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Vor drei Jahren war Eilish McColgan am Top ihres bisherigen Schaffens. Auf den längeren Bahndistanzen, über zehn Kilometer und im Halbmarathon hatte sie die britischen Rekorde von Paula Radcliffe unterboten, auf der Bahn holte sie Medaillen auf europäischem Niveau und lief vor heimischem Publikum in Birmingham zur Goldmedaille im 10.000m-Lauf der Commonwealth Games. Der nächste Schritt lautete Marathon. Doch der Weg dorthin entpuppte sich nicht als geebnet. Zweieinhalb Jahre nach dem ersten abgebrochenen Versuch erfolgt nun beim diesjährigen London Marathon das lang ersehnte Debüt der Tochter der ehemaligen 10.000m-Weltmeisterin Liz McColgan. Deren schottischer Marathonrekord scheint für die hohen Erwartungen der britischen Lauffans nur ein Minimalziel.
Drei Monate nach dem Erfolg von Birmingham und den beiden EM-Medaillen von München hätte Eilish McColgan ihr Star-Debüt beim damals im Oktober angesetzten London Marathon 2022 geben sollen. Doch in der Vorbereitung offenbarten sich Probleme in der Energieaufnahme, die bei kürzeren Distanzen keine schädliche Wirkung hatten, aber auf die lange Laufdistanz von weit über zwei Stunden ein Risiko darstellten. Ein halbes Jahr später, der London Marathon war wieder auf seinen Frühjahrstermin gewechselt, scheiterte der zweite Versuch an Knieproblemen. Mit einem Halbmarathon in 1:05:46 Stunden in Berlin (siehe Foto) wenige Wochen davor hatte sie die Erwartungshaltung in die Höhe getrieben.
Damals berichteten allerdings auch einige britische Medien, dass der Start der Schottin an einem Sponsorenstreit mit dem London Marathon gescheitert wäre. Zwei Jahre später scheint von einer Missstimmung keine Rede mehr: „Ich habe es immer geliebt in London zu laufen. Das ist die Stadt, in der ich mein Debüt bei Olympischen Spielen gefeiert habe. Das ist die Stadt, wo ich so viel Unterstützung vom Straßenrand gespürt habe. Der London Marathon wird eine spezielle Erfahrung (vgl. coros.com).“
Die gesundheitlichen Probleme bremsten sie aber aus. Nach einer Knieoperation in der zweiten Jahreshälfte 2023 stand das Wettkampfjahr 2024 ganz im Zeichen der Rückkehr zur alten Fitness. Ein Wettkampfjahr, das an ihren Nerven zehrte, wie sie in diversen Interviews sagte.
Ihr Comeback gab die Schottin beim Österreichischen Frauenlauf im Mai, wo sie das Eliterennen gewann. Weder bei den Europameisterschaften von Rom noch bei den Olympischen Spielen von Paris konnte sie im 10.000m-Lauf eine Topform nachweisen. Auch drei Halbmarathons im Herbst waren trotz respektabler Resultate für ihre Verhältnisse schaumgebremst. So machen die zwei Vorbereitungswettkämpfe 2025 Hoffnung: ein Halbmarathon in 1:08:58 Stunden in Dubai und ein 10km-Lauf in 31:03 Minuten im Rahmen des McKirdy Marathon – jenem Event, bei dem Aaron Gruen (ÖBV Pro Team) den österreichischen Marathonrekord unter 2:10 Stunden verbessert hat (siehe RunUp.eu-Bericht).
Ihr Partner COROS gibt auf der Website Einblick in die Vorbereitung der 34-Jährigen, die überzeugt ist, dass sie ihren Körper auf die Anforderungen der Distanz gut vorbereitet hat. Ein wichtiger Baustein neben langen Läufen waren Intervalleinheiten, die sie gerne auf dem Laufband absolviert.
Nicht zum ersten Mal wurde McColgan, nachdem sie eine dieser Einheiten im Video in sozialen Netzwerken teilte, mit negativen Kommentaren zu ihrem Körper förmlich überschwemmt. In der BBC wies McColgan die Vorwürfe der Anorexie entschieden zurück. „Ich bin gesund, mein Körper ist gesund. Nur weil ich dünn bin, habe ich noch lange keine Essstörung“, stellte sie klar und bezeichnete das Body Shaming als „generell gefährlich“.
Sie hat Erfahrung mit Hassbotschaften, die sich auf ihren Körper beziehen. Gegenüber der britischen Tageszeitung „The Telegraph“ intensivierte sie ihre Argumentation: „Nach über einem Jahrzehnt Spitzensport habe ich einen normalen Menstruationszyklus, normale Knochendichte, unauffällige Bluttests.“ Mehrere britische Medien nahmen das Thema in ausführlichen Artikeln auf. Das Leichtathletik-Magazin „Athletics Weekly“ zitierte auch Sebastian Coe, WA-Präsident und damals noch Kandidat auf den Posten des IOC-Präsidenten, der zum Schutz der von direkten auf den Körper bezogenen Beleidigungen (im überwiegenden Großteil sind die Opfer Athletinnen) die CEOs der wichtigsten sozialen Netzwerken in die Verantwortung nahm.
Bei ihrem Marathon-Debüt hält McColgan die Zielsetzung klein. Zwar sieht sie den Europarekord von Paula Radcliffe (2:15:25 Stunden, London Marathon 2003, damals Weltrekord) im Bereich des Möglichen, aber keinesfalls in ihrem ersten Marathon, sagte sie gegenüber der BBC und bezeichnete solche Erwartungen als „Nonsense“. Sie plane aber langfristig und habe noch mehrere Jahre mit Marathons vor sich. „Der erste Marathon wird eine neue Herausforderung. Ich bin noch nie so weit gelaufen, weder im Training noch im Wettkampf. Also: Es ist ein ganz anderes Spiel“, sagte sie dem „The Telegraph“.
Ihre Mutter Liz, 1991 Weltmeisterin im 10.000m-Lauf, hat den London Marathon im Jahr 1996 gewonnen. Das wird Eilish am Sonntag angesichts der prominenten internationalen Konkurrenz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gelingen, auch wenn sie ihr den schottischen Rekord abjagen sollte. Dieser liegt bei einer Zeit von 2:26:52 Stunden, aufgestellt beim London Marathon 1997, als McColgan als Titelverteidigerin das Duell um den Sieg hauchdünn gegen die Kenianerin Joyce Chepchumba, später Olympia-Bronzemedaillengewinnerin von Sydney 2000, verlor.
Der bekannteste britische Sportler im Rahmen des London Marathon ist Alex Yee, Olympiasieger und amtierender Weltmeister im Triathlon (Olympische Distanz). Der 27-Jährige will auf Anhieb eine Zeit von unter 2:10 Stunden auf den Asphalt zaubern – es ist sein erster Marathon überhaupt.
Absagen musste Marathon-Olympiateilnehmer Emile Cairess aufgrund einer Knöchelverletzung. Der 27-Jährige war im Vorjahr erstaunlicher Dritter beim London Marathon mit einer persönlichen Bestleistung von 2:06:46 Stunden, womit er auf Platz zwei der ewigen britischen Bestenliste hinter Mo Farah aufstieg. Bei den Olympischen Spielen von Paris schrammte Cairess als Vierter knapp an einer Medaille vorbei. Der Vorjahresvierte Mahamad Mahamad (Bestleistung: 2:07:05 Stunden) ist allerdings am Start.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © SIP / Johannes Langer