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Während etliche afrikanische Eliteläufer*innen auf Goldjagd gehen, lassen viele europäische Verbände die Crosslauf-WM in Belgrad am morgigen Samstag links liegen – obwohl der Austragungsort geografisch weit günstiger liegt als etwa der letztjährige im australischen Outback.
Die Weltmeisterschaften von Belgrad am morgigen Samstag sind der Höhepunkt der diesjährigen Crosslaufsaison. Sie versprechen enorme Wettkampfspannung und Leistungen auf höchster Qualität. Einige der Topstars der internationalen Laufszene streben nach dieser prestigeträchtigen WM-Goldmedaille.
Österreichische Teilnehmer*innen sind nicht nominiert, zu dicht ist das Wettkampfprogramm im Olympischen Jahr mit den Europameisterschaften von Rom im Spätfrühling. Die Qualifikation dafür hat für die jungen österreichischen Läufer*innen Priorität in der Wettkampfplanung. Die arrivierten heimischen Läufer*innen bereiten sich auf einen Marathon im April vor. Beides wäre mit einer WM-Teilnahme im Crosslauf praktisch unvereinbar gewesen. Mit dieser Haltung sind sie in Europa übrigens weit nicht die einzigen.
Die Crosslauf-WM 2024 ist nach der Umstellung des Zwei-Jahres-Rhythmus und der Pandemie bedingten Verlegung der letzten WM in Australien auf das Jahr 2023 die erste seit 14 Jahren, die in einem geraden Jahr über die Bühne geht. Bis 2010 fanden Crosslauf-Weltmeisterschaften noch jährlich statt.
Belgrad ist als Gastgeber kurzfristig für den intendierten Austragungsort in Medulin und Pula in Kroatien eingesprungen, nachdem der Leichtathletik-Weltverband (World Athletics) aufgrund unzulänglicher Vorbereitungen des dortigen Veranstalterteams unter Druck geraten ist. Damit gehen die Crosslauf-Weltmeisterschaften in ihrer 45. Auflage erstmals am Balkan über die Bühne und erstmals seit 2019 (Aarhus in Dänemark) in Europa.
Wettkampfbühne ist der im Zentrum der serbischen Hauptstadt und in der Nähe der Donau gelegene Park der Freundschaft, eine großzügige und ruhige Grünfläche. Der Rundkurs ist 1.887 Meter lang, dazu kommen die Start- und Zielgerade.
485 Athlet*innen aus 51 Nationen stehen auf der Nominierungsliste für die Bewerbe. Das ist ein etwas größeres Starterfeld als jenes, das vor 13 Monaten die lange Reise nach Australien angetreten ist, aber deutlich kleiner als das Teilnehmerfeld 2019 in Aarhus oder 2017 in Kampala, Hauptstadt von Uganda. Dies liegt im Allgemeinen wohl daran, dass das Wettkampfprogramm in diesem Jahr mit Hallen-Weltmeisterschaften und Crosslauf-Weltmeisterschaften im selben Monat sowie den Olympischen Spielen als den Sporthöhepunkt schlechthin vollgepackt ist.
Obwohl die Crosslauf-WM in Europa stattfindet, sind viele europäische Länder die großen Abwesenden in Belgrad. Das ist nur teilweise durch die bereits im Juni, und damit verhältnismäßig früh, angesetzten Europameisterschaften von Rom erklärbar. Viel mehr planen viele europäische Leichtathletik-Nationen die Crosslauf-WM deshalb nicht ein, weil die Wahrscheinlichkeit sportlicher Erfolge aus Erfahrung dort gegen die starken Aufgebote aus Afrika gering sind. Der letzte europäische WM-Medaillengewinn in dieser Disziplin liegt 23 Jahre (Männer) bzw. 17 Jahre (Frauen) zurück.
Nur vier Verbände, nämlich Spanien, Frankreich, Großbritannien und Irland, besetzen alle Einzelbewerbe, Frankreich und Großbritannien sind zusätzlich in der Mixed-Staffel vertreten. Insgesamt sind nur zehn europäische Verbände überhaupt vertreten, darunter keiner aus dem deutschsprachigen Raum. Selbst Gastgeber Serbien, das eigene Athlet*innen eigentlich als Zugpferd der Veranstaltung bräuchte, aber keine große Laufnation ist, ist lediglich in beiden Junioren-Bewerben sowie in der Mixed-Staffel gemeldet.
Im ewigen Medaillenspiegel heben sich Kenia und Äthiopien weit von allen anderen Nationen ab. Bei den Männern dominiert aber seit kurzem Uganda den weltweiten Crosslauf: 2019 triumphierte Joshua Cheptegei vor dem damals noch 18-Jährigen Jacob Kiplimo. Vier Jahre später in Bathurst gewann Kiplimo die Goldmedaille, Cheptegei kam beim Spektakel im australischen Outback als Dritter ins Ziel. Die beiden Stars des kenianischen Nachbarlands sind auch in Belgrad dabei und damit in der Favoritenrolle.
Cheptegei erlitt vor zwei Wochen bei einem 10km-Lauf in Spanien eine empfindliche Niederlage gegen den Äthiopier Yomif Kejelcha. Kiplimo dagegen ist seit Juli in Wettkämpfen unbesiegt, wenngleich er in diesem Zeitraum nicht so viele Rennen bestritt. Als Vorbereitung gewann er bei den ugandischen Crosslauf-Meisterschaften. Immer öfters wird der junge Herausforderer zum unüberwindbaren Hindernis für den Arrivierteren.
Auch der Silbermedaillengewinner des letzten Jahres strebt nach einem neuerlichen Erfolg. Berihu Aregawi ist mit Abstand der stärkste aus dem äthiopischen Sextett. Das in der Dichte wohl beste Team stellt Kenia mit Halbmarathon-Weltmeister Sabastian Sawe und dem Junioren-Weltmeister des letzten Jahres, Ishmael Kipkurui. Für die mit Medaillen prämierte Teamwertung werden die drei besten Platzierungen pro Nation gewertet, das Land mit den wenigsten Punkten gewinnt – Kenia lag 2023 hauchdünn vor Äthiopien und Uganda.
Auch bei den Frauen ist die Titelverteidigerin die Läuferin, die es im Kampf um Gold, Silber und Bronze zu schlagen gilt. Beatrice Chebet aus Kenia hat sich in den letzten Jahren prächtig entwickelt, ihr „Überholmanöver“ auf der Zielgerade der letzten Crosslauf-WM gegen die völlig erschöpfte und dann zusammenbrechende Letesenbet Gidey aus Äthiopien ist längst ein Stück Leichtathletik-Geschichte.
Die 24-jährige Chebet, die 2019 bereits Junioren-Weltmeisterin in dieser Disziplin war, gewann in der abgelaufenen Crosslaufsaison bei beiden Wettkämpfen der höchsten Kategorie, an denen sie teilgenommen hat. Bei den Freiluft-Weltmeisterschaften in den Jahren 2022 und 2023 lief sie über 5.000m jeweils aufs Stockerl und steigerte sich auf eine persönliche Bestleistung von 14:05,92 Minuten, womit sie die drittschnellste Läuferin der Geschichte über diese Distanz ist. Zu Silvester verbesserte sie in Barcelona den Weltrekord im 5km-Straßenlauf auf eine Zeit von 14:13 Minuten.
In kenianischen Medien präsentierte sich Chebet voller Selbstvertrauen. Sie erwarte eine erfolgreiche Titelverteidigung und eine erfolgreiche Saison mit dem Höhepunkt unter Olympischen Ringen in Paris, gleichzeitig wolle sie auch einen Weltrekordlauf über 5.000m nicht ausschließen. Überhaupt stellt Kenia ein starkes Team, während der historisch größte Kontrahent Äthiopien auf ein recht junges Team setzt. Die US-Amerikanerin Weini Kelati strebt einen Top-Ten-Platz an, wie ihr Coach Stephen Haas bei einem Präsentationstermin von Under Armour vor zwei Monaten RunUp-Herausgeber Johannes Langer gegenüber angekündigt hat.
Recht prominent besetzt ist das spanische Team, das aus europäischer Sicht ein Achtungszeichen setzen könnte. Die europäische Topläuferin im Rennen ist allerdings Karoline Bjerkeli Grövdal aus Norwegen, die bei den letzten drei Ausgaben der Crosslauf-Europameisterschaften unbesiegbar war und teilweise in einer eigenen Liga agierte. Der europäische Topstar in der Laufszene, die Holländerin Sifan Hassan, hatte ursprünglich etwas überraschend auch einen Start geplant, entschied sich kurzfristig aber aufgrund der Regenerationsphase nach dem Tokio Marathon vor vier Wochen gegen ein Antreten.
Spannend wird auch, wie die britische Junioren-Europameisterin Innes Fitzgerald sich gegen die internationale Konkurrenz im Rennen der Altersklasse U20 schlägt. Vor einem Jahr hat die laut dem britischen Fachmagazin „Athletics Weekly“ bewusst umweltfreundlich lebende 17-Jährige auf eine WM-Teilnahme im Crosslauf verzichtet, weil sie einen Langstreckenflug nach Australien als unangemessen für sich eingestuft hat.
Crosslauf beschreibt eine beliebte Disziplin im Laufsport abseits von befestigten Wegen, in profiliertem, abwechslungsreichen und physisch forderndem Gelände. Gelaufen wird stets auf einem Rundkurs, üblicherweise auf wechselndem Untergrund, manchmal mit tiefen, schlammigen Passagen oder künstlichen Hindernissen. Der Crosslauf erfreut sich in Österreich nicht jener großen Beliebtheit wie in einigen mediterranen europäischen Ländern, in Skandinavien, Großbritannien oder den Benelux-Ländern. Aber auch hierzulande absolvieren viele der besten Läufer*innen eine zumindest kurze Crosslaufsaison im Winter (meist im Spätherbst, wo die jährlichen Europameisterschaften stattfinden, Anm.), weil das vielseitige und harte Training eine gute Basis für Laufziele auf der Bahn und der Straße liefert.
Im Crosslauf ist die afrikanische Überlegenheit im Vergleich zu den besten Athlet*innen der restlichen Kontinente größer als in anderen Disziplinen, weil die Läufer*innen aus den Laufhochburgen in Kenia, Äthiopien oder Uganda durch die natürlichen Begebenheiten der Höhenlagen dort ein effektiveres Crosslauf-Training in ihrem natürlichen Trainingsumfeld genießen. Besonders sichtbar ist das üblicherweise in der Junioren-Klasse. Selbst Europas Wunderläufer Jakob Ingebrigtsen hatte 2019 in der Altersklasse U20 gegen die kenianischen und äthiopischen Läufer keine Chance und verpasste eine Top-Ten-Platzierung. Mittlerweile ist der Norweger Olympiasieger und zweifacher Weltmeister.
Die Crosslauf-Weltmeisterschaften gehören zum Kreis der am bestbesetzten Laufevents im globalen Kalender, weil diese Disziplin einen Teil der Weltelite von den Mittelstrecken hinauf bis zum Marathon vereint. Daher treten in Belgrad Athlet*innen gegeneinander an, die bei Leichtathletik-Weltmeisterschaften oder bei Olympischen Spielen in verschiedenen Disziplinen am Start sind. Außerdem darf jede Nation bei Crosslauf-Weltmeisterschaften sechs statt der üblichen drei Startplätze pro Bewerb besetzen, was die ostafrikanische Dominanz in den letzten Jahren enorm verstärkt hat.
Crosslauf-Weltmeisterschaften 2024 in Belgrad
Autor: Thomas Kofler
Bild: © Cameron Spencer/Getty Images for World Athletics (Crosslauf-WM 2023)