
Newsletter Subscribe
Enter your email address below and subscribe to our newsletter
Im Duell zwischen Andreas Almgren und Dominic Lobalu ging es am Ende des Valencia 10K Ibercaja by Kiprun um ein bedeutendes Stück Laufgeschichte. Es ging mehr als um den Sieg, um den auch der Kenianer Vincent Langat, am Ende Dritter, bis zu den letzten Augenblicken des Rennens kämpfte. Der Schwede und der Schweizer wurden die ersten beiden europäischen Läufer, die jemals einen 10km-Wettkampf unter 27 Minuten absolviert haben. Doch nur einer konnte den Europarekord von Etienne Daguinos (27:04) übernehmen. Auf den letzten Metern erwies sich der 29-jährige Skandinavier, der seine Karriere als Mittelstreckenläufer begonnen hat, als der Stärkere und gewann den Wettkampf in einer Zeit von 26:53 Minuten: Europarekord!
Im in der Breite unfassbar stark besetzten Wettkampf war der beste Österreicher im Feld, Timo Hinterndorfer (DSG Wien), mehr als nur Zaungast, wenngleich der 80. Platz im Endklassement wenig spektakulär erscheint. Der 20-Jährige nutzte die beliebte Bühne „Ciudad del Running“, wie sich Valencia selbst nennt, zu einer neuen persönlichen Bestleistung von 29:02 Minuten und holte sich damit den ÖLV-U23-Rekord zurück, den er vor vier Wochen an seinen Vereinskollegen Sebastian Frey abtreten musste. „Sehr schnelle Strecke, sehr gute Bedingungen und eine tolle Gruppe, in der ich gelaufen bin und die mich auch vor dem Wind geschützt hat – rundum ein guter Wettkampf“, bilanzierte der zweifache Medaillengewinner bei Staatsmeisterschaften auf dieser Distanz.
20 Sekunden blieb der junge Wiener unter seiner bisherigen Bestleistung. Ein bisschen ärgerte er sich, dass bei seiner Leistung die „neun“ an zweiter Stelle steht und nicht die „acht“. Zum bereits fünften Mal absolvierte er einen 10km-Lauf unter 30 Minuten – in diesem Alter ist das in der heimischen Laufgeschichte noch keinem Läufer auch nur ansatzweise gelungen. Hinterndorfer hält auch den nationalen U20-Rekord (29:39) und ist nun in die Top-Ten der ewigen ÖLV-Bestenliste dieser Disziplin gesprungen.
Wichtiger war ihm jedoch die Bestätigung der guten Trainingsleistungen in einem Wettkampf, was ihm bei den Crosslauf-Europameisterschaften und beim Silvesterlauf in der Kälte von Peuerbach nicht gelungen ist. „Gute Trainingsleistungen bringen nichts, solange sie im Wettkampf nicht sichtbar sind. Daher bin ich sehr froh über diesen guten Jahresauftakt“, sagte der 20-Jährige im Gespräch mit RunUp.eu nach seiner Rückkehr nach Wien.
Nach einem Trainingsblock stehen für Hinterndorfer im Februar möglicherweise ein Start beim Monaco Run über fünf Kilometer sowie die ÖLV-Hallenstaatsmeisterschaften als Highlights auf dem Programm. Für das zweite Ziel geht der 20-Jährige auf die Suche nach passenden Hallen-Wettkämpfen zur Einstimmung.
Wie dicht das Elitefeld des immer beliebter werdenden 10km-Laufs in Valencia war, der ja nur fünf Wochen nach dem Valencia Marathon von einer anderen verantwortlichen Organisation ausgetragen wird, zeigte nicht nur die Tatsache, dass gleich 79 Läufer unter 29 Minuten blieben. Auch an der Spitze war es eng, wenngleich die globalen Topstars fehlten.
Umso spannender war daher die Jagd auf den Europarekord, der bereits im vergangenen Jahr gleich zweimal gebrochen wurde. Das Ziel ließ sich realisieren, weil das Tempo auch ohne Tempomacher in der Anfangsphase hoch genug war, um die Rampe für eine Steigerung in der zweiten Rennhälfte Richtung Europarekord zu kreieren. Der vorgesehene Pacemaker Rodrigue Kwizera musste anscheinend kurzfristig krankheitsbedingt passen.
Dominic Lobalu war bereits einmal haarscharf dran. Im Vorjahr, selbe Stelle, selbe Welle, lief er nach 27:13 Minuten ins Ziel und egalisierte den damaligen Europarekord seines Landsmanns Julien Wanders. Sieben Sekunden später lief damals Andreas Almgren über die Ziellinie.
Nur ein Jahr später liegen diese beiden Leistungen in einer sich schnell entwickelnden Disziplin auf den Positionen sieben und neun der europäischen Bestenliste. Lobalu, der im finalen Viertel des Rennens entschlossen die Initiative übernahm, steigerte sich um 19 Sekunden gegenüber dem Vorjahr, Almgren um 27 auf eine Zeit von 26:53 Minuten.
Die beiden spielten auch beim 10.000m-Lauf im Rahmen der Europameisterschaften 2024 in Rom Schlüsselrollen: Lobalu als strahlender Sieger, Almgren verpasste als Vierter Edelmetall um zwei Zehntelsekunden. Auf der Bahn ist der Europameister im 10.000m-Lauf und Olympia-Vierte im 5.000m augenscheinlich der bessere der beiden, so konnte der aus dem Südsudan stammende und in der Schweiz lebende Lobalu mit Rang zwei in einer Zeit von 26:54 Minuten bestens leben.
Doch gestern in Valencia bei herrlich blauem Himmel, etwas Wind und für mitteleuropäische Gewohnheiten fast absurde Winter-Temperaturen von rund 15°C bereits zu Rennstart um 9:30 Uhr, schlug die Stunde von Andreas Almgren. Der heute 29-Jährige stammt aus der Kleinstadt Sollentuna, einer Stadt in der Peripherie von Stockholm, die mit Kajsa Bergqvist (Hochsprung), sowie den Eishockeystars Mats Sundin und Patric Hörnqvist überraschend viele Spitzensportler hervorgebracht hat, und startete seine Karriere auf den Mittelstrecken. 2014 gelang ihm eine Besonderheit: Bei den Junioren-Weltmeisterschaften von Eugene jubelte er über Bronze im 800m-Lauf, es war damals die einzige europäische Laufmedaille bei diesen Titelkämpfen.
Ein Jahr später verpasste er bei der Hallen-EM in Prag als Vierter knapp Edelmetall. Es folgte der erste „Aufstieg“: In den folgenden Jahren wurde der 1.500m-Lauf seine Hauptdisziplin. Zwar gelang ein schwedischer Rekord, die internationalen Topergebnisse blieben aber aus. Etliche Verletzungen wegen Überbelastungen hemmten den Fortschritt, wie Almgren in einem Podcast auf der Plattform „SweatElite“ verriet. Mit der Umstellung auf Doppelschwellentraining fand er einen Ausweg aus dieser Situation und konnte gleichzeitig seine Leistungsfähigkeit steigern. Erfolgsmeldungen produzierte sein zweiter Bildungsweg: Er studierte angewandte Mathematik und arbeitet nun bei einem schwedischen Unternehmen, das sich mit KI und der Datenwissenschaft auseinandersetzt.
Gute Leistungen über 3.000m verhalfen zum Umstieg in den 5.000m-Lauf, 2022 verpasste er als Vierter in München eine EM-Medaile genauso knapp wie zwei Jahre später in Rom, dann bereits über 10.000m. Doch der Einstieg in den Straßenlauf verblüffte: 27:20 Minuten beim 10km-Debüt in Valencia, 59:23 Minuten beim Halbmarathon-Debüt einen Monat später im Februar 2024 in Barcelona, nun der Europarekord über 10 Kilometer beim erst dritten Straßenlauf seiner Karriere.
„Es ist ein unglaubliches Gefühl, ich bin einfach nur überglücklich, dass mir das heute gelungen ist. Ich hatte einen sehr guten Tag!“, freute sich der Schwede im Interview im Livestream. „Am Ende ging es im Kampf Mann gegen Mann darum, nicht zu früh Vollgas zu geben. Ich habe den richtigen Zeitpunkt erwischt.“ Mit der zweiten Rennhälfte von 13:10 Minuten blieb der 29-Jährige sogar unter dem 5km-Europarekord von Jimmy Gressier und Dominic Lobalu. Nun will er den Schwung des Ergebnisses mit in ein Trainingslager in der Sierra Nevada nehmen, um sich dort auf die Hallensaison vorbereiten, in der er den 3.000m-Lauf ins Visier nimmt. Das berichtet European Athletics.
Der neue 10km-Europarekord von Almgren, der einer durchschnittlichen Laufgeschwindigkeit von 2:41 Minuten pro Kilometer entspricht, ist ein durchaus hoch zu bewertender, schließlich liegt er als Zehnter in den Top-Ten der ewigen Bestenliste in dieser Disziplin. Der 29-Jährige rangiert in der ewigen Weltbestenliste dieser Disziplin „nur“ 27 Sekunden hinter Weltrekordhalter Rhonex Kipruto, der gegenwärtig wegen einer Dopingsperre übrigens auf der „Strafbank“ sitzt. Allerdings bewertet der Performance Score von World Athletics Almgrens schwedische Rekorde im 5.000m-Lauf von 12:50,94 Minuten, gelaufen bei den Bislett Games in Oslo 2024, sowie im 10.000m-Lauf, aufgestellt in San Juan Capistrano im März 2024, als noch besser als den neuen Europarekord im 10km-Lauf.
Ein zweiter Kontinentalrekord fiel bei den Männern – und wie! Santiago Catrofe, seit Jahren aufsteigender Athlet aus Uruguay, verbesserte nicht nur seinen eigenen, exakt ein Jahr alten Landesrekord um fast eine Minute, sondern auch den Südamerikarekord von Antonio Fabio Silio um gleich 35 Sekunden. Die bisherige Bestleistung des Argentiniers stammte aus dem fernen Jahr 1990.
Santiago Catrofe startete wie Almgren seine Karriere auf den Mittelstrecken. 2021 gewann er bei den Südamerikameisterschaften die Bronzemedaille im 1.500m-Lauf. 2022 gelang erstmals die WM-Qualifikation, immerhin schaffte er es ins Halbfinale.
Seither hat sich der 25-Jährige aber an den längeren Distanzen orientiert. Bei der WM 2023 lief er den 10.000m-Lauf, bei den Olympischen Spielen den 5.000m-Lauf. Über 5.000m und 3.000m hält er ebenfalls bereits den Südamerikarekord. Auch wenn Catrofe unter uruguayischer Flagge läuft, seine sportliche Karriere hat ausschließliche Wurzeln in Europa. Bereits als Kind zog er mit seiner Familie nach Girona in Katalonien. Somit war für ihn der Wettkampf in Valencia fast ein Heimrennen.
Valencia bezeichnet sich gerne als Stadt der nationalen Rekorde. Sie wurde auch gestern ihrem Ruf gerecht: Neben den bereits erwähnten Landesrekorden für Schweden und die Schweiz fielen der belgische, der eritreische, der britische, der spanische, der irische und der holländische, nicht aber der norwegische. Isaac Kimeli finishte in einer Zeit von 27:10 Minuten auf dem starken fünften Platz und zeigte sich in Hinblick auf die Straßenlauf-EM im April mit Ziel in seiner Heimatstadt Leuven sehr zufrieden. Unter anderem ließ er BOclassic-Sieger Telahun Bekele, der sich als Mitfavorit mit Platz sieben zufrieden geben musste, hinter sich. Neuer Landesrekordhalter für Eritrea ist Dawit Seare (27:21).
Rory Leonard, amtierender U23-Europameister im 10.000m-Lauf, verbesserte in einer Zeit von 27:38 Minuten die britische Bestleistung eines gewissen Mo Farah um acht Sekunden, Efrem Gidey lief eine Zeit von 27:43 Minuten und nahm John Treacy, Olympia-Silbermedaillengewinner im Marathon von 1984, den Landesrekord ab. Ein brisanter neuer Rekord ist der spanische durch Ilias Fifa (27:41). Der ehemalige Europameister im 5.000m-Lauf (2016) war wegen eines Dopingvergehens für vier Jahre gesperrt. Narve Gilje Nordas, der Jakob Ingebrigtsen den 10km-Rekord bereits im November in Lille abgenommen hatte, verpasste seine persönliche Bestleistung dagegen um zwei Sekunden.
Rund 15.000 angemeldete Laufbegeisterte und 13.046 Finisher*innen haben der 17. Ausgabe des jeweils zu Jahresbeginn angesetzten Valencia 10K Ibercaja by Kiprun einen neuen Teilnahmerekord beschert. Neben dem 10km-Lauf fanden auch ein kleinerer 5km-Lauf statt, bei dem mehr Läuferinnen als Läufer mitmachten, sowie am Vortag ein Kinderlauf mit rund 700 Angemeldeten.
Der prominenteste Sportler im Teilnehmerfeld war kein reiner Läufer. Alexander Yee, Olympiasieger im Triathlon, macht aber einen Abstecher in den Laufsport und trainiert auf sein Marathon-Debüt beim London Marathon hin. Den 10km-Lauf in Valencia finishte er in beeindruckenden 28:08 Minuten – nur eine halbe Minute hinter dem britischen 10km-Rekord und etwas besser als der österreichische Landesrekord von Günther Weidlinger.
Auch bei den Frauen wurde in Valencia gestern richtig schnell gelaufen. Hellen Lobun aus Kenia markierte mit einer Siegesleistung von 29:30 Minuten die sechstschnellste Zeit der Geschichte, die Äthiopierinnen Girmawit Gebrzihair (29:34), Fotyen Tesfaye (29:42) und Asayech Ayichew (29:43), zuletzt Siegerin des Great Ethiopian Run, folgten mit der acht-, zehnt- und elftschnellsten Zeit der Geschichte. Damit wurden von den Top-Ten-Zeiten im 10km-Straßenlauf sieben auf der Strecke in Valencia gelaufen und zwar alle sieben in den letzten beiden Jahren.
Der Erfolg der 25-jährigen Kenianerin über die höher einzuschätzenden Gebrzihair und Tesfay war dabei eine Riesenüberraschung. Zwar fliegt die in Japan lebende und trainierende 25-Jährige aus der europäischen Perspektive etwas unter dem Radar. Aber dass die Kenianerin bei ihrem Straßenlauf-Debüt zu einer derartig fantastischen Leistung imstande wäre, deuteten ihre Bahnleistungen im 10.000m-Lauf und 5.000m-Lauf auf japanischem Boden keinesfalls an.
Beste Europäerin war Klara Lukan auf Platz zwölf. Die Slowenin verpasste ihren Landesrekord um vier Sekunden. Kurze Zeit später fixierte Marwa Bouzayani, Olympia-Sechste im 3.000m-Hindernislauf, einen neuen tunesischen Rekord in einer Zeit von 31:17 Minuten.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © SIP / Johannes Langer