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Vegane Ernährung und Leistungssport – wie passt das zusammen? Mit welchen Herausforderungen haben Athlet*innen dabei zu kämpfen? Beeinflusst diese Form der Ernährung auch die sportliche Leistung? Marathonläufer Andreas Vojta, der vegan lebt, und Ernährungswissenschaftlerin Mag.a Christina Lachkovics-Budschedl haben sich im Interview mit RunUp den wichtigsten Fragen zu diesem Thema gestellt.
RunUp: Andreas, du bist Veganer, seit wann und warum?
Vojta: Ich lebe seit Mai 2018 vegan und habe mich damals aus ethischen und ökologischen Gründen dafür entschieden. Davor habe ich mich bereits knapp zwei Jahre vegetarisch ernährt, nach fortschreitender Recherche aber schnell feststellen müssen, dass vor allem Milch und Eier mit einem Ausmaß an Tierleid verbunden sind, welches nicht annähernd mit meinen moralischen Vorstellungen in Einklang zu bringen ist. Daher war für mich die einzige logische Konsequenz, tierische Produkte aus Ernährung, Kleidung, Kosmetik usw. zu verbannen.
Bedeutet diese Umstellung auch Verzicht auf Dinge, die man liebt?
Vojta: Da die Umstellung in meinem Fall aus ethischen Gründen passiert ist und ich deshalb quasi einen Schalter in meinem Kopf umgelegt habe, habe ich tierische Produkte einfach nicht mehr als Lebensmittel gesehen, wodurch auch nie das Gefühl eines Verzichts entstanden ist. Ich hätte mir sogar erwartet, dass ich ein Bedürfnis nach manchen tierischen Dingen verspüre, das ist aber eigentlich nie eingetreten. Von daher war die Umstellungsphase mit nur kleinen Anpassungen in wenigen Wochen für mich erledigt.
Hast du Vorbilder unter Leistungssportler*innen, die sich vegan ernähren?
Vojta: Ich habe gute Freunde, die sich vegan ernähren. Darunter sind auch Sportler*innen. Aber nein, für mich waren nicht einzelne Personen, sondern rein das riesige Leid der Tiere der Grund für meine Umstellung.
Frau Lachkovics-Budschedl, wie halten Sie es mit Ihrer täglichen Ernährung?
Lachkovics-Budschedl: Ich ernähre mich nach wie vor konventionell. Lege Wert auf biologisches Obst, Gemüse und Milchprodukte, Eier. Immer schon habe ich wenig Fleisch gegessen, aber es ist Bestandteil meiner Küche. Ich esse womöglich weniger Fleisch als früher, aber ich mag es ab und zu und achte dabei sehr darauf, woher es kommt.
Andreas, du bist ein Topsportler, für den richtige Ernährung eine wichtige Rolle spielt. Wie sehr beeinflusst die vegane Ernährung deine Tagesabläufe, d.h. Training, Erholung, Ernährungsgewohnheiten?
Vojta: Eigentlich gar nicht, nach der kleinen Eingewöhnungsphase von drei bis vier Wochen haben sich alle Abläufe eingespielt und ich selbst merke keinen Unterschied mehr zu der Zeit davor.
Hast du dich auch bewusst mit ernährungswissenschaftlichen Themen auseinandergesetzt?
Vojta: Ja, auf jeden Fall. Und viele davon waren auch schon davor für mich wichtig gewesen. Wie viele Leute habe ich durch den Umstieg auf eine vegane Lebensweise viele neue Themen und Lebensmittel kennengelernt. Somit wurde das Spektrum meiner Ernährung letztendlich größer und nicht kleiner. Ich kenne Christina (Lachkovics-Budschedl, Anm.) seit mehr als zehn Jahren, wir sind in ständigem Kontakt und Austausch. Bei Ernährungsfragen kann ich jederzeit Rücksprache mit ihr halten.
Lachkovics-Budschedl: Andreas praktiziert nun seit längerem eine vegane Ernährungsweise. Ich kenne ihn mittlerweile sehr gut. Er kommt seit Jahren zu mir, unter anderem zur regelmäßigen BIA-Messung, das ist die Bestimmung der Körperzusammensetzung bzw. Analyse der Zellen und des Zellwiderstandes.
Vegane Ernährung und Leistungssport – ein Widerspruch? Oder kann sich das auch gut vertragen? Wie sieht das die Expertin?
Lachkovics-Budschedl: In den meisten Fällen kann sich das vertragen. Entscheidend dafür ist das Verständnis für die Bedarfsdeckung mit Nährstoffen, die gerade in der veganen Ernährung nicht ‚selbstverständlich‘ ausreichend zugeführt werden: im Speziellen Eiweiß, Eisen und Vitamin B12. Wenn ich sage in den meisten Fällen ist es möglich, gibt es auch Fälle, wo dies aufgrund von Allergien und/oder Unverträglichkeiten schwieriger wird. Wenn ein Veganer z.B. auf Sojaprodukte allergisch reagiert, Hülsenfrüchte und Weizengluten (Seitan) nicht verträgt, dann kann es schon einmal schwierig werden.
Vojta: Das ist auf keinen Fall ein Widerspruch, eher eine gute Ergänzung. Mein Ansatz war von Haus aus, in Nährstoffen zu denken und nicht in Lebensmitteln, von dem her ist es relativ egal, ob die Basis jetzt eine pflanzliche oder mischköstliche Ernährung ist.
Frau Lachkovics-Budschedl, wie ist eigentlich die Studienlage zu diesem Thema?
Lachkovics-Budschedl: Aus der jetzigen Sicht ist die Datenlage im Leistungssport noch recht dünn. Das Thema Veganismus ist sehr ‚laut‘, auch aufgrund des Klimaschutzes, aber langfristige, wirklich aussagekräftige Studien darüber gibt es meiner Meinung nach noch nicht genügend.
Was bedeutet vegane Ernährung für Leistungs- bzw. Ausdauersportler*innen? Was ist für dabei zu beachten?
Lachkovics-Budschedl: Es wäre nicht richtig zu behaupten, dass sich Ausdauerathletinnen automatisch richtig ernähren, wenn sie vegan essen. Eine richtige Ernährung ist abhängig von Mengenverhältnissen bei Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett, ausreichender Zufuhr an Obst und Gemüse. Man kann sich vegan genauso ungesund ernähren wie bei konventioneller Ernährung. Ausdauerathlet*innen haben ebenfalls einen Eiweißbedarf von mindestens 0,8 g/kg Körpergewicht. Dabei muss bedacht werden, dass die biologische Wertigkeit von pflanzlichem Eiweiß grundsätzlich schlechter ist als von tierischem. Das bedeutet, dass das Pflanzeneiweiß nicht so genutzt werden kann wie das tierische. Es sei denn, man beabsichtigt einige Kombinationsregeln. Z.B. liegt die biologische Wertigkeit von Fleisch bei 80, das heißt, das Eiweiß kann zu 80 Prozent in körpereigenes umgebaut werden, Ei hat sogar den Wert 100. Also kann es zu 100 Prozent genutzt werden. Wenn man jedoch Bohnen mit Mais kombiniert, erhöht sich die biologische Wertigkeit dieser pflanzlichen Eiweißquellen auf ebenfalls 80 und kommt daher dem Fleisch nahe. Eine Kombination von Reis und Soja führt zu einer biologischen Wertigkeit von ca. 112, ist also sogar besser als Fleisch. Daher sollte jeder, nicht nur die Sportlerin oder der Sportler, wissen, wie sie Zutaten kombinieren, um den Körper möglichst effizient zu versorgen. Viele Veganer*innen essen tatsächlich zu wenig Eiweiß und zu viel Gemüse. Das Gemüse füllt, macht satt, aber versorgt nicht mit Energie. Gerade Ausdauerathlet*innen brauchen daher auch gute Kohlenhydratquellen, diese sind allerdings allesamt vegan, da es nur pflanzliche Kohlenhydratquellen gibt.
Vojta: Hier ist für mich nicht der springende Punkt die Art der Ernährung, sondern die Tatsache, dass ich Leistungssportler bin. Das geht natürlich mit einem erhöhten Bedarf an Energie (Kalorien) und Mikro- bzw. Makronährstoffen einher. Welche Lebensmittel man letztendlich dafür heranzieht, kann und muss jeder für sich selbst entscheiden. Veganer*innen experimentieren auch gerne. Ich sehe mich nicht als Missionar für vegane Ernährung. Ich informiere mich und andere aber gerne. Fleisch finde ich persönlich falsch.
Wie kannst du deinen Nährstoffbedarf adäquat abdecken? Musst du das Volumen der Nahrungsaufnahme manchmal deutlich erhöhen, um diesen Bedarf zu decken?
Vojta: Zugegeben habe ich meinen Bedarf bzw. meine Aufnahme nie im Detail ‚nachgemessen‘, ich kombiniere einfach alle grundlegenden Lebensmittelgruppen und steuere die Mengen nach Gefühl, sprich Hunger. Basis für meine Mahlzeiten ist immer die Kombination aus Getreide, Hülsenfrüchten und Gemüse garniert mit etwas Obst und Körnern bzw. Samen. Ob sich das Volumen bzw. die Menge im Vergleich zur Mischkost verändert hat, weiß ich ehrlicherweise nicht.
Falsche Ernährung beeinträchtigt die Leistung. Kann sich vegane Ernährung – neben einem zielgerichteten Training – auch leistungssteigernd auswirken? Wie und in welchen Bereichen?
Vojta: Wie schon erwähnt war meine Herangehensweise immer die Betrachtung der Nährstoffe und nicht die einzelner Lebensmittel. Entsprechend habe ich mir auch keine Auswirkung in positiver oder negativer Hinsicht erwartet. Subjektiv hat sich meine Regeneration in den letzten Jahren verbessert, ich erhole mich nach härteren Einheiten schneller und brauche etwas weniger Schlaf. Ob oder in welchem Ausmaß das auf die Ernährung zurückzuführen ist, kann ich nicht objektiv nachmessen, daher bin ich immer vorsichtig mit absoluten Aussagen.
Lachkovics-Budschedl: Bei dieser Frage ist immer die Ausgangssituation entscheidend. Es kann durchaus sein, dass das Bewusstsein durch eine vegane Ernährungsweise gesteigert wird, und viele ungünstige Lebensmittel wie Süßigkeiten oder Junk Food plötzlich wegfallen. Daher kann vegane Ernährung kurzfristig sehr wohl einen positiven Effekt erzielen. Allerdings sehe ich sonst keine leistungssteigernden Effekte im Vergleich zu einer konventionellen Ernährungsweise. Manchmal kommt es durch die positive Auseinandersetzung mit der Ernährung zu einer besonderen Motivation, zu einem anderen Körperbewusstsein. Daher ist der psychische Effekt bestimmt auch ein Thema. Jedoch ist es langfristig – durch Gewöhnung oder auch durch anhaltende anstrengende Auseinandersetzung damit – manchmal auch belastend.
Andreas, siehst du Einbußen oder Nachteile für dich bei dieser Form der Ernährung?
Vojta: Jede Form der Ernährung bringt Vor- und Nachteile in Bezug auf das Vorkommen von verschiedenen Nährstoffen mit sich. Der in diesem Aspekt aus meiner Sicht wichtigste Nährstoff in der pflanzlichen Ernährung ist Vitamin B12, welches supplementiert werden sollte. Ansonsten sehe ich keine pauschalen allgemeinen oder leistungssportspezifischen Nachteile. Hier ist es wohl wichtiger, individuelle Mängel und Bedarfsschwankungen regelmäßig zu kontrollieren und mit einer Spezialistin oder einem Spezialisten abzuklären.
Lachkovics-Budschedl: Ich weise auf die Eiweiß- und Energieunterversorgung hin. Und die mögliche Notwendigkeit von Supplementen. Sowohl im Kraft- als auch Ausdauersport. Man kann nicht wissen, ob Andreas durch seine vegane Ernährung besser wurde. Die endgültige Umstellung auf die alternative Ernährungsweise geschah am Ende seiner 1500-m-Phase. Ob er jetzt vielleicht sogar besser wäre, wenn er es anders gemacht hätte? Schwer zu sagen.
Ist Nahrungsergänzung ein täglicher Begleiter von Leistungssporter*innen oder sogar unumgänglich?
Lachkovics-Budschedl: Generell sicher nicht, bei veganer Ernährung womöglich. Vojta: Veganspezifisch sollte wie gesagt Vitamin B12 ergänzt werden. Das mache ich, da dieses bei den heutigen sanitären Bedingungen nicht in ausreichender Form in Lebensmitteln vorkommt. In Bezug auf den Leistungssport ergänze ich seit über 15 Jahren auch Eisen, weil ich hier wie viele Läufer einen Mangel aufweise. Ansonsten sind es bei mir in den dunklen Monaten Vitamin D und aktuell in Abstimmung mit meinem sportwissenschaftlichen Partner Die Fitmacher noch Q10, Magnesium, Zink und ein Vitamin-B-Komplex. Ich bin allerdings streng gegen eine pauschale Supplementierung. Diese sollte immer individuell auf Basis eines professionellen Blutbildes in Absprache mit Expert*innen erfolgen.
Welche leistungsrelevanten Vorteile/Nachteile hätten denn Vegetarier*innen gegenüber Veganer*innen?
Lachkovics-Budschedl: Eier, Käse und Milchprodukte sind sehr gute Eiweißquellen, Kalziumlieferanten und Energiespender. Daher hat ein Vegetarier definitiv Vorteile durch die Verwendung dieser Produkte und aus meiner Sicht keine Nachteile, weder einem Vegetarier noch einem Omnivoren gegenüber.
Welche Ernährungstipps sollten Veganer*innen bekommen, die ambitionierten Ausdauersport oder sogar Leistungssport betreiben wollen?
Lachkovics-Budschedl: Sie sollten unbedingt auf eine ausreichende und regelmäßige Eiweißzufuhr achten (auch in Kombinationen) und generell regelmäßige ausgewogene Mahlzeiten einnehmen. Und ich persönlich würde auch zu einer mindestens halbjährlichen Blutuntersuchung raten, um zu kontrollieren, ob Eisen und Co. ausreichend vorhanden sind.
Vojta: Ein Fehler, den ich vielleicht begangen habe, war, dass ich zu Beginn die tierischen Komponenten einfach durch mehr ‚Beilage‘ ersetzt habe. Hier macht es nährstofftechnisch und letztendlich wohl auch geschmacklich mehr Sinn, neue Lebensmittel bzw. größere Mengen von z.B. Hülsenfrüchten – in welcher Form auch immer – zu integrieren, um z.B. Fleisch zu kompensieren, anstatt dieses einfach mit mehr Reis oder Pasta zu ersetzen.
Hast du manchmal Lust oder Heißhunger auf Süßes? Wie gehst du damit um?
Vojta: Ich gebe es zu und es ist auch bekannt: Ich bin eine Naschkatze. Einen Tag ohne Süßigkeiten gibt es nicht bei mir. Es ist ein Klischee, dass sich die Profis zu 100 Prozent nach Plan ernähren. Ich sage, dass bei der Ernährung auf jeden Fall 80 Prozent passen müssen, bei den restlichen 20 Prozent darf auch Süßes und Junk Food dabei sein. Wir sind in Österreich gut ausgestattet bei veganen Angeboten, Manner-Schnitten zum Beispiel sind ja ein Klassiker.
Wird sich vegane Ernährung allgemein durchsetzen oder ist es nur ein vorübergehender Hype? Wie könnte eine Zukunft mit vorrangig oder rein pflanzlichen Nahrungsmitteln aussehen?
Lachkovics-Budschedl: Vegan wird sich aus meiner Sicht nicht durchsetzen. Wie schon erwähnt: Veganismus ist sehr ‚laut‘ und wird auch unterschiedlich praktiziert, nämlich oft auch nur phasenweise bzw. mahlzeitenweise, was die Ernährung betrifft. Echte Veganer*innen, die komplett vegane Ernährung leben, gibt es schon einige, aber es handelt sich nach wie vor um eine Minderheit. Vermutlich wird im Laufe der nächsten Jahrzehnte das Fleisch aus dem Labor oder das ‚Insekteneiweiß’ an Bedeutung gewinnen. Ich denke jedoch, dass Fleisch in jeglicher Form Teil unserer Nahrung bleiben wird.
Vojta: Ich denke, Veganismus und vegane Ernährung werden zunehmen. Es ist nicht nur ein Trend, sondern eine starke Bewegung. Veganismus betrifft ja nicht nur die Ernährung, es geht um eine ethische Grundeinstellung, die nicht verschwinden soll. Sie wird sich weiterentwickeln, da bin ich mir sicher. Auch weil eine tierische Ernährung nachhaltig nicht durchführbar ist.
Danke für das Gespräch!
Autor: Roland Romanik
Bild: SIP