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„Eine Frage der Notwendigkeit!“

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Die Definition „natürlich laufen“ gestaltet sich bei Profiläufern nach anderen Kriterien als bei uns Freizeitsportlern. Im RunUp-Interview gibt Peter Herzog Einblick in seinen Trainingsalltag, in dem viel „Unnatürliches“ natürlicher Bestandteil seines Läuferlebens geworden ist.

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Die Definition „natürlich laufen“ gestaltet sich bei Profiläufern nach anderen Kriterien als bei uns Freizeitsportlern. Im RunUp-Interview gibt Peter Herzog Einblick in seinen Trainingsalltag, in dem viel „Unnatürliches“ natürlicher Bestandteil seines Läuferlebens geworden ist.

RunUp: Wenn ich „natürlich laufe“, ist die natürliche Umgebung tatsächlich mein einziger Laufbegleiter zur klassischen, analogen Laufausrüstung. Welche technologische Ausstattung gehört für Sie aus Ihrer Definition des Laufens als Profisportler heraus zum „natürlichen Laufen“ dazu?
Peter Herzog: Mittlerweile habe ich für die Trainingssteuerung, die Kontrolle der Trainingsleistungen und das gezielte Setzen regenerativer Maßnahmen zur Beschleunigung der Erholung doch einige Tools im täglichen Einsatz. Das beginnt schon am Morgen. Ich starte mit einer Ruhepulsmessung durch ein Pulsoximeter in den Tag. Ergänzt wird das regelmäßig durch eine Harnstoffmessung. Dabei stelle ich einem Analysegerät einen Tropfen Blut zur Verfügung. Die Daten geben mir Aufschluss darüber, wie sehr meine Kohlenhydratspeicher gefüllt sind und mit welchem Energielevel ich in das Training gehe.

Die genannten Checks bereiten Sie auf Ihr Training vor. Welche Geräte begleiten Sie beim Laufen selbst und direkt danach?
Der klassische Pulsmesser und die GPS-Uhr sind tagtäglich im Einsatz. Wir sprechen hierbei ja von einem Hightech-Computer mit supertollen Analyseprogrammen im Hintergrund. Ein wichtiges Gerät zur Trainingssteuerung ist das Laktatmessgerät. Ich führe die Laktattests selbst durch und kontrolliere auf diese Weise, ob ich mich in den Trainingsbereichen weiterentwickle oder nicht. Alleine in der letztjährigen Sommervorbereitung auf den Berlin Marathon hab ich Hunderte Messungen gemacht.

Für die Regeneration nach dem Training verwende ich einen Lymphomat. Das ist eine Kunststoffhose, die an der Außenseite mit Luft gefüllt wird. Dabei werden die Kammern von unten nach oben langsam aufgeblasen und erzeugen einen relativ hohen Druck auf den Körper. Das regt die Durchblutung an und beschleunigt die muskuläre Regeneration. Außerdem setze ich regelmäßig ein Muskelstimulationsgerät ein. Einerseits bei leichten Beschwerden, etwa wenn es irgendwo in der Muskulatur zwickt, und andererseits ersetzt es regenerativ auf eine gewisse Weise eine Massage.

Können Sie ein Gerät aus dieser Aufzählung herausheben, weil es von besonderer Wichtigkeit für Sie ist?

Im Profibereich geht es darum, auf hohem Niveau an Details zu arbeiten. Daher ist das Zusammenwirken aller Möglichkeiten sehr wichtig. Wenn ich ein Tool herausheben müsste, dann ist es die klassische Pulsuhr. Ich verwende eine Garmin Forerunner 945, ein Wahnsinn, was diese Uhr alles kann – bis hin zu integrierter Musik und Koppelung mit Airpods. Ich laufe zwar selten mit Musik, weil ich mich meistens lieber auf die Natur, meine Lauftechnik und meinen Körper konzentriere. Aber die Uhr bietet so viele Möglichkeiten der Datenaufbereitung in der Trainingssteuerung und -kontrolle an, die sehr bedeutend für mich sind. Ihre Vorteile kann auch jeder Hobbysportler in seinem Training sehr gut verwenden.

Welche wesentlichen Erkenntnisse ziehen Sie aus dieser gesamten technischen Begleitung Ihres Läuferalltags, die für Sie als Profi besonders wichtig sind, für Hobby­läufer allerdings wenig relevant?

Letztendlich stellt sich die Frage der Notwendigkeit. Denn jeder Hobbyläufer hat Zugang zu den meisten Geräten, die ich verwende und damit auch zur Datenfülle. Als Profi lebe ich davon, zu versuchen, alles auszureizen, was möglich ist. Dafür ist ein Leben im hochdetaillierten Bereich notwendig. Aber es ist Vorsicht geboten, selbst einige Profiläufer neigen aus meiner Erfahrung zu Fanatismus. Durch diese Ansammlung von Daten kann man sich leicht verrückt machen. 

Als ich Hobbysportler war, habe ich mit keinen Daten und Werten gearbeitet, nicht einmal mit einem Pulsmesser. Ich habe mich nur von meinem Gefühl leiten lassen, von Lust und Laune und bin ohne Trainingsaufzeichnungen zu einer Marathonzeit von 2:21 Stunden gekommen. Wenn ich meine Karriere im Leistungssport beende und wieder Hobbyläufer sein werde, werde ich all diese Geräte, die ich jetzt im Trainingsalltag einsetze, sicher nicht mehr verwenden.

Sie betonen häufig, dass Sie sehr gerne auf Ihr Laufgefühl hören. Ist Ihre GPS-Uhr mehr eine Kontrolle für Sie oder doch mehr die leitende Funktion durch Ihr Training?

Eindeutig eher Kontrolle. Das Problem ist, dass das subjektive Körpergefühl sehr stark variiert. Bin ich gut drauf, fühle mich beim Laufen sehr wohl und es scheint alles von alleine zu gehen, dann brauche ich den Kontrollblick auf die Uhr nicht. Aber es gibt leider auch jene Tage, wo ich die Uhr am liebsten verfluche, weil trotz intensiver Anstrengung die Pace nicht stimmt, der Puls erhöht ist etc. Die Daten der Uhr sind objektiv und sie verschaffen daher eine nüchterne Kontrolle der Leistungen, unabhängig davon, ob gerade ein guter oder schlechter Tag ist. Sie ergänzen das subjektive Gefühl, das für mich per se wichtiger ist.

Verwenden Sie die App, die direkt mit Ihrer Uhr verbunden ist oder analysieren Sie Ihre Leistungen bei einem anderen Anbieter?

Beides. Garmin Connect bietet Topmöglichkeiten für Auswertungen. Ich lade meine Daten parallel noch auf Strava, verwende dieses Tool aber seit dem letzten Jahr nicht öffentlich einsehbar.

Wie viel Zeit wenden Sie zur Analyse Ihrer Trainingsleistungen über die Apps auf?

Ich schaue mir nach jeder Trainingseinheit die Trainingsaufzeichnungen auf der Uhr an. Je wichtiger die Trainingseinheit und insbesondere nach Schlüsseltrainings analysiere ich sehr präzise. Wie waren die Kilometerzeiten? In welchem Pulsbereich? Wie hat sich die Herzfrequenz entwickelt? Mit welchen Laktatmesswerten? Stimmen all diese Daten mit meinem subjektiven Gefühl überein? Und harmoniert das alles mit dem großen Ziel, das lautet, mich zu verbessern? Um sportlich weiterzukommen, folge ich einer übergeordneten Strategie, die auf Daten und Fakten aufgebaut ist.

Investiert Ihr Trainer mehr oder weniger Zeit in die Analyse Ihrer Trainingsdaten als Sie?

Vielleicht in etwa gleich viel, weil ich mich selbst intensiv damit beschäftige. Ich halte das für sehr wichtig, dass man als Profiläufer eine gewisse Selbstständigkeit beweist, indem man sich mit seinem Training auseinandersetzt. Ich trage alle wichtigen Daten manuell in eine Excel-Liste ein, um die Trainingsentwicklung über Wochen und Monate sehr gut beobachten zu können. Hier sind auch die Ziele genau definiert und ich sehe stets den Status quo meiner Entwicklung. Diese Erkenntnisse teile ich natürlich wie alle anderen Daten zu Trainingsleistungen mit meinem Trainer und der analysiert sie ebenfalls. Letztendlich profitieren wir beide von dieser Arbeitsweise, denn der Austausch zwischen uns ist hochwertiger. Je besser das Feedback des Sportlers, desto effektiver kann der Trainer die nächsten Schritte in der Trainingssteuerung setzen.

Welche Rolle spielen diese Trainingsdaten bei deiner medizinischen Betreuung?

Ärzte berufen sich nur auf ihre eigenen Daten und Aufzeichnungen. Da geht es rein um die Gesundheit. Eine sportmedizinische Untersuchung ist für mich als Profimarathonläufer kein Leistungstest, sondern eine Gesundenuntersuchung. Eine Art „Pickerl“ für die kommende Zeit. Die Daten aus der medizinischen Betreuung sind für mich nur spezifisch relevant. Zum Beispiel: Stimmt der Vitaminhaushalt? Bin ich bei den Stoffwechselparametern in der Norm? Habe ich Defizite, die mein Immunsystem gefährden? Wie hat sich der Häma­to­kritwert nach einem Höhentrainingslager verändert?

Seit den Erfolgen der heimischen Marathonläufer bei der EM in Berlin 2018 (Bronzemedaille in der Nationenwertung, Anm. d. Aut.) hat der ÖLV Investitionen für das Marathonteam getätigt, um Ihren Kollegen und Ihnen ein hochwertiges und modernes Training zu ermöglichen. Zu welchen Geräten haben Sie als Olympia-Teilnehmer exklusiven Zugang?

Wir alle werden vom ÖLV sehr gut unterstützt, auch nach individuellen Vorstellungen. Daher kann ich im Detail nur von mir sprechen: Ich persönlich profitiere extrem vom Lymphomat und von diesem kleinen Diagnostikgerät, das den Harnstoff, Creatin-Kinase und einige Blut­parameter messen kann, wofür man sonst immer zum Arzt gehen müsste. Das Wunderbare ist: Wenn ich etwas brauche oder mein Trainer und ich neue Ideen oder Vorstellungen haben, ist die Gesprächsbasis mit dem ÖLV hervorragend und wir spüren den Willen, uns bestmögliche Unterstützung zu bieten. Ein Beispiel ist das Hypoxie-Zelt, das künstliche Höhe erzeugt, womit sich ein Höhentraining simulieren lässt. Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen bedeuten diese Möglichkeiten natürlich großartige Voraussetzungen.

Autor: Thomas Kofler
Bilder: SIP | Johannes Langer

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