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Der US-amerikanische Marathonrekord liegt seit 23 Jahren schier unverrückbar bei einer Zeit von 2:05:38 Stunden. Gelaufen von Khalid Khannouchi, ein gebürtiger Marokkaner, der im Jahr 2000 die US-Bürgerschaft erhielt, beim London Marathon. Damals Weltrekord. Der Boston Marathon kommt nicht für Rekorde in Frage, die Punkt-zu-Punkt-Strecke von Hopkington hinein in die Großstadt erfüllt nicht die notwendigen Kriterien für die Anerkennung von Rekorden. Auch nicht wegen des Gefälles. Aufgrund der selektiven Strecke mit knackigen Anstiegen in der hügeligen Mittelpassage des Rennens kommt die Strecke des Boston Marathon üblicherweise ohnehin nicht in Frage für Rekordzeiten. Aber alle paar Jahre sind die Bedingungen auch beim wichtigsten Frühjahrsmarathon der USA gut genug für schnelle Zeiten und in diesem Jahr harmonierte diese Ausgangsposition mit einem US-Boy in Topform. Conner Mantz blieb nur zehn Sekunden hinter der Wunderzeit von Ryan Hall damals. Und der strahlende Sieger John Korir glänzte nur 23 Sekunden davor mit der zweitschnellsten Siegerzeit der Geschichte hinter dem Rückenwindrennen von 2011.
Es gab tatsächlich auch mediale Gedankengänge, die im Vorfeld des gestrigen Boston Marathon mit dem ersten US-amerikanischen Sieg seit dem denkwürdigen Alleingang von Meb Keflezighi im Jahr 2014 kokettierten. Conner Mantz glänzte im bisherigen Kalenderjahr 2025 mit einem US-Rekord im Halbmarathon in Houston (59:17) und einer noch um zwei Sekunden schnelleren Halbmarathonzeit auf der nicht rekordtauglichen Strecke des New York City Halbmarathon, die allerdings nicht als schnell gilt. Der Olympia-Achte von Paris ging mit einer Bestleistung von 2:07:47 Stunden ins Rennen, nach den beiden Meisterschaftsrennen im vergangenen Jahr (Trials und Olympische Spiele) war diese jedoch veraltet.
Als bekennender Mormone hält Mantz aus religiösen den Sonntag strikt trainingsfrei, wie die US-Plattform „Runner’s World“ berichtete. Im Gegensatz zu den meisten anderen Spitzenläufern bringt er seinen Trainingsumfang also in kürzerer Zeit unter und macht einen wöchentlichen Ruhetag. Er hält das für erfrischend, auf physischer wie auf psychischer Ebene.
In Boston bewies er im Wettkampf, dass er im Marathon mit der internationalen Spitze mithalten kann. Nach 2:05:08 Stunden hatte er die legendären 42,195 Kilometer hinter sich gebracht, zehn Sekunden war Hall damals, 2011, angefacht von einem ordentlichen Rückendwind schneller. Beide Zeiten können nicht als US-Rekorde gelten, sie sind inoffizielle statistische Einträge. Den Sieg verpasste der 28-Jährige zwar relativ klar, zu einer Stockerlplatzierung fehlte nur ein Hauch. Alphonce Felix Simbu und CyBrian Kotut hielten den besten Amerikaner des Tages erst beim Endspurt auf der Boylston Street entscheidend hinter sich. Nur deshalb zog Mantz am Ende ein „bittersüßes“ Fazit.
* nicht Bestenlisten taugliche Kurse
Es herrschten keine Rückenwind-Bedingungen wie beim Streckenrekord von Geoffrey Mutai (2:03:02) im Jahr 2011. Doch der oft bremsende Gegenwind fiel dieses Mal schwach aus und harmonierte mit perfekten Marathon-Temperaturen. Die Nummer eins der amerikanischen Marathonszene der Gegenwart gestaltete ein Rennen voller Selbstvertrauen.
In der oft vorsichtig absolvierten Bergabpassage auf den ersten Kilometern drückte er sofort auf das Gaspedal, die ersten fünf Kilometer waren nach nur 14:20 Minuten absolviert. Später sollte der Schützling von Trainer Ed Eyestone gegenüber „Let’sRun.com“ sagen, dass er überrascht war, wie viele Läufer seine Tempogestaltung mitaufnahmen und bei der Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:01:53 Stunden noch gemeinsam an der Spitze liefen. Es waren 16.
Nun ging es in die berüchtigte Hügelpassage mit dem Heartbreak Hill als krönendes Finale des Mittelteil-Spektakels. Und es folgte der große Moment von John Korir. Der überlegene Sieger des Chicago Marathon 2024 attackierte und setzte sich mit einer brillanten Beschleunigung vom Rest des Elitefelds ab, das zu diesem Zeitpunkt noch 13 Läufer umfasste. Der 28-Jährige, der kurz nach dem Start zu Sturz gekommen war, lief nun die schnellsten Kilometersplits seit der Anfangsphase. Bei Kilometer 40 lag Korir eine Minute vor den Verfolgern, bis zum Ziel verkürzte sich der Abstand noch um den Großteil – auf 19 Sekunden, womit der Abstand zwischen den Positionen eins und zwei bei Männern und Frauen auf die Sekunde genau gleich groß war.
Der nun zweifache Sieger von World Marathon Majors vollendete in der zweitschnellsten Siegerzeit der Veranstaltungsgeschichte von 2:04:45 Stunden ein besonderes Werk. 13 Jahre nach dem Triumph seines Bruders Wesley lief auch er als Erster über die Ziellinie des Boston Marathon, nie zuvor hat ein Brüderpaar den ältesten jährlich durchgeführten Marathon der Welt gewonnen. „Ich wollte unbedingt gewinnen und habe das meinem Bruder versprochen“, sagte er nachher im Ziel. John ist also in die prominenten Fußstapfen seines älteren Bruders gestiegen, aber in der Qualität der Erfolge hat er ihn mit dem Erfolg gestern deutlich hinter sich gelassen.
Hinter dem Sieger kämpften vier Läufer um die weiteren Plätze: Alphone Felix Simbu, CyBrian Kotut, Muktar Edris und Conner Mantz. Der 33-jährige Simbu, der schon Olympia-Fünfter und -Siebter sowie WM-Bronzemedaillengewinner war, beendete den zweitschnellsten Marathon seiner Karriere. Von 24 Marathons hat er „nur“ einen gewonnen, 2021 in Abu Dhabi, aber regelmäßig beendete er auch große Marathons mit Präsenz auf dem Siegerfoto der besten Drei. Kotut, der bereits Marathonsiege in Paris, Hamburg und Amsterdam nachweisen kann, war beim Berlin Marathon 2024 in 2:03:22 Stunden Zweiter.
Der 32-jährige Kenianer erzielte dieselbe Zeit wie Simbu: 2:05:04 Stunden. Einer der „Sieger“ war auch Muktar Edris, zweifacher Weltmeister im 5.000m-Lauf. Er finishte seinen ersten Marathon in einer Zeit von 2:05:59 Stunden als Fünfter. Erst auf den letzten Kilometern musste der 31-Jährige etwas nachlassen und verlor im Kampf um Platz zwei eine knappe Minute. Edris war dennoch der schnellste Äthiopier des Tages. Denn Vorjahressieger Sisay Lemma, der sich in der Anfangsphase noch vorne gezeigt hatte, stieg noch vor Kilometer 30 aus. Der dritte große Name im Feld, Evans Chebet, hielt auch nach der Attacke von Korir noch einigermaßen gut im Rennen, erreichte die Ziellinie jedoch nicht.
Aus nordamerikanischer Sicht glänzte im übrigen nicht nur Conner Mantz, auch wenn er der mit Abstand stärkste war. Sein Trainingspartner Clayton Young blieb als Siebter in 2:07:04 Stunden knapp eine Minute unter seiner persönlichen Bestleistung. Genauso wie Rory Linkletter, der zwei Sekunden vor Young im Ziel war. Nur einmal war ein kanadischer Marathonläufer schneller: Cameron Levins bei seinem nordamerikanischen Kontinentalrekord 2023 in Tokio (2:05:36).
Und dann sticht noch die Top-Ten-Platzierung von Ryan Ford ins Auge: Sein elfter Platz beim New York City Marathon 2024 war schon stark, in Boston blieb er in 2:08:00 Stunden im Dunstkreis des WM-Vierten und Olympia-Siebten Tebello Ramakongoana sowie des talentierten Kenianers Daniel Mateiko. Zwei flotte Halbmarathons in Houston und bei den US-Meisterschaften in Atlanta hatten die gute Form des 27-Jährigen angekündigt.
Nicht so prickelnd lief es für den Deutschen Johannes Motschmann, der nach 2:22:36 Stunden auf Platz 60 ins Ziel kam. Die Vorbereitung absolvierte der 30-Jährige, der früher mehrere Jahre als Student in den USA verbracht hatte, in Flagstaff in Arizona.
Rund 32.000 Läufer*innen mit 129 unterschiedlichen Nationalitäten haben sich für die 129. Auflage des Boston Marathon angemeldet. Für die Teilnahme beim ältesten jährlich durchgeführten Marathon der Welt muss man sich in seiner Altersklasse qualifizieren. 28.312 Finisher*innen wurden registriert, davon 43% Läuferinnen.
Autor: Thomas Kofler
Bild: Guido Coppa / Unsplash