Von Saisonbeginn war Andreas Vojta (team2012.at) bewusst, dass sein Kampf um eine Olympia-Teilnahme im 5.000m-Lauf von Tokio angesichts des für ihn zu angesetzten Limits von 13:13,50 Minuten ein schmaler Grat werden würde. Die Weltrangliste, über die Vojta den Weg nach Japan suchen musste, ist ein teuflisches Instrument: kompliziert, schwer einschätzbar und unklar, was am Ende des Qualifikationszeitraum, der nun errreicht ist, die Punktezahl jener, die zittern, wert ist. Aber irgendwie auch faszinierend und ein neuer Spannungsmoment in vielen kleinen und großen Meetings und ein Spannungsbogen über die gesamte Saison, der bisher nicht da war. Für 5.000m-Läufer sicher erträglicher als für Marathonläufer. Und, das ist auch im Falle Vojtas zu erkennen: Die Regel animiert zu Wettkampfstarts und smarter Saisonplanung.
Improvisationsreise in die Schweiz
Flexibilität ist das richtige Stichwort für den Österreicher. Nachdem sein indentiert finaler Versuch auf eine Verbesserung im Ranking am vergangenen Wochenende bei den Balkanmeisterschaften missglückte (siehe RunAustria-Bericht), setzte er sich nur einen Tag nach der Rückreise aus Belgrad nach Wien ins Auto und fuhr nach Luzern, um die kürzlich realisierte Chance eines Startplatz beim traditionellen Meeting Spitzenleichtathletik wahrzunehmen. Eine optimale Vorbereitung auf einen wichtigen Wettkampf sieht gänzlich anders aus. Und frische Beine fehlten nach seinem Rennen am Samstag bei 30°C. und der unterdurchschnittlichen Erholungsmethode stundenlange Autofahrt auch. Umso höher anzurechnen ist dem Österreicher seine Leistung: Platz acht in einem starken, aber nicht homogenen Feld in einer Zeit von 13:32,17 Minuten. Seine drittbeste Leistung im 5.000m-Lauf bisher. Dennoch fühlte der 32-Jährige, dass mehr drin gewesen wäre: „Mit der Zeit bin ich nicht ganz zufrieden, aber ich war nach der hektischen Vorgeschichte sicher nicht der Frischeste. Die letzten eineinhalb Kilometer waren sehr schwierig und ich habe ein wenig Zeit liegen lassen“, wird er auf der Website des ÖLV zitiert.
Der feine Unterschied der Bonuspunkte
Auf den siebtplatzierten Matthew Ramsden hatte Vojta neun Sekunden Rückstand, aber Platz acht vor Dominic Lobalu aus dem Olympischen Flüchtlingsteam war dennoch wichtig. Er brachte nämlich 25 Bonuspunkte (gegenüber 0 für Rang neun) aufgrund des Niveaus des Meetings (World Athletics Continental Tour Silber) und damit übertraf diese Leistung jene aus Nizza, wo er über dreieinhalb Sekunden schneller gelaufen ist, um 13 Punkte. Eine Kleinigkeit, aber die Hoffnung besteht, dass es eine entscheidende Nuance ist. „Jetzt heißt es abwarten. Ich hoffe, ich habe das Glück des Tüchtigen“, macht sich der Österreicher Mut. Ob sich die Odysee zwischen Balkan und Alpentransit gelohnt hat? Nun ja, den Rückfall um drei Positionen gegenüber der Vorwoche konnte die Verbesserung von vier Punkten im Schnitt nicht verhindern, aber dadurch hat er Patrick Dever überholt, der drittstärkste Brite im Qualifikationszeitraum.
Die aktuellen, nackten Zahlen lauten: Rang 22 in der Europarangliste, Rang 74 in der Weltrangliste – das ist sukzessive besser als noch vor einigen Wochen. Was aber wichtiger ist, ist die Position, wenn in der Weltrangliste maximal drei Athleten pro Land berücksichtigt werden: Und da ist Vojta aktuell 48., 42 Startplätze sind bei den Olympischen Spielen vorgesehen.
Es wird eng
Die Einschätzung ist komplex: 29 Athleten aus 14 Nationen haben seit 2019 das Olympia-Limit unterboten (der Qualifikationszeitraum war zwischen Pandemiebeginn und 1. Dezember 2020 ausgesetzt). Unter Berücksichtigung von maximal drei Startmöglichkeiten pro Nation. Heißt, 13 Startplätze werden über die Weltrangliste vergeben. Dort liegen aber, wieder unter Berücksichtigung, insgesamt maximal drei Athleten pro Nation zu listen, 21 Athleten besser gelistet als Vojta. Die Fragezeichen: Bekommen die beiden Russen eine Starterlaubnis (die Sportnation Russland ist ja aktuell suspendiert, Athleten dürfen nur mit Sondererlaubnis von World Athletics starten)? Und wer wird nicht nominiert oder fällt verletzungsbedingt oder aus anderen Gründen aus, wo kein anderer Athlet aus derselben Nation vor Vojta nachrücken kann? Es wird eng, wohl am ehesten für eine Nachnominierung, eine finale Direktnominierung scheint unerreichbar.
Limit am letzten Abdruck für zukünftigen Topstar
Besser als Weltranglistenbewegungen abschätzen lässt sich das Endresultat in Luzern und das schrieb eine eigene Geschichte. Denn der erwartete Sieger Jacob Kiplimo, Halbmarathon-Weltmeister 2020, war auf einer speziellen Mission: Einer der Topfavoriten in Tokio hatte das Olympia-Limit noch gar nicht in der Tasche, aus dem schlichten Grund, im Qualifikationszeitraum keinen einzigen 5.000er gerannt zu sein. Er wartete auf den allerletzten Tag und qualifizierte sich bei nass-kühlen Bedingungen mit einem Meetingrekord von 12:55,60 Minuten. Er siegte knapp vor dem Kenianer Daniel Simiyu, der mit einer persönlichen Bestleistung von 12:55,88 Minuten glänzte, und dessen distanzierten Landsmann Boniface Kibiwott.
Bemerkenswert war die leichte Bestleistung des viertplatzierten Norwegers Narbe Gilje Nordas (13:16,67), der seinen Olympia-Startplatz über die Weltrangliste sicher hat. Der 22-Jährige kann ins Team Ingebrigtsen drängen, da Henrik die Saison aufgrund einer Operation bereits beendet hat, und rückverwandelt es in ein Team Norwegen. Ebenfalls über die Weltrangliste in Tokio dabei sein dürfte Mohamed Mohumed aus Deutschland dank einer neuen persönlichen Bestleistung von 13:17,04 Minuten, mit 1.188 Punkten seine beste für die Weltrangliste im Qualifikationszeitraum.
Abgesehen von Kiplimo nur deutschsprachige Sieger
Beim Meeting Spitzenleichtathletik in Luzern, eines der wichtigsten der Silber-Meetings der World Athletics Continental Tour, fanden drei weitere Laufentscheidungen statt. Im 800m-Lauf feierte Christina Hering in einer Zeit von 2:00,04 einen tollen und prestigeträchtigen Erfolg vor der Schweizerin Lore Hoffmann und Katharina Trost – alle drei sind für Tokio qualifiziert.
Das Meeting in der Zentralschweiz war überhaupt ein sehr erfolgreiches für die deutschen Teilnehmer. Nicht nur in den technischen Disziplinen, sondern auch im Lauf. Robert Farken lief im 1.500m-Lauf in einer Zeit von 3:36,80 Minuten einen neuen Meetingrekord als klarer Sieger vor dem Luxemburger Charles Grethen und dem Schweden Johan Rogestedt. Einen Heimsieg in den Laufbewerben gab es auch: Chiara Scherrer freute sich im 3.000m-Hindernislauf mit einer Zeit von 9:40,71 Minuten über eine neue persönliche Bestleistung. Die Steigerung der 24-Jährigen betrug vier Sekunden.
Ergebnisse Spitzenleichtathletik Luzern
5.000m-Lauf der Männer
- Jacob Kiplimo (UGA) 12:55,60 Minuten *
- Daniel Simiyu (KEN) 12:55,88 Minuten **
- Boniface Kibiwott (KEN) 13:06,26 Minuten
- Narbe Gilije Nordas (NOR) 13:16,67 Minuten **
- Mohamed Mohamed (GER) 13:17,04 Minuten **
- Tsegay Kidanu (ETH) 13:18,78 Minuten
- Matthew Ramsden (UAS) 13:23,05 Minuten
- Andreas Vojta (AUT) 13:21,17 Minuten
…
14. Julien Wanders (SUI) 13:57,61 Minuten
1.500m-Lauf der Männer
- Robert Farken (GER) 3:36,80 Minuten *
- Charles Grethen (LUX) 3:38,62 Minuten
- Johan Rogestedt (SWE) 3:38,72 Minuten
- Rohre Hunter (AUS) 3:38,90 Minuten
- Hamish Carson (NZL) 3:39,81 Minuten
- Marc Tortell (GER) 3:40,39 Minuten
800m-Lauf der Frauen
- Christina Hering (GER) 2:00,04 Minuten
- Lore Hoffmann (SUI) 2:00,38 Minuten
- Katharina Trost (GER) 2:00,92 Minuten
- Lovisa Lindh (SWE) 2:01,39 Minuten
- Louise Shanahan (IRE) 2:03,05 Minuten
- Gabriela Gajanova (SVK) 2:03,36 Minuten
- Délia Sclabas (SUI) 2:04,02 Minuten
3.000m-Hindernislauf der Frauen
- Chiara Scherrer (SUI) 9:40,30 Minuten **
- Eilish Flanagan (IRE) 9:42,71 Minuten
- Sanaa Schretzmair (GER) 9:54,80 Minuten
…
DNF Fabienne Schlumpf (SUI)
* neuer Meetingrekord
** neue persönliche Bestleistung
Spitzenleichtathletik Luzern