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Der Grand Slam Track: Innovation oder Konkurrenz?

Mit einer neuen hochdotierten Meetingserie baut die US-amerikanische Sprinterlegende Michael Johnson mit Investoren eine Konkurrenzserie zur Diamond League auf.
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Die besten Athletinnen und Athleten der Welt in regelmäßigen Abständen zu Wettkämpfen gegeneinander zusammenzubringen – das ist die Ambition des Grand Slam Track, gegründet von der US-Leichtathletik-Legende Michael Johnson. Das Ziel ist damit dasselbe, das die Diamond League wie ihre Vorgängerin, die Golden League, seit je her hegt: Die Stars der Szene außerhalb von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften regelmäßig ins Schaufenster der Öffentlichkeit zu stellen. Johnson will das mit hohen Preisgeldern effizienter schaffen als die prestigeträchtigste Meetingserie von World Athletics. Nun entsteht eine Konkurrenz für die Diamond League – mit Fragezeichen, wie gut diese der Sportart tut.

Michael Johnson stellt das Zahlenspiel auf den Kopf und zwar auf Basis der Annahme, dass die Olympischen Spiele als vierjährliches Event exklusiv alle Stars der Leichtathletik an einem Ort in einem Wettkampf vereinen kann. Der 57-Jährige will das nun nicht einmal vierjährlich, sondern viermal jährlich schaffen – und das nicht global, sondern mit Fokus auf den amerikanischen Markt. Das hat nicht zwingend nur mit dem Patriotismus des Texaners, der für die USA vier Olympische Goldmedaillen und acht WM-Titel über die Sprintdistanzen 200 und 400 Meter gewonnen hat, zu tun, sondern wohl auch mit dem Fakt, dass die US-Leichtathletik trotz der internationalen Erfolge der letzten Zeit vier Jahre vor den Olympischen Spielen in Los Angeles in der Rivalität mit den klassischen US-Sportarten einen Popularitätsmangel auf dem heimischen Markt aufweist. Johnson will das mit spektakulärem Spitzensport lösen und bedient sich der Idee aus dem Tennis. Dort versammeln die Grand Slams die Stars der Szene zum hochkarätigen Wettkampf. Viermal pro Jahr.

Grand Slam Track

Angekündigt wurde die Gründung im Februar, präsentiert wurde der Grand Slam Track im Juni 2024 in Los Angeles. Das Wettkampfformat soll zuschauerattraktiv sein. Eine Show. Je sechs Bewerbe pro Geschlecht stehen auf dem Programm, jeweils acht Athlet*innen gehen an den Start – machen 96 Protagonist*innen pro Termin. Die Starterfelder bilden sich aus einem ausgeglichenen Mix aus vertragsgebundenen Sportler*innen und Gaststarter*innen (48:48). Dabei wird nur gelaufen: Sprintdistanzen, kurz und lang, mit und ohne Hürden, dazu Mittelstrecken und Langstrecken. Dabei steht der pure Wettkampf im Vordergrund, nicht die Zeiten. Man verzichtet auf Tempomacher*innen und Wavelights.

Die Termine stehen noch nicht fest, sie sollen sich im Zeitraum zwischen April und September 2025 platzieren – wobei aufgrund der Weltmeisterschaften von Tokio im September 2025 eine späterer Termin in dieser Zeitspanne unwahrscheinlich ist. Als Austragungsort ist nur die kalifornische Metropole als kommender Olympia-Gastgeber offiziell fixiert, die drei weiteren Gastgeber werden noch bekanntgegeben. Voraussichtlich wird es keine reine US-Serie. LetsRun.com berichtete im September, dass New York City, die jamaikanische Hauptstadt Kingston und Birmingham in Großbritannien die weiteren Austragungsorte sein könnten. Pro Event wird eine fürstliche Entlohnung, zumindest für leichtathletische Verhältnisse, angekündigt: Pro Sieg gibt es ein Preisgeld von 100.000 US-Dollar, alle acht Teilnehmer*innen kommen ins Preisgeld. Über ein Punktesystem gibt es Gesamtwertungen.

Wesentlicher Geldgeber ist das in den USA ansässige, recht junge und auf wirtschaftliche Lösungen für Sportler*innen spezialisierte Unternehmen Winners Alliance, wichtigster Partner für die Initiative von Michael Johnson. Heute berichtet das renommierte Wirtschaftsmagazin „Forbes“, dass Millionär Robert F. Smith, Gründer des Software- und Datenriesen Vista Equity, den Vorstand des Grand Slam Track erweitert.

Prominente Verpflichtungen

Das Team um Michael Johnson war in den letzten Wochen und Monaten bemüht, prominente Athlet*innen vertraglich an die Premierenausgabe des Grand Slam Track zu binden. Symbolträchtig wurde US-Star Sydney McLaughlin-Levrone als erste GTS-Athletin präsentiert. Bald darauf folgten der 1.500m-Weltmeister Josh Kerr (der Schotte lebt und trainiert in den USA, Anm.), 1.500m-Olympiasieger Cole Hocker und Olympia-Medaillengewinner Yared Nuguse. Aus dem Weltklasse-Quartett des 1.500m-Laufs fehlt somit nur noch Jakob Ingebrigtsen. Doch der Norweger hat dem Vernehmen einiger Berichte nach keine große Lust auf eine Wettkampfserie jenseits des Atlantiks. Außerdem sei der 24-Jährige ein Fan der Diamond League, wie „Let’sRun.com“ feststellte: An 38 Diamond-League-Meetings hat der Norweger seit 2019 teilgenommen, kaum ein anderer Läufer wird auf eine derartig hohe Anzahl kommen.

Mittlerweile umfassen die Verpflichtungen des Grand Slam Track eine beachtliche Reihe der globalen Leichtathletik-Stars mit starkem Fokus auf die beiden amerikanischen Kontinente. Die Australierin Jessica Hull sowie die beiden jüngsten Neuzugänge, Agnes Ngetich aus Kenia und Tsigie Gebreselama, sind Ausnahmen – sie leben nicht in den USA. „Die Vereinbarung hat ein großes Feuer in mir entfacht. Der Wettbewerb ist hart, die Atmosphäre wird elektrisierend sein und die Möglichkeit endlos. Ich habe immer davon geträumt, auf höchstem Niveau zu starten. Ich freue mich, gegen die Schnellsten der Welt anzutreten und die nächsten Generation zu großen Träumen zu inspirieren“, wird Ngetich, 10km-Weltrekordhalterin und zweitschnellste Halbmarathonläuferin aller Zeiten, euphorisch im kenianischen Medium „Pulse Sports“ zitiert.

Im Kalender unterrepräsentiert

Diese ungleiche Verteilung hat wohl zwei Gründe. Erstens geographische, da eine Reise aus Europa, Afrika oder Asien für einen singulären Wettkampf in die USA aus finanziellen und zeitlichen Gründen begrenzte Attraktivität ausstrahlt. Zweitens, die umgekehrte Perspektive: Für amerikanische oder in den USA lebende Athlet*innen ist der Aufwand der Reisen zu europäischen Meetings groß. Und hier begegnet der Grand Slam Track einer enormen Schwäche mit attraktivem Angebot.

Denn dafür, dass die USA seit Jahrzehnten die erfolgreichste Leichtathletik-Nation der Welt ist, ist der eigene Leichtathletik-Kalender außerhalb des freilich potenten College-Systems zumindest in der Freiluft-Saison spärlich besetzt. Mit den Prefontaine Classics in Eugene gibt es nur ein internationales Top-Meeting auf US-amerikanischen Boden. Einige, durchaus statusstarke Meetings der World Athletics Continental Tour sind sehr junge Meetings ohne Tradition. Sie haben Popularitätsprobleme, wie oft auch Freiluft-Meetings in New York, einer Weltmetropole, zeigen. Dort ist die Tradition vorhanden, die Meetings finden aber nicht in den großen Arenen der Stadt, sondern in für die Metropolregion recht unwürdigen Kleinarenen mit überschaubarem Zuschauerinteresse statt. In Lateinamerika ist der Status quo beinahe noch schlechter – und dabei darf nicht vergessen werden, welch sportlich wichtige Rolle einige Karibik-Nationen in der internationalen Leichtathletik spielen.

Besorgter Weltverband

World Athletics hat dieses Problem schon vor Jahren ins Auge gefasst, spätestens nach Bekanntgabe der Vergabe der Olympischen Spiele an Los Angeles hat WA-Präsident Sebastian Coe öffentlich gemahnt und Sorgen über die Popularität der Leichtathletik in den USA mit infrastrukturellen Rückständen geäußert. Im Zuge der ersten Freiluft-Weltmeisterschaften überhaupt in den USA, den recht kritisierten Titelkämpfen in Eugene 2022, wurden diese Warnsignale deutlicher. Nun ist World Athletics mit der Gründung des Grand Slam Track in eine Konkurrenzstellung abgedriftet. Coe reagierte besonnen und befürwortete innovative Ideen und zukunftsfähige Bestrebungen in einem ersten Statement.

World Athletics hat mit einer deutlichen Erhöhung der Preisgelder in der Diamond League für die kommende Saison strategisch auf die Ankündigung der Gründung des Grand Slam Track reagiert. Doch an die Preisgeldstruktur der Amerikaner kommt World Athletics nicht heran, auch weil die Volumen pro Diamond-League-Meeting viel höher sind – sie berücksichtigen eine Mehrzahl der leichtathletischen Disziplinen und bieten den Mix aus Lauf-, Sprung- und Wurfdisziplinen, den der Grand Slam Track nicht anstrebt. Man wolle nicht, dass mehr als ein Event gleichzeitig über die Bühne geht, so die Argumentation. Manch anderer würde dies als Reiz von Leichtathletik-Meetings bezeichnen.

Gewinnmaximierung

Der Vorstoß Michael Johnsons passt in die heutige Zeit des Sports, in der es auf höchster Ebene einigen um extreme Gewinnmaximierung geht, womit sich auch die Stars der Szene und deren Managements ködern lassen. Die Diskussion um die „Super League“ im Fußball außerhalb der traditionellen Verbandsstrukturen ist inklusive aller Nachfolgeideen und -initiativen, die abseits gerichtlicher Urteilsfindungen noch präsent sind, ein Beispiel. Die Rivalität zweier Touren durch eine saudiarabische Initiative löste im Golfsport 2023 fundamentale Debatten aus, die gelöst werden konnten.

Der Vergleich mit dem Tennissport ist nicht nur aufgrund der Namensgebung des Grand Slam Track möglicherweise ein Ausblick in die Zukunft. Dort richtet mit der ITF (International Tennis Federation) ein anderer Verband die Grand Slams aus als den restlichen Spielkalender über das Jahr, der von der ATP bzw. WTA organisiert wird. Im Tennis häufen sich aber die Diskussionen der Überlastungen der Hauptprotagonist*innen, die zu einer gewissen Mindestteilnahme an Turnieren vertraglich gezwungen werden. Wohl auch im gegenseitigen Machtstreben der beteiligten Weltverbände.

Da der Grand Slam Track zugeschnitten auf eine kleine Elite ist – und das in einer Weltsportart, stellt sich auch eine andere Frage: nämlich nach dem Profit, auch abseits des finanziellen. Profitieren kann eine kleine Gruppe subjektiv Ausgesuchter. In Realität ist es heute für hart trainierende europäische Läufer*innen, die nicht zur allerersten Garde gehören, bereits schwierig, in Starterfelder von Diamond-League-Meetings zu kommen. Ein heimisches Beispiel: Raphael Pallitsch (SVS Leichtathletik) war 2024 österreichischer Olympia-Teilnehmer im 1.500m-Lauf. Im Gespräch mit RunUp.eu nach den Europameisterschaften in Rom zu Saisonbeginn stufte er es für sich als unmöglich ein, in ein Starterfeld der Diamond League zu kommen. Als Sechstbester bei den Europameisterschaften.

Diese Zuspitzung auf eine kleine Elite wäre beim Grand Slam Track noch deutlicher und die Gefahr, dass die breite Masse der auf der ganzen Welt professionell arbeitenden Leichtathlet*innen durch die Finger schauen wird, scheint existent. Außerdem ist festzustellen, dass der ohnehin schon prallvolle Leichtathletik-Kalender nicht zwingend nach einer neuen Serie mit neuen Terminen geschrien hat.

„Das, was unser Sport braucht“

Der Grand Slam Track hat keine Ansprüche der Exklusivität kommuniziert. Ein solcher wäre zum Start auch absolut widersinnig. Man unterstütze sogar im Sinne der Sichtbarkeit der Leichtathletik, dass vom Grand Slam Track vertraglich gebundene Athlet*innen bei anderen Meetings starten, heißt es auf der Website. Man wolle Serien wie die Diamond League und andere wichtige Wettkämpfe durch die Neopräsenz unterstützen. Daher arbeite man auch mit globalen und nationalen Verbänden zusammen. Ob die Realität das künftig widerspiegeln wird, wird sich weisen.

Der zweifache Olympia-Medaillengewinner Grant Fisher, der einen Vertrag mit dem Grand Slam Track unterschrieben hat, kann den Start der Serie kaum erwarten: „Ich bin überglücklich, Teil des Grand Slam Track zu sein. Ich glaube, das ist die Zukunft unseres Sports!“ Auch Gründer Michael Johnson ist naturgemäß überzeugt vom neuen Weg: „Wir werden den Sport weiterbringen. Unser Investment in Verbindung mit unserer Innovation wird den Sport in den USA, dem führenden Markt, wachsen lassen. Das ist genau, was unser Sport braucht“, zitiert die britische Tageszeitung „Independent“ Johnson unter Berufung auf die Nachrichtenagentur PA Media.

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