Newsletter Subscribe
Enter your email address below and subscribe to our newsletter
Kaum war der Startschuss im Alexander Stadium zum 3.000m-Hindernislauf der Frauen am Freitagabend verhallt, drückte Jackline Chepkoech auf das Gaspedal. Die amtierende Junioren-Weltmeisterin legte so schnell los, dass bereits nach einer Runde ein deutlicher Abstand zwischen ihr und ihrer Begleiterin Peruth Chemutai sowie dem Rest des Feldes herrschte. Dieser abrupte Start war der Auftakt in ein dramatisches Rennen. Denn die Olympiasiegerin übernahm gegen Mitte der zweiten Runde die Führung und versuchte das Rennen zu beruhigen und das Tempo abzukühlen. Das gelang ihr, mit einigem Abstand hatte sich eine vierköpfige Verfolgergruppe gebildet, an deren Spitze Aimee Pratt die Tempoarbeit machte. Die 24-Jährige hatte bei den Weltmeisterschaften von Eugene mit zwei britischen Rekorden und Platz sieben geglänzt.
Vorne übernahm Chepkoech nach einem Kilometer (einen Hauch unter drei Minuten, also pfeilschnell) kurz wieder das Tempo, der Vorsprung auf das Verfolgerfeld betrug nach wie vor rund acht Sekunden. So beeindruckend Chemutais Solo zum Olympiasieg in Tokio im vergangenen Sommer war, so sehr fehlte ihr diese Topform nicht nur in der bisherigen Saison, sondern auch an diesem Tag in Birmingham. Während sie die Zwischenzeit bei 2.000m in 6:08,32 Minuten erreichte, verringerte die Verfolgergruppe, in der nun Elizabeth Bird für das letzte Drittel das Kommando übernommen hatte, den Rückstand sukzessive, aber noch keinesfalls in für das Spitzenduo besorgniserregendem Ausmaß. In der vorletzten Runde entschied sich der Kampf um die Goldmedaille. Chemutai kam an einem Hindernis zu Sturz, die erst 18 Jahre alte Chepkoech fand sich plötzlich mit einem Vorsprung von einigen Metern an der Spitze wieder. Und diesen Platz an der Sonne gab die Teenagerin nicht wieder ab, sie triumphierte in einer persönlichen Bestleistung von 9:15,68 Minuten. Gleichzeitig im Übrigen ein neuer Meisterschaftsrekord, knapp vier Sekunden schneller als Dorcas Inzikuru aus Uganda 2006 in Melbourne, ein Jahr zuvor in Helsinki erste Weltmeisterin in dieser bei Läuferinnen noch jungen Distanz. Chepkoech gilt als größtes kenianisches Talent für die Zukunft in diesem Event und wird von Kipchoge-Trainer Patrick Sang betreut.
Doch der Jubel des Stadions gehörte längst Elizabeth Bird. Die Engländerin saugte sich im Rennen ihres bisherigen Lebens immer weiter an Chemutai heran und überholte sie eine knappe halbe Runde vor dem Ende. Die 27-Jährige war in der Schlussrunde dermaßen stark, dass der Eindruck entstand, 100 Meter weiter hätte sie die Führung übernommen. Doch die Silbermedaille in einer persönlichen Bestleistung von 9:17,79 Minuten war Statement genug! Es ist die zweitschnellste Zeit einer britischen Läuferin auf dieser Distanz aller Zeiten und eine englische Medaillenpremiere bei Commonwealth Games im 3.000m-Hindernislauf. „Das Publikum war grandios. Ich konnte seine Energie auf den letzten beiden Runden nutzen. Ein großes Dankeschön an jeden einzelnen, der heute hierhergekommen ist“, wurde Bird von der BBC zitiert, fand jedoch eine kleinen selbstkritisch Ergänzung: „Ich wünschte, ich hätte mich getraut, früher anzutreten. Ich war so nahe an der Goldmedaille dran, aber Silber ist auch ok.“
Chemutai, in Eugene unglückliche WM-Vierte, kam auf dem bronzenen Platz ins Ziel und empfand mehr negative als positive Gefühle, gestützt von der Siegerin stapfte sie humpelnd von der Bahn, der Sturz hatte Schmerzen hinterlassen. Als zweitbeste Engländerin überquerte Pratt die Ziellinie als Vierte vor Amy Cashin aus Australien, der Rest des achtköpfigen Feldes war weit aufgefächert.
Auch das 3.000m-Hindernislaufrennen der Männer war ein spezielles mit seiner eigenen, besonderen Geschichte und einen hochspannenden Zieleinlauf. Denn der Inder Avinash Sable, der den Wettkampf seines Lebens absolvierte, hätte um ein Haar die Goldmedaille gewonnen. Er hielt sich schlau während des ganzen Rennens hinter dem kenianischen Trio auf, konnte aber dessen hohes Tempo mitgehen. Kenias Teamtaktik, die komplette Konkurrenz bereits auf dem ersten Kilometer mit einem Eröffnungs-Kilometersplit von 2:39 Minuten abzuhängen, funktionierte also gegen alle außer den Asiaten.
Das hohe Tempo von Abraham Kibiwot, der nach anfänglichen Führungsmetern von Sable bis zur Ziellinie immer in Führung lag, erschöpfte aber auch Titelverteidiger Conseslus Kipruto, der in der vorletzten Runde mit ausgiebigen Schweißperlen auf der Stirn erstmals Probleme bekundete, Kibiwots Tempo mitzugehen. Sekunden später fiel er weit zurück und es stand fest, dass der Titelverteidiger nicht nur seinen Sieg von 2018 nicht wiederholen könnte, sondern dass erstmals seit 1994 bei Commonwealth Games das Stockerl nicht in rein kenianischer Hand blieb, seit 1990 gab es immer mindestens einen kenianischen Doppelsieg.
Denn Sable erwischte einen Sahnetag und schloss eingangs der Schlussrunde die Lücke zum Führenden. Als er am Ende der Gegengerade sogar eine Attacke versuchte und Kibiwot, der bei 25°C und prallem Sonnenschein an diesem Samstagmittag bereits viele Körner gelassen hatte, angsterfüllt umblickte, begann ein dramatisches Finale. Kibiwot kam mit der falschen Schrittfolge zum letzten Wassergraben, korrigierte dies aber mit einem flinken, kleinen Zwischenschritt und hielt den Zeitverlust in Grenzen, da er noch einmal energisch beschleunigen konnte. Mit wenigen Metern Vorsprung übersprang er das letzte Hindernis, doch noch einmal beschleunigte der WM-Elfte von Eugene, damals sechs Positionen hinter Kibiwot, und kam dem Kenianer vor der Ziellinie bedenklich nahe. Mit letzter Kraft und einem minimalen Vorsprung von 0,05 Sekunden rettete der 26-Jährige die kenianische Erfolgsserie mit einer Siegerzeit von 8:11,15 Minuten, nur knapp hinter dem Meisterschaftsrekord des bis auf Position sechs durchgereichten Kipruto, der sich anschließend in kenianischen Medien über Rückenprobleme beschwerte. Der Retter der kenianischen Ehre dagegen zeigte sich nach der Silbermedaille im Jahr 2018 sehr zufrieden nach dem harten Stück Arbeit.
Mit einer Zeit von 8:11,20 Minuten verbesserte Sable seinen in Rabat beim Diamond-League-Meeting aufgestellten indischen Rekord um gut eine Sekunde. Sein Medaillengewinn war angesichts seiner nachgewiesenen Klasse – er ist bereits fünfmal unter 8:20 und zwölfmal unter 8:30 Minuten gelaufen, teilweise im Alleingang bei Wettkämpfen in seiner Heimat – keine Sensation. Zur großen Sensation, insbesondere im historischen Kontext, fehlte ein Wimpernschlag. Die „Times of India“ feierte ihn bereits als Medaillenkandidaten bei den Olympischen Spielen von Paris 2024.
Die Bronzemedaille ging an den kenianischen Junioren-Weltmeister von 2021, Amos Serem, der satte 14 Sekunden Vorsprung auf den viertplatzierten Kanadier John Gay hatte und damit weitere wichtige Schritte in seiner noch jungen Karriere machte. Es war auch ein vorgezogenes Geschenk zu seinem 20. Geburtstag zu Monatsende. Der vierte Platz ist übrigens der Stammplatz Kanadas in dieser Disziplin, der mittlerweile zurückgetretene Matt Hughes musste die letzten beiden Male ebenfalls mit der „Blechernen“ Vorlieb nehmen.
Gold: Jackline Chepkoech (KEN) 9:15,68 Minuten * / **
Silber: Elizabeth Bird (ENG) 9:17,79 Minuten **
Bronze: Peruth Chemutai (UGA) 9:23,24 Minuten
Gold: Abraham Kibiwot (KEN) 8:11,15 Minuten
Silber: Avinash Sable (IND) 8:11,20 Minuten ****
Bronze: Amos Serem (KEN) 8:16,83 Minuten
* neuer Meisterschaftsrekord
** neue persönliche Bestleistung
*** neue Saisonbestleistung
**** neuer indischer Landesrekord