Mo Farah hat seine glanzvolle Karriere als bei globalen Meisterschaften erfolgreichster Langstreckenläufer auf der Bahn mit einem grandiosen und dramatischen Sieg beendet. In seinem letzten Bahnrennen im Rahmen des Diamond League Meetings in Zürich gewann der 34-jährige Brite einen hochspannenden und wahrlich außergewöhnlichen Schlussspurt des 5.000m-Laufs und kehrte das Blatt gegenüber den Weltmeisterschaften um, als Muktar Edris ihm noch die Show gestohlen hatte. Der Leichtathletik-Gott hat sich zum Finale ein besonderes Rennen für Mo Farah einfallen lassen.
Spannendstes Finale seit langem
Das letzte Bahnrennen Farahs, der seine Karriere in Marathon- und Halbmarathonläufen fortsetzen wird, begann wie erwartet flink. Der Veranstalter hatte eine Jagd auf die Weltjahresbestleistung des Äthiopiers Muktar Edris geplant. Doch bereits ab dem zweiten Kilometer verließ das Feld diesen Plan, was Mo Farah sicherlich entgegen kam. Nach rund drei Kilometer zogen erst der Kenianer Cornelius Kangogo, dann der Kanader Mo Ahmed das Tempo kurzzeitig etwas an und animierten den Briten, eine vordere Position im Feld einzunehmen.
Den letzten Kilometer eröffnete der vierfache Olympiasieger gemeinsam mit Ahmed an der Spitze, die äthiopischen Herausforderer in der zweiten Reihe. 650 Meter vor dem Ziel übernahm Farah das Ruder, Kejelcha reagierte sofort, Weltmeister Muktar Edris zum Start in die letzte Runde. Auf der Gegengerade versuchten beide, außen vorbeizuziehen, doch Farah konterte auf der Innenbahn und behauptete die Führung bis zum Start in den kuriosen Schlussspurt. Vier Läufer stürmten mit letzter Energie praktisch zeitgleich über die Ziellinie, das ausverkaufte Letzigrund Stadion stieß einen lauten Jubelschrei aus, als feststand, dass Farah die Nase vorne hatte. In einer Zeit von 13:06,05 Minuten hatte er 0,04 Sekunden Vorsprung auf Edris, der über die Ziellinie stürzte – allerdings angeschoben von Paul Chelimo – und 0,13 Sekunden Vorsprung auf Kejelcha. Der ursprünglich zweitplatzierte Chelimo, der auf der Innenbahn zwischen Farah und Edris eingeklemmt war, wurde aufgrund seines rüpelhaften Schlussspurts disqualifiziert, weswegen Jugend-Weltmeister Selemon Barega auf Rang vier aufrückte. „Ich wollte gewinnen und es ist erstaunlich, dass ich gewonnen habe. Es war ein harter Job heute“, so Farah.
Sieg des Willens und der Taktik
Es war am Ende ein Sieg des Willens und das Produkt einer sorgsamen und hervorragenden Taktik. „Ich habe keinem anderen Läufer einen Zentimeter hergeschenkt. Das war der Plan, das ist fantastisch gelungen. Im Spurt ging es darum, alles herauszuholen. Ich habe mir ständig eingeredet, ,du kannst gewinnen, du kannst es schaffen’“, erzählte der Brite nach dem Rennen. Für die Mühen wurde er mit dem Preisgeld von 50.000 US-Dollar entlohnt. Eine rasante Schlussrunde von 52,61 Sekunden hat er noch einmal als seinem Körper geprügelt. Dass ihm die Revanche gegen Edris besonders viel bedeutet, war aus seinen Interviews nach dem Rennen bestens herauszuhören. „Ich habe es sehr genossen, so viele Jahre im Stadion zu laufen. Ich werde es sehr vermissen, vor allen Dingen meine Fans. Aber jetzt will ich alles gemeinsam mit meiner Familie genießen“, verabschiedete sich der britische Lauf-Held.
Bevor es in die wohlverdiente Winterpause geht, steht für den Briten noch der Start beim Great North Run Mitte September auf dem Programm. Im kommenden Jahr wird sich Farah dann dem Marathon widmen, vielleicht mit dem Langzeit-Ziel Olympische Spiele 2020, bestimmt mit jenem, den britischen Rekord zu verbessern. Allerdings hat der Familienvater längst angekündigt, zukünftig viel lockerer aufzutreten und in seinem Leben bewusst auch andere Prioritäten neben dem Laufsport zu pflegen. Das heißt aber nicht, das ihm sein gewaltiger Ehrgeiz abhanden kommen wird.
Weltrekordhalterin Ruth Jebet setzt ein Zeichen
Zum 60. Mal fand in das Meeting „Weltklasse Zürich“ statt, ein so schnelles Hindernisrennen der Damen hat es noch nie gesehen – auch wenn diese Disziplin freilich deutlich jünger ist als das Meeting. Im Vorjahr hatte Ruth Jebet in einer für sie bescheidenden Zeit von 9:07,00 Minuten gewonnen, diesen Titel verteidigte sie heuer mit einem lauten Ausrufezeichen. Trotz eines durchaus gemütlichen Starts stürmte die 20-Jährige zur zweitschnellsten Zeit in der Geschichte des 3.000m-Hindernislaufs und setzte dank einer Leistung von 8:55,29 Minuten ein gewaltiges Ausrufezeichen. Denn ein Jahr nach ihrem überlegenen Olympiasieg in Rio und ihrem Weltrekordlauf in Paris lief die Konkurrenz der jungen Kenianerin, die für den Bahrain startet, den Rang ab. Nur ein Rennen konnte sie in der laufenden Diamond-League-Saison gewinnen, das war zu Saisonbeginn in Shanghai, und auch bei den Weltmeisterschaften hatte sie keine Medaillenchance. Die erklärte den fünften Platz mit einer Erkrankung und Kopfschmerzen nach dem WM-Halbfinale. Doch als es in Zürich um das lukrative Preisgeld von 50.000 US-Dollar ging, war Jebet plötzlich wieder da und lief im Finale das Feld in Grund und Boden. „Es war ein großes Rennen. Ich wollte diesen Sieg und habe ihn realisiert!“, jubelte die Siegerin.
Die Kenianerin Beatrice Chepkoech, die bei den Weltmeisterschaften in London mit ihrem verpassten Wassergraben für die Slapstick-Einlage schlechthin gesorgt hatte, hatte für viele als Favoritin für das Diamond-League-Finale gegolten. Und die Kenianerin, die erst seit 15 Monaten Hindernisläufe bestritt, hielt die Versprechungen und lief erstmals unter neun Minuten. Dass eine Zeit von 8:59,84 Minuten nicht für einen Sieg reicht, hat es noch nie gegeben. Noch erstaunlicher war die Leistung ihrer Landsfrau Norah Jeruto, die in Stockholm gewonnen hatte. Sie hielt überraschend lange mit der Spitze mit und verbesserte in einer Zeit von 9:05,31 Minuten ihre persönliche Bestleistung gleich um zehn Sekunden.
WM-Medaillengewinnerinnen ohne Chance
Das Rennen in Zürich war wieder einmal ein frappierendes Beispiel dafür, dass zwischen einem WM-Rennen und einem anschließenden Meeting Unterschiede wie Tag und Nacht liegen können. Die bei den Titelkämpfen in London erfolgreichen Athletinnen konnten in Zürich nicht mit der Spitze mithalten – Silbermedaillengewinnerin Courtney Frerichs hatte sich fürs Diamond-League-Finale erst gar nicht qualifiziert. Weltmeisterin Emma Coburn kam als Vierte mit fast 20 Sekunden Rückstand auf Siegerin Jebet ins Ziel, Bronzemedaillengewinnerin Hyvin Kiyeng folgte ihr unmittelbar. Einen hervorragenden Job lieferte Gesa Krause ab, die als Sechste in einer Zeit von 9:15,85 Minuten nur haarscharf an ihrem deutschen Rekord vorbeischrammte. Dagegen scheint sich bei der Schweizerin Fabienne Schlumpf die lange Saison mit vielen Wettkämpfen auszuwirken. Sie kam auf Rang zehn in einer Zeit von 9:28,80 Minuten ins Ziel, darf aber dennoch auf die beste Saison ihres Lebens zurückblicken, auch wenn sie in London im Gegensatz zu Rio den Finaleinzug verpasste. „Ein Wettkampf im Letzigrund ist immer etwas ganz Spezielles. Vor allem wegen der unbeschreiblichen Stimmung. Ich bin mit der heutigen Leistung durchaus zufrieden“, analysierte die 26-Jährige.
Mrs. Unbesiegbar
Seit 2016 gibt es einen Konstante im Laufsport der Damen: Wenn ein 800m-Lauf auf dem Programm steht, gewinnt Caster Semenya. Zum 20. Mal in Folge, wenn man nur Finalrennen und internationale Meetings zu Rate zieht. Die Südafrikanerin lieferte in Zürich ein Rennen wie üblich ab. Etwas früher als sonst übernahm sie die Führung und ließ auf den letzten 200 Metern nichts anbrennen. In einer Zeit von 1:55,84 Minuten feierte die Südafrikanerin einen überlegenen Sieg vor der Dauer-Zweiten Francine Niyonsaba und der jungen Kenianerin Margaret Wambui, die in einer Zeit von 1:56,87 Minuten eine neue persönliche Bestleistung erzielte. Niemand kann durch die Kugel in die Zukunft der Leichtathletik sehen. Doch dieser 800m-Lauf im Letzigrund könnte der letzte gewesen sein, der an der Spitze mit dieser Besetzung gestaltet wurde. Eine Entscheidung wird eine neue Regelung der IAAF mit Hyperandrogenismus bringen, die der Weltverband noch im laufenden Kalenderjahr präsentieren will.
Büchel schlägt sich tapfer
Für die Überraschung des Rennens sorgte die Äthiopierin Habitam Alemu, die ihren enttäuschenden WM-Auftritt mit Top-Form danach quittiert. In einer Zeit von 1:57,05 Minuten feierte sie auf Rang vier einen neuen äthiopischen Landesrekord. Ihre Grundschnelligkeit bewies ein weiteres Mal Sifan Hassan, die in einer Zeit von 1:57,12 Minuten Fünfte wurde und damit bestens vorbereitet in das Diamond-League-Finale in einer ihrer besseren Disziplinen (1.500m oder 5.000m) kommende Woche in Brüssel geht. Nicht ganz so stark wie zuletzt lief Melissa Bishop auf Rang sieben. Die Kanadierin war enorm offensiv angelaufen und die erste Runde in unter 57 Sekunden absolviert.
Lokalmatadorin Selina Büchel zog sich achtbar aus der Affäre und beendete die Wettkampfsaison 2017 mit einer Leistung knapp unter zwei Minuten. Angesichts des hohen von Pacemakerin Sanne Verstegen angeschlagenen Tempos (56,50 für die erste Runde) hielt sich die Lokalmatadorin am Ende des Feldes auf. Im Finale konnte sie immerhin ex-Weltmeisterin Eunice Sum hinter sich lassen. „Es war eine unglaubliche Stimmung, es hat extremen Spaß gemacht, in diesem Stadion zu laufen. Ich habe das Beste gegeben, alles aus mir rausgeholt. Mehr war leider nicht möglich, daher gebe ich mich zufrieden mit dieser Leistung“, bilanzierte die zweifache Hallen-Europameisterin.
Kenias Macht im 1.500m-Lauf
Kenia ist die unumstrittene Nummer eins im 1.500m-Lauf. Nach dem Doppelsieg bei den Weltmeisterschaften feierten die kenianischen Läufer in Zürich sogar einen Sechsfachsieg, um diese Vormachtstellung zu untermauern. Im EM-Austragungsort von 2014 entwickelte sich trotz der Bemühungen der Pacemaker kein Hochgeschwindigkeitsrennen, die Entscheidung fiel im Schlusssport. Timothy Cheruiyot agierte wie üblich von vorne, dieses Mal konnte keiner den Vize-Weltmeister einfangen, der nach 3:33,93 Minuten die Ziellinie überquerte. „Das war ein hartes Rennen, aber es gelang mir, es von vorne zu kontrollieren“, rekapitulierte der Sieger. „Jetzt freue ich mich auf die Trainingspause!“
Weltmeister Elijah Manangoi musste sich im Kampf um Platz zwei Routinier Silas Kiplagat beugen, Asbel Kiprop versuchte den Spurt von hinten zu ziehen, kam aber nicht über Rang vier hinaus. Dieses Rennen war ein Sinnbild für die erfolgloseste Saison des großen Kenianers seit einer gefühlten Ewigkeit. Es überquerten noch Charles Simotwo und Vincent Kibet die Ziellinie, bis mit dem Briten Jake Wightman der erste Nicht-Kenianer folgte.
Als einziger hatte der Norweger Filip Ingebrigtsen im Verlaufe des Rennens sich in die kenianische Spitzengruppe gemogelt. Doch zum Ende der besten Saison seines Lebens mit der bronzenen Krönung im Olympiastadion von London ging dem Skandinavier im Finale das Gas aus und er belegte den zwölften und letzten Platz. Angesichts der vielen Rennen, die er in diesem Jahr erfolgreicher gestalten konnte, wird er dieses Resultat mit einigem zeitlichen Abstand problemlos akzeptieren können.
Diamond League Meeting in Zürich