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Eines hat in den Annalen der Crosslauf-Europameisterschaften tatsächlich noch gefehlt: ein Sieger aus Frankreich, immerhin eine jener europäischen Nationen, die durchaus einen Hang zu Crosslauf zeigt. Yann Schrub hat dieses Manko aus Sicht der „Grande Nation“ am gestrigen Nachmittag in Brüssel aus dem Weg geschafft. In einer Zeit von 30:17 Minuten gewann der EM-Dritte im 10.000m-Lauf von München vor den Überraschungsmedaillengewinnern Magnus Tuv Myhre und Robin Hendrix die Goldmedaille und feierte den größten Erfolg seiner Karriere nach 9.000 harten Metern auf der am Ende des Tages teilweise brachial aufgeweichten und schlammigen Strecke. Besonders im Finale wählten viele verstärkt die Linie ganz außen neben den Streckenbegrenzungsbändern, um zumindest etwas Grip unter den Sohlen zu spüren.
„Es war eine unglaubliche Erfahrung. Ich hatte außergewöhnlich gute Beine heute, die Vorbereitung war ideal, der Fokus auf den Wettkampf stimmte“, jubelte der 27-jährige Sieger im Ziel. „Zwei Runden vor Schluss habe ich realisiert, dass ich dieses Rennen gewinnen könnte. Als ich dann alleine in Führung war, gab mir das einen Pusch. Heute Abend wird gefeiert – ohne Ende!“ Die Vorentscheidung in einem Rennen mit einer ausgeglichenen Spitzengruppe und einem langgezogenen Feld, das keine so große Lücken wie andere Entscheidungen des Tages aufwies, ereignete kurz vor Start der letzten Runde, als Schrub seine letztlich gewinnbringende Tempoverschärfung setzte. Davor hatten die Führenden öfters gewechselt, der Franzose war gemeinsam mit dem Briten Hugo Milner und dem norwegischen Silbermedaillengewinner eine Konstante darin.
Schrub als stärkster des zurecht mit vielen Vorschusslorbeeren ins Rennen gegangenen französischen Teams sollte am Ende nicht als Überraschungsmann die Goldmedaille entgegennehmen, schließlich war er im Sommer bereits bester Europäer bei den Weltmeisterschaften von Budapest im 10.000m-Lauf, jener Disziplin, die am ehesten eine Distanz-Vergleichbarkeit anbietet. In Abwesenheit des Dominators der letzten Jahre, Jakob Ingebrigtsen, und des Spaniers Mohamed Katir wollte kaum ein Athlet Verantwortung für das Rennen übernehmen, Schrub wurde auch dafür belohnt, dass er diese Initiative setzte.
Trotz des Fehlens von Jakob Ingebrigtsen wurde das Rennen zum norwegischen Erfolg. Der 23-jährige Magnus Tuv Myhre, ausgerechnet trainiert von Jakobs Vater Gjert, mit dem sich die Söhne zerstritten haben, stürmte zur überraschenden Silbermedaille, ebenfalls der größte Erfolg seiner noch jungen Karriere. Jakobs älterer Bruder Henrik lieferte als Zwölfter eine gute Leistung mit viel Routine ab und war Teil des norwegischen Teams, das die Bronzemedaille in der Nationenwertung gewann.

Das Rennen der Allgemeinen Klasse sollte auch die Spielwiese der Belgier, die von mehreren Tausend Zuschauern entlang der Strecke angefeuert wurden, werden – und sie wurde es, allerdings anders als gedacht. Isaac Kimeli, als zweifacher EM-Medaillengewinner das Aushängeschild dieser Veranstaltung, kam mit den Bedingungen genauso wenig zurecht wie der zweite als Favorit auserkorene Italiener Yemaneberhan Crippa, beide verpassten die besten Zehn. Aber Robin Hendrix und John Heymans sprangen für Kimeli in die Bresche. Hendrix, wie Myhre bisher ohne internationale Erfolge, sicherte sich überraschend die Bronzemedaille und bescherte dem Gastgeber damit eine Einzelmedaille. Mindestens genauso groß war die Freude, dass der ausrichtende Verband in der Nationenwertung vor den favorisierten Franzosen die Goldmedaille gewann.

In der Altersklasse U23 entwickelte sich ein abwechslungsreiches Rennen, welches die Teams aus Großbritannien und Frankreich bestimmten. Als die lange Zeit mitführenden Rory Leonard (Aufgabe), U23-Europameister im 10.000m-Lauf, und Flavien Szot (17.) zurückfielen, wurde das Rennen vor der entscheidenden Phase kurz eingebremst, weshalb sich die Spitzengruppe auffüllte und kurze Zeit sogar der Schweizer Jonathan Hofer, am Ende starker Achter, Führungsmeter sammelte. Dann holte sich Valentin Bresc die Initiative zurück, gemeinsam mit Will Barnicoat lief er auf die Zielgerade. Dort hatte der Brite, im Vorjahr noch Europameister in der Altersklasse U20, das bessere Ende für sich und siegte in einer Zeit von 23:42 Minuten mit einem knappen Vorsprung auf den zeitgleichen und zwei Jahre älteren Franzosen. „Vor einem Jahr haben mir viele gesagt, ich hatte Glück bei meinem Titel. Heute habe ich endgültig bewiesen, dass es kein Glück ist“, sagte der 20-jährige Sieger. „Die Strecke passte perfekt zu mir. Ich liebe Schlamm!“ Die dritte Medaille ging an Matthew Stonier aus Großbritannien, wenig überraschend war daher Großbritannien auch in der Nationenwertung unangefochten, mit Frankreich und Norwegen als Begleiter am Siegerfoto.

Den zweite hochspannenden Zieleinlauf des Tages produzierte das 5.000m lange Rennen der Burschen in der Altersklasse U20. Der erklärte Favorit Niels Laros hatte das gesamte Rennen lang in der Spitzengruppe gelegen, doch es war Axel Vang Christensen, der von der Startphase weg die Pace bestimmte. Erinnerungen an die Crosslauf-Europameisterschaften von Dublin 2021 wurden wach, als der Däne, damals im Alter von 17 Jahren, mit einem irren Frontrun zu einer fantastischen Goldmedaille stürmte. Dieses Mal verlief das Rennen aber anders, Laros kontrollierte den Dänen, hinter den beiden hielt sich der Ire Nicholas Griggs in der dreiköpfigen Spitzengruppe. Anfang der vierten und letzten Runde übernahm Laros wie geplant die Führung und erarbeitete sich einige Sekunden Vorsprung auf Christensen.
Doch der 19-Jährige, im Gegensatz zu Laros in seinem letzten U20-Jahr, gab nie auf und beschleunigte auch der Zielgerade merklich. Als offensichtlich wurde, dass der Holländer nicht mehr zulegen konnte, erkannte der Skandinavier seine Chance und überholte den Favoriten tatsächlich noch, um mit ausgestreckten Armen das Zielband als Sieger zu durchbrechen. Damit feierte Christensen in einer Zeit von 16:09 Minuten den zweiten EM-Titel in dieser Disziplin nach 2021, ein Erfolg, der für ihn vor allen Dingen Balsam für seine geschundene Seele bedeutete. Die letzten beiden Wettkampfjahre des Skandinaviers waren von Beschwerden und Pausen übersäht. „Genau auf dieses Ergebnis habe ich gehofft. Ich musste darauf zählen, dass Niels etwas müde wurde. Als ich das bemerkte, habe ich noch einmal alles in die Waagschale geworfen“, kommentierte Christensen.

Der überlegene U20-Europameister im 1.500m- und 5.000m-Lauf im vergangenen Sommer musste sich mit der Silbermedaille in 16:10 Minuten zufrieden geben und wird im kommenden Jahr bei den Titelkämpfen in Antalya einen neuerlichen Versuch unternehmen müssen, Crosslauf-Junioren-Europameister zu werden. Im vergangenen Jahr hatte Laros krankheitsbedingt bei diesen Titelkämpfen gefehlt. Die Bronzemedaille sicherte sich Nicholas Griggs, der dritte große anwesende Name der gegenwärtigen Junioren-Generation, zu der auch die abwesenden Jonathan Grahn aus Schweden und Kevin Kamenschak (ATSV Linz LA) gehören. Der junge Österreicher hat sich früh für den Verzicht auf die Cross-Saison entschieden, um bestens vorbereitet in die Hallensaison zu gehen, wo für ihn die Punktejagd hinsichtlich einer guten Weltranglistenposition im Qualifikationsprozess Richtung Europameisterschaften von Rom Priorität hat.
Allgemeine Klasse der Männer (9.000m)
Gold: Yann Schrub (Frankreich) 30:17 Minuten
Silber: Magnus Tuv Möhre (Norwegen) 30:20 Minuten
Bronze: Robin Hendrix (Belgien) 30:22 Minuten
Nationenwertung (drei beste Platzierungen summiert)
Gold: Belgien 20 Punkte
Silber: Frankreich 26 Punkte
Bronze: Norwegen 32 Punkte
U23 der Männer (7.000m)
Gold: Will Barnicoat (Großbritannien) 23:42 Minuten
Silber: Valentin Bresc (Frankreich) 23:42 Minuten
Bronze: Matthew Stonier (Großbritannien) 23:51 Minuten
Nationenwertung (drei beste Platzierungen summiert)
Gold: Großbritannien 25 Punkte
Silber: Frankreich 34 Punkte
Bronze: Norwegen 42 Punkte
U20 der Burschen (5.000m)
Gold: Axel Vang Christensen (Dänemark) 16:09 Minuten
Silber: Niels Laros (Niederlande) 16:10 Minuten
Bronze: Nicholas Griggs (Irland) 16:24 Minuten
Nationenwertung (drei beste Platzierungen summiert)
Gold: Irland 22 Punkte
Silber: Großbritannien 24 Punkte
Bronze: Spanien 51 Punkte