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Baustein für ein gesundes Leben

Regelmäßiges Laufen wirkt sich positiv auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit aus. Ein entsprechendes Gesundheitsbewusstsein ist aber notwendig. Der Kardiologe Josef Niebauer spricht im RunUp-Interview über vermeidbare Fehler und findet große Mängel in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

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Regelmäßiges Laufen wirkt sich positiv auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit aus. Ein entsprechendes Gesundheitsbewusstsein ist aber notwendig. Der Kardiologe Josef Niebauer spricht im RunUp-Interview über vermeidbare Fehler und findet große Mängel in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

RunUp: Die positiven Auswirkungen des Laufsports sind längst im Allgemeinwissen verankert. Welche drei Parameter erachten Sie aus kardiologischer Sicht als die bedeutendsten?

Prof. Josef Niebauer: Für die Prognose unserer Lebenserwartung und ein gesundes Leben ist die Leistungsfähigkeit entscheidend. Für das Herz-Kreislauf-System ist der gesteigerte Blutfluss sehr förderlich, der aus der höheren Herzfrequenz und dem höheren Blutdruck unter Belastung resultiert. Das Dritte ist die Lebensfreude, den man bekommt, wenn man im Freien läuft.

Welche Wirkungen sind im Laufe eines Lebens entscheidend?

Der erhöhte Blutfluss durch die Herzkranzgefäße ist sicherlich entscheidend, was das Laufen betrifft – und natürlich auch durch alle anderen Gefäße im Körper. Dadurch wird die Elastizität der Gefäße erhalten, sie bleiben geschmeidig. Es wird unwahrscheinlicher, dass sich Cholesterin in die Gefäßwände einnistet oder Gefäße verkalken. Als Läufer hat man in der Regel ein normales Körpergewicht und ist Nichtraucher. Das sind gute Bausteine für ein langes und gesundes Leben.

Früher waren die positiven Aspekte des regelmäßigen Laufens überragend. Heute liest man auch kritische Artikel, besonders bei Laufsport im hohen Alter. Was weiß man heute, was man vor einigen Jahren noch nicht wusste?

Laufen ist heute wie früher auch im höheren Alter gesund., da ist nichts nennenswertes Negatives dazugekommen. Es ist eine gewisse Sensibilisierung bezüglich gesundheitlicher Aspekte da. Man darf allerdings den Fokus nicht falsch setzen: Laufen ist gut. Laufen ist gesund. Das sollten wir uns ganz klar merken!

Aber, wo gehobelt wird, fallen Späne. Auch das Laufen hat Nebenwirkungen. Sport demaskiert oft Gesundheitsprobleme, die man bis dato noch nicht bemerkt hat. Es ist nicht so, dass Laufen diese Erkrankungen verursacht. Sondern sie sind schon da und treten aufgrund der hohen Beanspruchung hervor.

Neu ist sicherlich die Vielfalt der Erkrankungen, die wir mittlerweile identifizieren können und die durch Extrembelastungen ausgelöst werden. Die Idee hinter der kritischeren Herangehensweise ist, dass man sich etwa vor einem Marathon untersuchen lässt, um auf der sicheren Seite zu sein. Bevor Sie eine lange Reise mit dem Auto antreten, lassen Sie es ja auch genau inspizieren.

Gibt es Momente oder Zeitspannen, in denen das Herz-Kreislauf-System regelmäßig trainierender Menschen aufgrund physischer Belastung anfällig ist?

Dinge, die wir nicht trainiert haben und trotzdem abrufen wollen, bringen uns Probleme. Da müssen wir an die Reserven ran. Genau da betreten wir unbekanntes Terrain. Je älter ich bin oder wenn ich angeborene Erkrankungen habe, desto wahrscheinlicher ist es, dass es jetzt zu einem Problem kommt.

Wenn man für einen Marathon nicht entsprechend trainiert hat, muss man plötzlich Dinge vollbringen, die man vorher nie vollbracht hat. Diese Situation sollte man meiden und kann man meiden. Möchte ich einen Marathon laufen, muss ich akzeptieren, dass ich dafür auch entsprechend trainieren muss und die Gesundheit muss auch passen.

Wie lautet ihr ärztlicher Rat für Trainingsübungen oder -einheiten, die insbesondere der gezielten Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems dienen?

Mit Intervallen oder Bergauf-Läufen im Sinne von Intervallen schafft man es, an die eigenen Grenzen zu gehen und Reize zu setzen. Indem man die Intervalle immer länger macht, wird es immer stressiger für das Herz-Kreislauf-System. Das ist ein guter Test für den allgemeinen Zustand.

Kann man den Umfang an Bewegung definieren, um als Hobbyläufer einzig das Ziel eines bestmöglich in Schuss gehaltenen Herz-Kreislauf-Systems anzustreben?

Fünf bis sechs Stunden Laufen pro Woche. Bis dahin kann man nachweislich positive Effekte für die Gesundheit erzielen. Läuft man mehr, ist das nicht schädlich und man wird auch besser, der gesundheitliche Nutzen wird nicht größer.

Wo liegen die großen Unterschiede im Herz-Kreislauf-System eines Hobbyläufers im Vergleich zu jenem eines Profis?

Profis haben sich über Jahre hinweg alle möglichen Adaptionen im Körper angeeignet. Der Körper hat sich an diese Belastungen gewöhnt. Das Herz wird größer im Durchmesser, die Wände kräftiger und können daher besser kontrahieren. Diese Anpassungen sind die Folge jahrelanger, regelmäßig gesetzter Reize. Mit dieser besseren Pumpe kann der Profi bessere Leistungen erzielen als der Hobbyläufer.

Worauf muss man bei Kindern und Jugendlichen besonders Wert legen?

Man muss grundsätzlich die allgemeinen Regeln einhalten. Wenn Kinder ein zielorientiertes Training absolvieren, macht es Sinn zu überprüfen, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für diese Aufgabe gegeben sind. Es gibt genug angeborene Herzkrankheiten, an denen Kinder oder Jugendliche versterben. Bei einer sportmedizinischen Untersuchung kann man diese allerdings herauslesen, entsprechende Ratschläge geben und mit Korrekturen sicherstellen, dass dieser junge Sportler trotzdem ein Leben lang sicher sportlich aktiv sein kann.

In meinen Augen wird hier noch zu wenig auf die moderne Sportmedizin Wert gelegt, die nicht mehr dafür da ist, einen Sportler komplett rauszunehmen. Ihre Hauptaufgabe ist es, Schwächen zu identifizieren, damit man an diesen arbeiten kann, und wenn nötig Erkrankungen medikamentös zu behandeln oder durch kleine Operationen zu korrigieren.

Im vergangenen Jahr sind bei Laufveranstaltungen in Oberösterreich drei Menschen verstorben. Experten sprechen im Nachhinein oft von vermeidbaren Fällen. Wie schätzen Sie das generelle Risiko des Laufens für das Herz-Kreislauf-System ein und welche Fehler können passieren, die derartig fatale Folgen hervorrufen?

Je älter und je untrainierter eine Person ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert. Wie bereits erwähnt: Wenn ich Dinge abrufe, die ich nicht trainiert habe, gehe ich an die Reserven. Wann immer wir im Leben an unsere Reserven gehen, machen wir Fehler, denn unsere Schutzmechanismen brechen zusammen. Denken Sie daran, was Menschen in übermüdetem Zustand alles passieren kann.

Leider lautet bei vielen Todesfällen die nachträgliche Analyse: „Es war eigentlich klar, warum das passiert ist. Hätte man vermeiden können.“ Der London Marathon hat alle seine Todesfälle analysiert und ist zum Schluss gekommen, dass keiner vom heiteren Himmel fiel. Vorboten waren da, oft sind Leute sogar entgegen des ärztlichen Rates an den Start gegangen. Was kann man also tun, um so ein tragisches Ereignis zu verhindern? Erstens, sich sicher sein, dass man gesund ist. Zweitens, sich kennen und seine Risikofaktoren entsprechend seines Alters einschätzen. Drittens, eine gute Vorbereitung. Dann sollte nichts passieren.

Laut unseren Recherchen betrafen die meisten Todesfälle im Laufsport der letzten Jahre auf deutschsprachigem Gebiet junge Männer, vorwiegend auf kürzeren Distanzen als Marathon. Schätzen viele Läufer die Herausforderung eines Lauf­events falsch ein?

Davon gehe ich aus. Auch ein Halbmarathon ist anstrengend, wenn ich meine Grenzen überschreite. Schaut man sich weltweite Aufzeichnungen an, sind es aber nicht nur Junge, die bei Laufevents sterben. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit. Und die meisten Todesfälle passieren im Hobby-Bereich, nicht bei den gut untersuchten Leistungssportlern. In Deutschland gibt es ein Register, das plötzliche Herztode im Sport aufzeichnet. Es enthält 37 Fälle von Menschen unter 35 Jahren. 36 davon waren nie bei einer sportmedizinischen Untersuchung!

Welche Anzeichen und Symptome sollten die Alarmglocken schrillen lassen, dass ein Start gefährlich sein könnte?

Wenn ich merke, dass ich beim Sport unter Schwindel leide. Wenn ich Rhythmusstörungen bemerke. Wenn ich Druckbeschwerden im Brustkorb unter Belastung bekomme, die in den Arm oder in den Kieferbereich ausstrahlen. Wenn ich merke, dass ich mich von der Belastbarkeit besser eingeschätzt hätte, aber der Lauf heute war brutal anstrengend und sehr ermüdend. Das sind alles Dinge, die man sehr ernst nehmen muss. Laufen mit Infekten ist ein klares No-Go!

In letzter Zeit hat sich das Klientel im Laufsport verändert. Läuferinnen und Läufer mit anderen gesundheitlichen Voraussetzungen betreten die Laufbühne. Halten der Laufsport und die Gesundheitsratgeber mit dieser Entwicklung Schritt oder gilt es hier, Aufklärungsbotschaften verstärkt einzusetzen?

Insgesamt haben wir in unserer Gesellschaft ja das große Problem, dass sich zu wenige Menschen bewegen. Über die Hälfte der Bevölkerung erfüllt die WHO-Empfehlungen für Bewegung nicht. Insofern freut man sich ja über jeden, der den Laufschuh anzieht und möchte gar nicht zu warnend und zu blockierend im Wege stehen. Damit haben wir es häufig mit einem Klientel zu tun, das man früher eher als Zuschauer erwartet hätte als an der Startlinie.

Andererseits gehört es mittlerweile zum guten Ton, dass man einmal einen Marathon gelaufen ist. Da entsteht in gewissen Situationen ein gesellschaftlicher Druck, der in Überforderung mündet. Marathon oder Halbmarathon müssen Belastungen bleiben, für die ich über einen langen Zeitraum entsprechend trainiere. Warnen und abhalten würde ich nicht wollen. Aufklären, helfen und nach guten und realistischen Lösungen suchen, das ist für mich der Weg!

Provokativ: Findet nicht statt! Das passiert viel zu wenig. Im Nachhinein wundern sich immer alle, wenn jemand stirbt. Vermeidbare gesundheitliche Konsequenzen beim Sport durch übermäßige Beanspruchung werden nicht ernst genug genommen.

In Italien gibt es – wie auch in 16 anderen europäischen Ländern – Fachärzte für Sportmedizin, von denen man sich untersuchen lassen muss, um an einer Laufveranstaltung teilnehmen zu dürfen. Seither verzeichnet man in Italien weniger Todesfälle beim Sport als in der Gesellschaft, die keinen Sport betreibt. Da müssen auch wir hinkommen! Bei uns gibt es gerade einmal die allgemeine Gesundenuntersuchung für einen kleinen selektierten Bereich. Ein reduziertes Programm, das dem Sportler null bringt.

Uns als Gesellschaft würde ein gesundes Sporttreiben enorm viel bringen. Es gibt genügend Berechnungen, dass der sportlich Aktive am Ende Kosten reduzieren hilft. Das Geld, das man für eine Gesundenuntersuchung eines Sportlers, also für eine sportmedizinische Untersuchung ausgeben würde, ist sehr gut investiertes Geld. In Deutschland werden diese Leistungen immer öfter von den Krankenkassen refundiert. Hier in Österreich hinkt man weiter hinterher, auch ich stoße hier immer wieder auf taube Ohren. Man möchte dieses Fass einfach nicht aufmachen.

Autor: Thomas Kofler
Bilder: SIP

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