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41,4 Kilometer lang lief alles normal bei der 39. Auflage des PZU Warschau Marathon, doch dann passierte das Unheil. Die zu diesem Zeitpunkt überlegen führende Kenianerin Recho Kosgei brach plötzlich völlig erschöpft zusammen und konnte eigenständig trotz mehrfacher Versuche nicht…
Der Aufschrei wegen unterlassener Hilfeleistung ist laut. Denn der Veranstalter ist seiner Pflicht, für die Sicherheit seiner Teilnehmer zu sorgen, nicht entschlossen genug nachgekommen. Tatsächlich wird aus dem Video ersichtlich, dass das Führungsfahrzeug einige wenige Meter weiter stehen geblieben ist, keiner der Funktionäre aber eingriff. Auch Rettungskräfte benötigten minutenlang, bis sie aktiv wurden und Kosgei schlussendlich aufhalfen und gestützt in den Zielbereich begleiteten. Andere Läufer waren zu diesem Zeitpunkt nur vereinzelt auf dieser Streckenpassage. Einer blieb kurz stehen und schien sich mit Kosgei zu unterhalten, machte sich aber sofort vom Acker, als der erste Funktionär endlich in Sichtweite trat.
Nun hat sich auch der kenianische Leichtathletik-Verband (Athletics Kenya) zu Wort gemeldet. Man wird ein Protestschreiben an die Veranstalter des Warschau Marathon schicken, um auf die Verweigerung schneller Hilfe hinzuweisen. „Wir möchten Antworten vom Veranstalter, warum so nahe am Ziel kein medizinisches Personal einsatzbereit war und warum auch sonst keiner zu Hilfe geeilt ist. Es war offensichtlich, dass die Läuferin versucht hat, die Hände zu heben, um Hilfe zu rufen. Es ist schockierend, wie lange es gedauert hat, bis Hilfe eingetroffen ist“, wird Paul Mutwii, Vize-Präsident des kenianischen Leichtathletik-Verbandes in kenianischen Medien zitiert. Moses Tanui, zweifacher Sieger des Boston Marathon und Chef der Läufer-Kommission im kenianischen Verband, forderte den Leichtathletik-Verband (IAAF) auf, Untersuchen aufzunehmen, um Verfehlungen des Veranstalters zu ermitteln.
Recho Kosgei ist mittlerweile wieder zurück in ihrer Heimat. In einem Interview mit dem kenianischen TV-Sender NTV zeigte sie sich leicht dramatisiert, aber weider wohlauf. Die Vorwürfe an den Veranstalter des Warschau Marathon sind aber immens: Zwischen Kilometer 30 und Kilometer 40 habe sie drei Verpflegungsstationen verpasst. Dies hätte zur dramatischen Dehydrierung und Unterzuckerung geführt. „Obwohl ich nicht mehr aufstehen konnte, hat es rund 15 Minuten gedauert, bis endlich Hilfe kam“, rekapitulierte sie entsetzt.
Jaroslaw Zakrewski, Pressesprecher der Veranstaltung, wehrte sich in der Öffentlichkeit gegen den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung: „Laut IAAF-Regeln wäre ein Eingreifen unsererseits gleichbedeutend mit einer Disqualifikation gewesen und der gesamte Aufwand wäre umsonst gewesen.“ Daher habe man kurz abgewartet, bis man eingegriffen hätte. „Die Rettung wurde sofort gerufen, aber bis die Athletin kein klares Signal abgegeben hat, dass sie das Rennen aufgeben möchte, hat das Organisationsteam nicht eingegriffen“, hieß es in dem im kenianischen Online-Medium „Daily Nation“ publizierten Statement weiter. Dass eine Läuferin, der über die Ziellinie geholfen wird, disqualifiziert wird, stimmt regeltechnisch natürlich. Allerdings schien diese Situation so dramatisch, dass eine reguläre Zielankunft der Läuferin nicht mehr zur Debatte stand und unmittelbare Hilfeleistung als einzige Option blieb.
Verwirrend ist jedoch ein Posting vom Management der Agentur Volare Sports, zu der Kosgei angehört, auf deren Facebook-Seite. Dort wird ein gänzlich anderes Bild von den dramatischen Ereignissen gezeichnet und die Kenianierin zitiert, als hätte sie jederzeit unbedingt das Rennen beenden wollen. Mitunter ist zu lesen: „Wir waren stets mit der Organisation in Kontakt, die sich in bestmöglicher Art und Weise um Recho gekümmert hat.“
Was aus beiden Statements nicht hervorgeht, ist die minutenlange Verzögerung, die in ihrer vollen Gänze auch aus dem Video nicht hervorgeht. Außerdem schien nach einem kurzen Erfassen der Lage nach wenigen Sekunden eindeutig, dass es Kosgei dermaßen schlecht ging, dass sofortige unterstützende Maßnahmen einzuleiten gewesen wären. Diese schreibt übrigens auch das Regelwerk vor. Der Veranstalter muss die Rahmenbedingungen für die sofortige Hilfeleistung im Bedarfsfall gewährleisten. Das war in dieser erschreckenden Situation definitiv nicht der Fall!