorgenommen werden müssen, gibt jedoch den Anti-Doping-Behörden die Möglichkeit, gezielte Testpläne durchzuführen. Die drohenden Konsequenzen werden erst schlagend, wenn eine Athlet*innen dreimal im Zeitraum von zwölf Monaten nicht am eingetragenen Ort zum angebotenen Zeitpunkt für eine Dopingkontrolle verfügbar ist.
Die Konsequenz betrifft ein Vergehen gegen die Regeln der Welt Anti Doping Agentur, beschreibt aber keinen konkreten Dopingverdacht, weswegen die Sperre weit geringer ausfällt als bei einem Dopingvergehen. Dass diese so genannten „Whereabouts Failures“ durchaus wirksam sein können, zeigt die Tatsache, dass Weldus Sperre kein Einzelfall ist. Alleine in diesem Jahr wurden die Marathonläufer*innen Reuben Kipyego, Kennedy Kiprop, Caroline Kipkirui aus Kenia und Mehdi Frère aus Frankreich sowie der spanische Mittelstreckenstar Mohamed Katir wegen Verstößen gegen das Meldesystem sanktioniert.
Nazret Weldu ist die Marathonrekordhalterin aus Eritrea. Mit den Rängen vier (2022) und acht (2023) bei den Weltmeisterschaften sowie Platz sechs beim Boston Marathon 2023 und dem Sieg beim VCM 2024 ist die 34-Jährige eine der Topläuferinnen der Marathonszene. Die Olympischen Spiele 2024 verpasste sie aufgrund der im Juni ausgesprochenen, provisorischen Sperre.
Die AIU gab bekannt, dass Weldu im Zeitraum zwischen 9. November 2023 und 22. Mai 2024 dreimal für Kontrolleure nicht antreffbar war. Im ersten Fall wollten die Kontrolleure den Dopingtest im Trainingszentrum in Asmara in Eritrea durchführen. Weldu lebt und trainiert in der auf 2.300 Metern über dem Meeresspiegel liegenden Hauptstadt Eritreas. Am 8. Dezember 2023 war Weldu nicht wie angegeben in einem Hotel in einem Hotel in Dubai anzutreffen. Am 22. Mai hätten die Kontrolleure Weldu gerne neuerlich in Asmara getestet und bekamen die Auskunft, dass sie die Athletin in Addis Abeba befunden hätte.
Weldu argumentierte über ihren Ehemann und ihr Management, dass aufgrund des schwierigen und unverlässlichen Internetzugangs in ihrem Heimatland Eritrea das Eintragen kurzfristiger Änderungen eine große Herausforderung ist. Die Argumentation hat durchaus einen nachvollziehbaren Hintergrund, schließlich ist das von vielen Konflikten und autoritärer Führung gebeutelte Land im Osten Afrikas eines der globalen Schlusslichter in puncto Digitalität. Trotz einer deutlichen Steigerung in den letzten Jahren nutzt laut der Plattform „DataRepotal“, hinter dem das in Singapur ansässige Unternehmen Kepios steht, nur gut ein Viertel der eritreischen Bevölkerung Zugang zu Internet, lediglich 13.800 Menschen nutzen in Eritrea soziale Medien, immerhin gut eineinhalb Millionen Menschen nutzen ein Mobiltelefon mit theoretischem Internetzugang – ein Stadt-Land-Gefälle ist logisch. Dass in Eritrea Medien staatlich kontrolliert und zensiert werden, mag ein Grund für die niedrigen Zahlen sein.
Die AIU berücksichtigte diese Tatsache in der Urteilsfindung und reduzierte die Sperre um vier Monate gegenüber dem üblichen Strafmaß von zwei Jahren. Über dies hält die AIU in ihrem Protokoll fest, dass Weldu die wochenlange Frist für detaillierte Erklärungen für ihr Nicht-Antreffen jeweils verstreichen ließ. Sie argumentierte, dass ihre fehlenden Englisch-Kenntnisse und schlechte Schulbildung eine Hürde für die Kommunikation wären, weshalb ihr Management die Einträge ins System erledigt. Diese Nachlässigkeiten mögen ihr nun zum Verhängnis geworden sein, allerdings fällt die Meldepflicht in die Verantwortung der Spitzensportler*innen. Die AIU betonte aber eine begrenzte Schuld beim dritten Vergehen, als Weldu in einer Nachricht die Änderung des Aufenthaltsorts verlangt hatte.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © VCM / Jenia Symonds