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Seit Jahren motiviert der Japanische Leichtathletik-Verband (JAAF) seine Spitzenläufer im Herbst zu Teilnahmen an hochkarätigen internationalen Marathonläufen. Heuer schlug Gen Yanagihara, Manager der Trainingsgruppe, in der die vier Athleten trainieren, den Vienna City Marathon vor und dieser hat aufgrund seiner Veranstaltungsqualität den zuständigen Regionalverband überzeugt. „Dass vier Läufer aus dem Ausrichterland der diesjährigen Olympischen Spiele nach Wien kommen, zeigt auch, dass sich Wien mit dem VCM und der Austragung der INEOS-1:59-Challenge in der internationalen Laufszene etabliert hat“, stellt Athleten-Koordinator Mark Milde fest.
Den historischen Meilenstein von Eliud Kipchoge am 12. Oktober 2019 im Wiener Prater haben die vier Marathon-Begeisterten in Fernost via Livestream verfolgt und freuen sich sehr, am Sonntag den Marathon in den Straßen dieses sporthistorischen Austragungsorts zu absolvieren. „Es ist toll, in dieser schwierigen Zeit bei so einem guten, europäischen Marathon starten zu dürfen“, sagt Koki Yoshioka, der sich wie seine drei Landsleute freundlich für die Einladung bedankt hat. Gekommen sind sie aber nicht nur, um den Flair der Stadt und des Events zu genießen, sondern um möglichst schnell zu laufen. Kento Kikutani, mit einer persönlichen Bestleistung von 2:07:26 Stunden der Schnellste der vier, stellt sich vor, bei Kilometer 30 in einer guten Position in der Spitzengruppe zu liegen, um dann zu puschen und das Rennen zu gewinnen. Einen japanischen Sieger hat es bei den Männern in Wien übrigens noch nie gegeben. Auch Yuta Koyama (PB: 2:08:46), Koki Yoshioka (PB: 2:10:13) und Daiji Kawai (PB: 2:10:50) streben eine Verbesserung ihrer persönlichen Bestleistungen an. Der Manager bestätigte bei der Pressekonferenz, dass alle gut trainiert haben, um dafür in der Lage zu sein. Für einen erfrischenden Überraschungsmoment sorgte Kikutani, als er sich den Medienvertretern in gutem Deutsch vorstellte.
Wenn in den Wintermonaten in Japan die traditionsreichen Ekiden-Staffeln ausgetragen werden, wenn die besten Studentinnen und Studenten in Teamwettkämpfen auf unwahrscheinlich hohem Niveau gegeneinander antreten, passiert in Japan das, was in Österreich passiert, wenn die besten Slalomfahrer die Planei hinuntercarven. Die Nation hängt vor den Bildschirmen und – abseits von Pandemiezeiten – wird die Strecke von Zig-Tausenden gesäumt und mit Begeisterung verziert. „Das Prestige, die Tradition und Beliebtheit der Ekiden-Läufe fördert die Qualität im japanischen Laufsport enorm“, erzählt Yanagihara, der bei der Pressekonferenz auch als Übersetzer fungierte. Die Teilnahme an solchen Staffelrennen ist in Japan Teil des Bildungssystems, unzählige Schülerinnen und Schüler sowie später Studentinnen und Studenten kommen daher mit dem Laufen direkt in Kontakt. Daraus entwickelt sich eine große Anzahl von jungen Frauen und Männern, die auf sehr hohem Niveau laufen.
Es besteht eine Harmonie darin, dass das japanische Quartett jenen internationalen Marathon besucht, der a) den größten Staffelmarathon der Welt beinhaltet. Der BMW-Staffelmarathon ist hierzulande ein großer Motivationsfaktor für gemeinsame Lauferlebnisse. Und der b) mit der Initiative der Daily Mile das Laufen in die Schulen bringt.
Die Art und Weise, wie die Japanerinnen und Japaner sowohl in stimmungstechnischer Qualität als auch Quantität den Olympischen Marathonläufen von Sapporo beigewohnt haben, obwohl es offizielle Empfehlungen gab, genau dies nicht vom Streckenrand aus zu tun, war ein außergewöhnlicher Indikator für die Leidenschaft zum Laufsport in der japanischen Bevölkerung. Nicht nur, was die aktive Ausübung des Sports, sondern auch das Interesse am internationalen Spitzensport gilt. Die kleine ÖLV-Delegation rund um die beiden Olympia-Starter Peter Herzog und Lemawork Ketema und ihre Trainer berichteten begeistert von der Atmosphäre während der Wettkämpfe. Die Leistungen Kikutanis, Koyamas, Yoshiokas und Kawais werden am Sonntag also sicherlich mit großem Interesse von der Läufernation Japan verfolgt werden.
Seit einigen Jahren ist Japan der wichtigste Marathonmarkt der Welt. Jährlich finishen über eine halbe Millionen Japanerinnen und Japaner (Geschlechter-Verhältnis laut einer umfangreichen Erhebung von RunRepeat rund 17:83% – damit liegt Japan im abgesehen einer skandinavischen Länder und Marathonläufern von den britischen Inseln im europäischen Schnitt) einen Marathon und damit etwas mehr als in den USA, obwohl Japan nicht einmal halb so viele Einwohner hat. Zugrunde liegt eine erstaunliche Entwicklung: Im internationalen Vergleich sehr spät öffneten sich japanische Marathon-Veranstaltungen, früher reine Eliteevents, dem Breitensport. Mitte der 2000er-Jahre setzte ein enormer Boom ein: Binnen eines Jahrzehnts verzehnfachte sich die Anzahl japanischer Marathon-Teilnehmer pro Jahr.
Der japanische Schnitt an Marathonläuferinnen und -läufer gemessen an der Gesamtbevölkerung war laut einer statistischen Erhebung von Statista im Jahr 2015 fast viermal so groß wie der österreichische und höher als überall in Europa. Auch bei der Qualität der Leistungen im Breitensport ist Japan vorbildlich: Nur in der Schweiz und in Russland haben sich die Marathonläuferinnen und Marathonläufer im Zeitabschnitt zwischen 2008 und 2018 durchschnittlich mehr gesteigert als in Japan, wie aus der Studie von RunRepeat hervorgeht. Auch der Spitzensport überzeugt in seiner Qualität: 40 japanische Marathonläufer haben heuer bereits einen Marathon unter 2:10 Stunden erzielt, das sind mehr als aus Kenia und Äthiopien und weltweiter Spitzenwert. 2020 kamen nur aus Äthiopien mehr sub-2:10-Läufer als aus Japan (33).