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Blick nach vorne

Österreichs Marathon-Co-Rekordhalterin Eva Wutti streift ein zähes Wettkampfjahr 2021 ohne Erfolgserlebnisse ab und fokussiert sich auf das, was sie bis 2020 stark gemacht hat. Im RunUp-Interview spricht sie über die Vorbereitung auf den Salzburg Marathon und über das Miteinander in ihrem Umfeld, das für die volle Leistungsfähigkeit essentiell ist.
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Österreichs Marathon-Co-Rekordhalterin Eva Wutti streift ein zähes Wettkampfjahr 2021 ohne Erfolgserlebnisse ab und fokussiert sich auf das, was sie bis 2020 stark gemacht hat. Im RunUp-Interview spricht sie über die Vorbereitung auf den Salzburg Marathon und über das Miteinander in ihrem Umfeld, das für die volle Leistungsfähigkeit essentiell ist.

RunUp: Die EM 2022 findet vor der „österreichischen Haustür“ statt. Ist das Ihr großes Saisonziel?

Eva Wutti: Das erste Ziel lautet, die Quali für München zu schaffen. Wenn ich dabei meine persönliche Bestzeit noch einmal verbessern könnte, wäre das der Idealverlauf meines Lauffrühlings.

2021 war Ihr bisher schwierigstes Jahr im Marathon. Wie haben Sie es verdaut?

Ich habe mir im Herbst eine längere Pause gegönnt. Kaum bin ich gut ins Training eingestiegen, hat Anfang Dezember auch mich das Coronavirus erwischt. Ich habe mir bewusst eine neuerlich längere Pause genommen. Ich wollte meinem Körper mit einem zu frühen Wiedereinstieg keinesfalls längerfristig einen Schaden zufügen, obwohl ich bei meinem positiven Test nicht wirklich krank war. Der Respekt vor Langzeitproblemen war zu groß, da wollte ich auf Nummer sicher gehen.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie gut in das Frühjahr hineingekommen sind?

Ja. Ich habe auch erst unlängst einen Leistungstest gemacht und der war zufriedenstellend. Seit Wochen kann ich alle Trainingsvorgaben eins zu eins umsetzen. Natürlich könnte das ein oder andere besser sein, aber besser geht ja bekanntlich immer. Ich hoffe, dass ich gesund weiter trainieren kann, dann wird die Form weiter ansteigen.

Wo sehen wir Sie wieder an einer Marathon-Startlinie?

Die Tendenz geht in Richtung eines Starts beim Salzburg Marathon. Aufgrund der Krankheitspause im Winter und des vorsichtigen Einstiegs erschien es mir vernünftig, erst im Mai einen Marathon anzuvisieren. Ich will tunlichst vermeiden, an der Startlinie zu stehen und zu denken: ,Zwei oder drei Wochen mehr Training hätten mir gut getan.’ Das Jahr 2021 war für mich dermaßen von Stress geprägt. Der vernünftige Trainingsaufbau kam die ganze Zeit zu kurz, weil wir ständig hinter irgendwelchen Marathon-Events hinterhergejagt sind. Dieses Mal will ich mir unbedingt die notwendige Zeit für eine gute Vorbereitung geben. Dass in Salzburg die Staatsmeisterschaften ausgetragen werden, ist ein Bonus für mich und verspricht auch ein tolles heimisches Starterfeld.

Ich könnte mir vorstellen, dass auch das hohe Olympia-Limit viel Stress ausgelöst hat, weil das im Training und Wettkampf zum Denken und Agieren am absoluten Limit gezwungen hat…

Das war bei mir nicht das Problem. Aufgrund des Marathons im Prater im Dezember 2020 habe ich zuversichtlich Richtung 2:29:30 Stunden geblickt. Das Problem war in erster Linie die Unsicherheit in der Trainingsplanung. Die Pause nach den Staatsmeisterschaften im Prater war viel zu kurz, der einzige Marathon-Event mit Startplatz, der bekannt war, war jener im März in Bern. Daraus wurde nichts und dann kam ich in einen Strudel aus Dauerstress, der sich bis in den Herbst hinein gerächt hat. Die Zeit, die ich mir nicht genommen habe, um die Grundfitness aufzubauen, habe ich als Hypothek durch die ganze Saison geschleppt und war folglich auch anfälliger für kleine Verletzungen und Krankheiten. Unter dem Strich stand im ganzen Jahr 2021 kein vernünftiges Training zu Buche.

Sie sind noch eine recht unerfahrene Marathonläuferin, was die Leichtathletik betrifft. Sind das Erfahrungen, die zur Weiterentwicklung gemeinsam mit Ihrem Umfeld dazugehören?

Natürlich. Gewisse Erfahrungen muss man im Spitzensport einfach sammeln. In meinen Ironman-Zeiten haben wir durchaus Überlegungen angestellt, zwei Triathlons innerhalb einer oder zwei Wochen zu machen. Die Marathon-Regeneration ­dauert einfach grundsätzlich um einiges länger, insbesondere auf diesem Leistungsniveau.

Sie sind vor einigen Jahren mit klaren Zielen in den Marathon umgestiegen und haben dadurch überzeugt, dass Sie diese Ziele bei Ihren ersten drei Marathons manchmal fast sekundengenau erfüllt haben. Was war damals das Ausschlaggebende, das Sie an den Marathon gefesselt und vom ­Triathlon losgelöst hat?

Marathon ist ein ganz anderes, intensives Sporterlebnis. Erstens ist es wesentlich anstrengender. Es macht definitiv Spaß, ans Limit zu gehen. Der innere Dialog mit mir selbst in herausfordernden Situationen des Marathons – das sind Momente, an die ich mich gerne zurückerinnere. Zweitens liebe ich das Laufen, das war auch im Triathlon immer schon so. Drittens ist der Alltag einfacher und flexibler zu gestalten. Ich fand das immer anstrengend, mit einem Fahrrad in der Weltgeschichte herumfliegen zu müssen. Der Tag ist deutlich strukturierter, wenn man auf einen Ironman hintrainiert. Vom Hallenbad auf das Fahrrad und dann noch laufen, das ist nicht familienfreundlich. Viertens finden Marathonläufe in schönen Städten statt. Ein Lauf-Wochenende ist geknüpft an kulturellen Erlebnissen und tollen Eindrücken. Triathlon-Events finden teilweise in der Pampa statt.

Nach dem Halbmarathon in Wien im September waren Sie verständlicherweise enttäuscht über Ihre Leistung. Mir ist damals aufgefallen, dass sich Ihre Stimmung bei der Frage nach der Atmosphäre schlagartig verbessert hat. Tausende Freizeitläuferinnen und Freizeitläufer ziehen aus dem motivierenden Miteinander sehr viel Kraft und Positives. Wie nehmen Sie als Profi diese Eindrücke in Ihrem vollen Fokus wahr und wie nützen sie Ihnen in Ihrer Leistung?

Wenn man auf der Reichsbrücke in der ersten Reihe stehen darf und sich umdreht, ist das ein atemberaubendes Erlebnis. Das ist für mich einer jener Momente, für die sich jedes einzelne harte Training lohnt. Diese Eindrücke und diese Stimmung aufzusaugen erzeugt auch Momente der Dankbarkeit. Es bedarf vieler, vieler Menschen, die eine Leidenschaft teilen. Das ist auch meine Leidenschaft. Genau das macht den Marathon zu einem Vorzeigeevent im Sport.

Wenn man sich immer an der Leistungsgrenze orientiert und hohe Ziele setzt, diese im Training gezielt vorbereitet, um sie am Punkt X zu realisieren, müssen viele Zahnräder ineinandergreifen. Beobachter sehen oft nur die Leistung im Wettkampf und maximal noch einige Trainingsdaten. Was sind die großen Herausforderungen abseits des öffentlich Sichtbaren, die für Sie entscheidend sind, 100% Leistung liefern zu können?

Das ist das Übel des Sports, dass man immer nur in ausgewählten Augenblicken seine Leistung zeigen kann. Geht es schief, kann man nicht gleich am nächsten Tag wieder versuchen, das Wunschresultat zu schaffen. Natürlich greift viel ineinander, auch Komponenten, die man nicht kontrollieren kann, wie das Wetter in Trainings und Wettkämpfen. Ständig an der Leistungsgrenze zu sein bedeutet, dass das Immunsystem stark gefordert ist. Darin birgt sich eine ständige Gefahr, eine Erkältung zu erwischen. Genauso ist das mit dem Verletzungsrisiko. Dieser Balanceakt ist eine Herausforderung für sich. Bei mir ist die Ernährung ein wichtiges Thema, da ich darauf achten muss, die notwendige Quantität zu erreichen. Auch emotionale Erlebnisse im Umfeld können herausfordernde Belastungen erzeugen.

Marathon ist auf dem Papier eine Einzelsportart. Der Beste der Szene, Eliud Kipchoge, spricht dagegen immer von Marathon als Teamsport. Sprechen wir über das Miteinander in deinem Umfeld: Wer übernimmt eine essentielle Rolle, damit gewährleistet ist, dass Sie 100% in den Sport legen können?

Die Großeltern meiner Tochter. Sie geht gerne zu ihnen. Wenn ich weiß, dass es ihr gut geht, kann ich unbeschwert und sorgenfrei laufen gehen.

Ihr Trainer Herwig Reupichler hat mit Ihnen den Weg in den Marathon angetreten. Schildern Sie mir bitte die jahrelange Entwicklung Ihrer Zusammenarbeit!

Der Dreh- und Angelpunkt einer Zusammenarbeit ist Kommunikation und die hat bei uns immer sehr gut funktioniert. Er hat seine Wurzeln auch im Triathlon und sehr viel Erfahrung. Der sportartenübergreifende Austausch zwischen uns ist intensiv. Wir unterhalten uns über diverse sportliche Entwicklungen in Ausdauersportarten, zum Beispiel auch im Skilanglauf. Ausschlaggebend für unsere gute Zusammenarbeit ist das gemeinsame Interesse am Sport und an den Sportwissenschaften.

Aus den akribischen Beobachtungen anderer Sportarten – übernehmen Sie Trainingsinhalte, die dort stärker als im Laufsport verankert sind, wenn Sie Potenzial für sich sehen?

Besonders die Norweger sind in sportwissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnissen sehr offen und kommunikativ. Wir verfolgen diese Neuigkeiten. Wir unterhalten uns regelmäßig, was in Frage kommen, was in den Trainingszyklus passen und für meine Leistungsstufe relevant sein könnte. Dann holen wir uns im Austausch natürlich ein Stück Rückversicherung dazu, wie welche Erkenntnisse wo und bei wem funktionieren.

Absolvieren Sie Ihr Training großteils alleine oder öfters auch in Gemeinschaft?

Intensive Trainingseinheiten absolviere ich lieber mit einem Trainingspartner, am liebsten als Radbegleiter. Aber grundsätzlich laufe ich lieber alleine.

Kommen wir zurück zum Ausgangspunkt unseres Gesprächs: Welche Trainingsinhalte stehen für Sie zurzeit in der Marathon-Vorbereitung auf dem Programm?

Wir haben uns dazu entschlossen, zum alten Trainingskonzept zurückzukehren, das zum Österreichischen Rekord (2:30:43, ex aequo mit Andrea Mayr, Anm. d. Red.) geführt hat. Das Ziel ist ein sicherer Trainingsaufbau auf den Salzburg Marathon. Zurzeit ist mein Wunsch, den Fokus auf das sichere Erreichen des EM-Limits zu legen und nicht verkrampft einer Bestzeit nachzujagen. Ich mache einmal die Woche, immer Sonntags einen Long Jog, zwei Stunden oder ein paar Minuten mehr. Freitags steht marathonspezifisches Training im geplanten Marathontempo an. Einmal die Woche, dienstags oder mittwochs, absolviere ich intensive Einheiten auf der Bahn. Dann natürlich dreimal die Woche Kraft- und Stabilisationstraining, der Rest wird mit gemütlichen Laufkilometern aufgefüllt. Montag ist immer Ruhetag, da setze ich mich maximal aufs Rad.

Autor: Thomas Kofler
Bilder: VCM | Herbert Neubauer

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