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Der Crosslauf ist eine Laufdisziplin des Winters. Prominente Stimmen befürworten gar die Aufnahme ins Programm der Olympischen Winterspiele. Die WM schließt die winterliche Crosslaufsaison traditionell ab, doch am Samstag in Belgrad war von der kalten Jahreszeit keine Spur, nicht nur, weil es meteorologisch bereits Frühling war. Die Sonne brannte gnadenlos auf die Athlet*innen. Und die geizten nicht mit besonderen Momenten bei einer WM, die nicht die Aufmerksamkeit bekam, die sie verdiente.
2023, als die Crosslauf-WM auf der südlichen Hemisphäre über die Bühne ging, war allen klar: Es droht eine Hitzeschlacht. Und so kam es in Bathurst, wo ein aufkommender Sturm mit schwerem Gewitter im Schlepptau dem Schlussbewerb ein fast mythisches Szenario schenkte. Dieses Mal waren die sommerlichen Temperaturen unytpisch, aber das Thermometer kletterte am Samstag in Belgrad im Laufe des Tages auf bis zu 28°C – eine besondere Herausforderung für die teilnehmenden Läufer*innen.
Passend dazu präsentierte sich auch die Strecke. Größtenteils wurde auf Gras gelaufen, nur kurze Passagen sahen Schlamm oder Sand vor. Die Topografie der Strecke stellte sich deutlich einfacher dar als bei den jüngsten Ausgaben in Bathurst, wo die Strecke durch die Reben eines Weingarten führte, oder Aarhus, wo die Läufer*innen auf das Dach eines Museums hinauf- und hinunterjagten. Durch die sommerlichen Bedingungen war der Boden gut zu belaufen – ein absoluter Kontrapunkt zu den Europameisterschaften Mitte Dezember in Brüssel, als der belgische Regen eine Schlammschlacht kreierte. So ging in Belgrad das „echte Crosslauf-Feeling“ etwas ab.
Mit dem Park der Freundschaft, einer großzügigen, zentrumsnahen Grünfläche in der Millionenstadt, die als älteste ununterbrochene Hauptstadt eines europäischen Landes gilt, hatte World Athletics durch die kurzfristige Verlegung einen vermeintlich idealen Austragungsort gefunden. Zumal Belgrad sich als Ausrichter der Hallen-EM 2017 und Hallen-WM 2023 sowie als Ausrichter der Crosslauf-EM 2013 von großen Leichtathletik-Bewerben einen Namen gemacht hat. Am Samstag aber kamen kaum Zuschauer an die Wettkampfstätte, womit der Event zum stimmungsarmen Ereignis verkam. Ganz anders als 2023 im australischen Outback oder gar 2017 im Zentrum Kampalas, der Hauptstadt Ugandas. Unwürdig für Weltmeisterschaften.
Seine Überlegenheit demonstrierte der alte und neue Weltmeister, Jacob Kiplimo, in der letzten Runde des Männerrennens. Anstatt wie alle anderen in Slalom-Bewegung die als künstliche Hindernisse hingelegten Heuballen mittig zu umkurven, sprang Kiplimo wie ein Hindernisläufer seitlich über die Ballen drüber. Mit diesem Manöver nahm er Schwung für die entscheidende Attacke auf.
Es war ein besonderer Moment, schließlich steckte Kiplimo in einer prominenten Spitzengruppe. Der Weltrekordhalter im 5.000m-Lauf (Joshua Cheptegei) und der Weltrekordhalter im 5km-Straßenlauf (Berihu Aregawi) waren seine Hauptkontrahenten in dieser Schlussrunde, wo viel auf die Geschwindigkeit ankommt. Die hatte aber auch Kiplimo in seinen Beinen und konnte nicht mehr eingeholt werden.
Die zahlreiche Abwesenheit der europäischen Mitgliedsverbände bei der Crosslauf-WM in Europa sorgte für erhebliche Kritik. Abgesehen von Spanien, Frankreich, Großbritannien und Irland fehlten alle großen nationalen Leichtathletik-Nationen des Alten Kontinenten.
Das europäische Abschneiden war daher fast schon historisch gut: Die britische Mixed-Staffel errang die erste europäische Medaille seit 2017, damals ebenfalls Bronze durch die Türkei, ebenfalls in der Mixed-Staffel. Der aus Burundi stammende Spanier Thierry Ndikumwenayo lief bei den Männern in die Top-Ten und die Karoline Bjerkeli Grövdal, dreimal in Serie Europameisterin, erreichte nach einem gut eingeteilten Rennen den 14. Platz. Damit war sie um eine Position besser als die Dänin Anna Emilie Möller vor fünf Jahren bei deren Heimspiel in Aarhus, als sie sensationell performte.
Der Triumph Marta Alemayos ist die erste bekannte Wettkampfleistung in den Statistiken des Leichtathletik-Weltverbandes (World Athletics). Das ist nicht die einzige Besonderheit am Sieg der jungen Äthiopierin. Sie feiert erst am kommenden Montag ihren 16. Geburtstag und geht damit als drittjüngste Junioren-Weltmeisterin im Crosslauf in die Geschichte ein. Jünger waren lediglich Lydia Cheromei aus Kenia, die 1991 bei ihrem Sieg (offiziell) noch in ihrem 14. Lebensjahr (!) war, und deren Landsfrau Rose Kosgei im Jahr 1997.
Beim letzten Wechsel der äthiopischen Mixed-Staffel trat der übergebende Läufer Adehena Kasaye seiner Teamkollegin Birri Abera hinten auf den linken Schuh, der sich von deren Fuß löste. Mit nur einem Schuh brauste die Äthiopierin los, zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Sekunden hinter der kenianischen Staffel liegend. Dabei verlor sie nur acht Sekunden auf die kenianische Schlussläuferin und war immer noch die Sechstschnellste in der Runde – trotz dieses Handicaps. Glück für die 23-Jährige, dass die Wetterbedingungen nicht andere waren…
Crosslauf-Weltmeisterschaften 2024 in Belgrad
Autor: Thomas Kofler
Bild: © Adam Nurkiewicz for World Athletics