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Bereits im Alter von 31 Jahren hat der zuletzt mit vielen Verletzungsproblemen kämpfende Pierre-Ambroise Bosse seine Laufschuhe an den Nagel gehängt. Eine entsprechende Nachricht kursierte bereits an den Weihnachtsfeiertagen in den französischen Medien. Die Mitteilung kam auch insofern überraschend, weil Bosse potenziell, also im Qualifikationsfall, vor dem Höhepunkt seiner Karriere gestanden wäre: Olympische Spiele auf heimischem Territorium in Paris. „Mein Körper erlaubt es nicht“, sagte er gegenüber der französischen Sportzeitung „L’Équipe“. Ein Rückfall bei Beschwerden an der Sehne im hinteren Oberschenkel habe ihm endgültig die Freude am Spitzensport genommen. Dies sei hart zu akzeptieren, zitierte ihn die französische Presseagentur (AFP).
Ob Pierre-Ambroise Bosse, der aus der westfranzösischen Stadt Nantes stammt, das Optimum aus seiner Karriere geholt hat, mögen andere beurteilen. Der WM-Titel spricht für sich, nicht viele europäische Mittelstreckenläufer verlassen so hoch dekoriert die Bühne. Interessanterweise glänzte der spurtstarke Franzose eher auf globaler Ebene, auch Platz vier bei den Olympischen Spielen von Rio 2016 ist Zeuge einer Topleistung. Unmittelbar davor feierte er zwei Siege in der Diamond League. Auf europäischem Parkett stand Bosse stets im Schatten des Polen Adam Kszczot. Zwei Bronzemedaillen aus den Jahren 2012 und 2018 stehen in seinem Trophäenschrank, der große Coup gelang bei Europameisterschaften nie. Weder 2014 (Achter) noch 2016 (Fünfter), in jenen Jahren, als er in Topform war.
Vor einem Jahrzehnt war sich die Fachwelt jedenfalls recht einig, dass mit Bosse ein hochtalentierter Läufer die Mittelstrecken-Bühne betrat. 2011 wurde er U20-Europameister, 2023 U23-Europameister, dazwischen der Erfolg in Helsinki als 21-Jähriger. 2014 schlug beim Diamond-League-Meeting von Monaco seine erste große Stunde. Mit einem fantastischen Spurt lief der damals 22-Jährige als Zweiter über die Ziellinie und brach in einer Zeit von 1:42,53 Minuten den französischen Rekord von Mehdi Baala deutlich. Geschlagen nur um einen Hauch von Nijel Amos. Nie wieder kam Bosse in diese Regionen, seine zweitschnellste 800m-Zeit stammte aus dem Olympia-Finale von 2016, als David Rudisha von vorne zu Gold sprintete und Bosse eine Zeit von 1:43,41 Minuten nicht für eine Medaille reichte. Von den 13 besten französischen 800m-Zeiten der Geschichte hält Bosse acht, alle unter 1:44 Minuten.
Mehr als acht Leistungen unter 1:44 Minuten haben in der europäischen Leichtathletik-Geschichte übrigens nur Europarekordhalter Wilson Kipketer aus Dänemark, der russische Olympiasieger von 2004, Yuriy Borzakovskiy, der Schweizer Ex-Weltmeister André Bucher, und der zweifache 1.500m-Olympiasieger und langjährige 800m-Rekordhalter Sebastian Coe aufzuweisen – der norwegische Olympiasieger von 1996, Vebjörn Rodal kommt ebenfalls auf acht.
Das größte Rennen in der Karriere von Pierre-Ambroise Bosse war aber zweifelsohne das WM-Finale 2017 in London. Mit einer energischen Tempoverschärfung entlang der Gegengerade der zweiten Runde drängte er vor den favorisierten Afrikanern Kipyegon Bett aus Kenia und Amos aus Botswana vor der finalen Kurve an die Spitze. Er lag so weit vorne, dass ihn der bekannt starke Schlussspurt des dreifachen Europameisters Kszczot nicht mehr erreichte.
Nach diesem Überraschungserfolg erschien auch die negativste Schlagzeile seiner Karriere. In seinem Feriendominizil in Westfrankreich wurde er frühmorgends durchs offene Autofenster verprügelt und anschließend durch Schläge und Tritte schwer verletzt. Allerdings gab es auch eine Gegenklage, die den Athleten des Auslösens eines Streit bezichtigte.
Nach seinem WM-Titel, der auch deshalb so überraschend war, weil die Saison 2017 davor kurz und wenig verheißungsvoll war, konnte Bosse nicht mehr an seine stärksten Leistungen anknüpfen. Als 2022 ein Schritt nach vorne sichtbar war, stoppte ihn eine Verletzung am Oberschenkel bei einem Meeting in Nancy, der Generalprobe für die Weltmeisterschaften in Eugene, die er wie die EM in München absagen musste. Es sollte der letzte Wettkampf in der Karriere Bosses bleiben, weil die Schmerzen nicht verschwanden und der Athlet sich im Dezember 2022 für einen operativen Eingriff an der Sehnenstruktur im hinteren Oberschenkel entschied. In einem langen Interview mit der französischen Sportzeitung „L’Équipe“ erzählte er, dass die Schmerzen an der Sehne ihn bereits die gesamte Karriere seit 2014 begleiteten und er nur in der Wettkampfsaison 2016 schmerzfrei agierte. Er blickte optimistisch nach vorne, aber die Schmerzen kehrten nach der Operation zurück.