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Die Mittelstreckenstars Faith Kipyegon und Jakob Ingebrigtsen haben bei den Olympischen Spielen am Schlusstag der Leichtathletik-Bewerbe ihre jeweils zweite Chance auf eine Goldmedaille genutzt. Nachdem die Kenianerin sich über 5.000m ihrer Landsfrau Beatrice Chebet geschlagen geben musste, behauptete sie sich im 1.500m-Lauf souverän und feierte ihren dritten Olympiasieg in Serie. Jakob Ingebrigtsen verdaute den vierten Platz im 1.500m-Lauf offenbar gut und dominierte die Schlussrunde über 5.000m. Es ist sein zweiter Olympiasieg, der erste auf der längeren Strecke.
Faith Kipyegon war die Hauptprotagonistin eines unglaublichen Endlaufs über 1.500m-Lauf , in dem das halbe Feld zu persönlichen Bestleistungen stürmte und die Britin Georgia Bell mit einem neuen britischen Rekord hinter Jessica Hull als Bronzemedaillengewinnerin für die Sensation des Tages sorgte. Kipyegon jedoch landete dort, wo sie gewöhnlich landet: Olympiasiegerin 2016 in Rio, Olympiasiegerin 2021 in Tokio, Olympiasiegerin 2024 in Paris. Drei Olympia-Goldmedaillen in Folge hatte in der Leichtathletik der Frauen davor lediglich die polnische Hammerwerferin Anita Wlodarcyk und die belgische Siebenkämpferin Nafissatou Thiam, mit der dritten Goldmedaille ebenfalls in Paris, geschafft.
Diese Ausnahmeleistung wird außerdem mit den WM-Titeln 2017 in London, 2022 in Eugene und 2023 in Budapest geziert. Faith Kipyegon, selbst auch Inhaberin des Weltrekords, ist die mit Abstand erfolgreichste Mittelstreckenläuferin der Geschichte. Die US-amerikanische Plattform „Let’sRun.com“ adelte die Karriere der Kenianerin und blickt nach vorne: Möglicherweise werde es nie wieder eine so gute Mittelstreckenläuferin wie Faith Kipyegon geben. Man habe sie nach ihrem Olympiasieg in Tokio bereits als „Greatest Of All Time“ tituliert, seither habe sie ihrer eindrucksvollen Erfolgsliste schließlich drei weitere globale Titel hinzugefügt.
„Es ist eine große, große Errungenschaft. Ich habe mich sehr gefreut, hier noch einmal um die Olympische Goldmedaille kämpfen zu können und bin diesem Traum gefolgt. Es ist erstaunlich, dass ich ihn realisieren konnte. Ich bin so, so glücklich“, wird die dreifache Olympiasiegerin auf der Website der Olympischen Spiele zitiert. „Das ist Geschichte. Ich habe es geschafft, Geschichte zu schreiben. Das ist eine unglaubliche Ehre für mich!“
Der kenianische Superstar trainiert seit Jahren im Camp von Eliud Kipchoge und Trainer Patrick Sang und hat sich auch das Wording der Marathon-Legende abgeschaut. Sie spricht regelmäßig davon, mit ihren Leistungen junge Mädchen inspirieren zu wollen, auch ihren Weg in den Spitzensport zu suchen. Seit ihrem Comeback nach der zweiten Schwangerschaft, aus der sie 2019 stärker denn je zurückkam, ist sie auch eine globale Vorreiterin und starke Stimme für Mütter im Spitzensport.
Diese Stellung untermauerte sie im stimmungsvollen Stade de France, das vom ersten Schritt einen schnellen 1.500m-Lauf erlebte. Gudaf Tsegay, nach den Enttäuschungen über 5.000m und 10.000m mit ihrer dritten Chance in Paris, legte los wie die Feuerwehr, dahinter drängten sich erst die Amerikanerin Elle St. Pierre und die in dieser Saison so starke Australierin Jessica Hull vor die Topfavoritin. Nach gut einer Runde schob sich Kipyegon auf die zweite Position und ab nun hatte sie den Wettkampf unter Kontrolle. Nach 1.000m endete der Frontrun der Äthiopierin, die in der Schlussphase hoffnungslos bis auf den zwölften und letzten Platz durchgereicht wurde – sie war eine der größten Enttäuschungen der Olympischen Wettkämpfe 2024 in Paris.
Kipyegon zog durch, beschleunigte eingangs der letzten Runde merklich und verteidigte die Spitzenposition. In einer Zeit von 3:51,29 Minuten unterbot sie ihren eigenen Olympischen Rekord um fast zwei Sekunden. Ihre Schlussrunde war aufgrund des hohen Tempos verständlicherweise „nur“ 59,3 Sekunden schnell, was isoliert nicht herausragend ist, angesichts des Tempos davor (800m-Durchgangszeit von 2:03,5) aber durchaus beachtlich.
Hinter Kipyegon nahm jene Läuferin die zweite Position ein, die schon den gesamten Sommer diese Stellung inne hatte. Mit einer Zeit von 3:52,56 Minuten demonstrierte Jessica Hull, dass ihre bisherigen Wunderleistungen in dieser Saison kein Zufall waren. Die Silbermedaille ist ihre erste bei globalen Meisterschaften, dementsprechend glücklich reagierte die 27-Jährige auf diesen Erfolg.
Beinahe wäre die Australierin auf der Zielgerade noch von Georgia Bell überholt worden. Die Britin, die eigentlich ihre spitzensportliche Karriere schon beendet hatte, lief sensationell zur Bronzemedaille und steigerte in einer Zeit von 3:52,61 Minuten den britischen Rekord von Laura Muir um 1,18 Sekunden. Was aber noch beeindruckender war, war die Tatsache, dass die 30-jährige Trainingspartnerin von 800m-Olympiasiegerin Keely Hodgkinson ihre persönliche Bestleistung um gleich vier Sekunden steigerte. „Es wirkt surreal. Ich hatte am Start wirklich das Gefühl, etwas Besonderes schaffen zu können. Ich bin überglücklich mit dieser Medaille“, jubelte die Britin.
Für Bell war es insofern auch ein besonderer Auftritt, als dass sie in Paris geboren ist. „Wir sind nach England zurückgezogen, als ich zwei Jahre alt war. Also kann ich mich an meine Zeit in Paris nicht erinnern. Es ist irgendwie cool, aber es wäre cooler, wenn ich französisch sprechen würde“, sagte die 31-Jährige im Vorfeld der Spiele gegenüber dem britischen Leichtathletik-Magazin „Athletics Weekly“. Bell ist leidenschaftliche Radfahrerin und daher Duathletin, aber für die Olympischen Spiele hat sie sich temporär komplett dem Laufsport gewidmet.
Hulls Steigerung auf die Olympische Saison hin und Bells enormer Durchbruch hatten zur Folge, dass zwei renommierte Läuferinnen leer ausgingen. Diribe Welteji, im Vorjahr hinter Kipyegon WM-Zweite, lief wahrlich keinen schlechten Wettkampf. Im Gegenteil, sie verbesserte ihren „Hausrekord“ um eine Sekunde. Doch mit Platz vier setzte auch die 22-Jährige unfreiwillig die äthiopische Misere in den Tagen von Paris fort – gerade einmal vier Medaillen konnte die stolze Leichtathletik-Nation aus Ostafrika an den Wettkampftagen von Paris einheimsen.
Die zweite Geschlagene war Laura Muir, die als Fünfte von 3:53,37 Minuten, eine persönliche Bestleistung, ebenfalls nicht wirklich enttäuschte. Was aber verwunderte, war ihr Rennplan. Die 31-Jährige ordnete sich vom Start weg hinten ein, obwohl ein schnelles Rennen realistischerweise erwartbar war. Nach 800m lag die Schottin auf Platz zehn, abgeschlagen zwei Sekunden hinter der Spitze. Doch dann folgte eine beeindruckende Aufholjagd mit der mit Abstand schnellsten dritten Runde des Feldes. Bei der Glocke war Muir zwar noch immer nur Neunte, doch der Rückstand auf Kipyegon war auf unter einer Sekunde gefallen. In der Schlussrunde machte sie noch vier Positionen gut, doch zu einer Medaille wie in Tokio reichte es nicht mehr, weil die Schlussrunde nicht mehr die Extra-Qualität aufwies, die notwendig gewesen wäre.
Die Olympischen Leichtathletik-Bewerbe werden mit Ausnahme der Geh- und Marathonbewerbe im Stade de France in Saint-Denis in der Metropolregion von Paris ausgerichtet. Charakteristisch ist die in pink gehaltene Laufbahn. Die Wettbewerbe werden von einem bemerkenswerten Zuschaueraufkommen und großartiger Atmosphäre im Stadion begleitet.
Alle Ergebnisse findest du auf der offiziellen Website:
So blieben in Paris auch die US-Amerikanerinnen, die mit einem irren Trialrennen Hoffnungen nährten, ohne Edelmetall. Nikki Hiltz belegte Platz sieben, Elle St. Pierre Rang acht. Die Französin Agathe Guoillemot, die im Halbfinale unter dem Jubel der Fans einen Landesrekord von 3:56,69 Minuten gelaufen ist, wurde Neunte. Der polnische Landesrekord von Weronika Lizakowska (3:57,31), der spanische Landesrekord von Marta Perez (3:57,75) und der italienische Landesrekord von Sintayehu Vissa (3:58,11) reichten in einem denkwürdigen zweiten Halbfinallauf mit zwölf Leistungen unter vier Minuten nicht für den Finaleinzug. Durchaus kurios, dass mit Klaudia Kazimierska und Agueda Marques trotzdem eine Polin und eine Spanierin über den langsameren Halbfinallauf das Finale erreichten.
Marques schaffte dabei das Kunststück, alle vier Läufe zu bestreiten. Denn sie stieg über die Hoffnungsrunde in den Halbfinallauf auf, den sie als Sechste beendete. Endstation war dort für die einzige deutsche Starterin Nele Wessel. Große Abwesende im 1.500m-Lauf in Paris war neben Sifan Hassan, die den 1.500m-Lauf aufgrund ihres Überprogramms ausließ, Europameisterin Ciara Mageean. Die Irin, durchaus eine realistische Finalteilnehmerin, musste ihren Olympia-Auftritt aufgrund von Problemen mit der Achillessehne absagen.
Inklusive der Olympischen Spiele dreimal in Folge hat Jakob Ingebrigtsen in seiner Lieblingsdisziplin, dem 1.500m-Lauf, globales Gold verpasst, obwohl er die Disziplin Jahr für Jahr als Nummer eins anführt: 2022 bei der WM in Eugene und 2023 bei der WM in Budapest mit der Silbermedaille, 2024 bei den Olympischen Spielen sogar mit der „Blechmedaille“. In allen drei Fällen rettete der Norweger seine Ehre mit dem Sieg im 5.000m-Lauf, jener Disziplin, die er vorwiegend bei Meisterschaften läuft. Dank seiner Fähigkeiten auf der Mittelstrecke spielt er seine Überlegenheit in der Schlussphase aus, die ihn bei Meisterschaftsrennen über diese Distanz faktisch unschlagbar machen. Auch in Paris, wo der 23-Jährige vor den Augen des norwegischen Königs Harald V. seinen zweiten Olympiasieg nach Tokio 2021 im 1.500m-Lauf sicherte. Und das in großer Überlegenheit, denn mit der taktischen Renngestaltung stellte kein Kontrahent den endschnellen Norweger vor besondere Herausforderungen.
Mit einer furiosen Schlussrunde in 53,2 Sekunden nach einem nicht am Limit geführten Wettkampf war Ingebrigtsen, der von Beginn an einen sehr achtsamen Wettkampf im mit 22 Athleten überfüllten Starterfeld lief und sich in der vorletzten Runde rechtzeitig nach vorne orientierte, die klare Nummer eins. Er finishte in einer Zeit von 13:13,66 Minuten und hatte letztendlich 1,38 Sekunden Vorsprung auf den überraschenden Silbermedaillengewinner Ronald Kwemoi und 1,47 Sekunden Vorsprung auf den US-Amerikaner Grant Fisher, der nach Bronze über 10.000m ein weiteres Edelmetall holte. Größer war der Abstand bei den Olympischen Spielen zuletzt beim phänomenalen 5.000m-Sieg von Kenenisa Bekele 2008 in Peking.
Dagegen ging der beim Glockenton mit einer kräftigen Beschleunigung 200 Meter davor führende Äthiopier Hagos Gebrhiwet als Fünfter leer aus, weil er auf den letzten 200 Metern des Rennens der Konkurrenz klar unterlegen war. Mit seinem Vorstoß hatte der Äthiopier die Konkurrenz überrascht, auch Ingebrigtsen. Der Norweger benötigte einige Momente lang, um sich von der Innenbahn zu befreien, blieb aber ruhig und lief die Lücke harmonisch zu. Um sich gegen die Ingebrigtsen-Verfolger zu behaupten, fehlte dem äthiopischen Weltmeister in 5km-Straßenlauf letztendlich die Standfestigkeit.
Es war ein Exempel des äthiopischen Debakels dieser Tage. Der Weltjahresschnellste war als großer Kontrahent Ingebrigtsens angetreten. Er kitzelte den Norweger mit seiner vehementen Beschleunigung 600 Meter vor dem Ziel. Doch als der Skandinavier seine Antwort präsentierte, wurde der 30-Jährige reaktionslos durchgereicht. Noch Ende Mai hatte Gebrhiwet beim Diamond-League-Meeting in Oslo die Weltjahresbestleistung aufgestellt und war mit dieser von 12:36,73 Minuten dem Weltrekord von Joshua Cheptegei ziemlich nahe gekommen. Diese Klasse ließ er in Paris vermissen.
Die Verbandsverantwortlichen mussten sich nach einem neuerlichen Wettkampf ohne Edelmetall auch die Frage stellen, warum sie unbedingt verhindern wollten, dass Yomif Kejelcha, Zweiter der Jahresbestenliste über 5.000m, in Paris einen Doppelstart auf den Langdistanzen machte. Freilich hatte Kejelcha über 10.000m ebenfalls Edelmetall verpasst.
Die Reihe der Herausforderer Ingebrigtsens lichteten sich Tage vor dem Wettkampf, als das ugandische Team bekannt gab, dass Joshua Cheptegei und Jacob Kiplimo aufgrund der Nachwirkungen der Strapazen des 10.000m-Laufs über die halbe Distanz nicht an den Start gehen würden. Damit fehlte der Olympiasieger von Tokio (Cheptegei), dieses Vorgehen ist allerdings schon von einigen Weltmeisterschaften bekannt.
Der Kenianer Jacob Krop hatte zwar im Vorfeld angekündigt, als zweiter Kenianer der Geschichte nach John Ngugi 1988 Olympisches Gold holen zu wollen, die Kenianer konnten jedoch die gesamte Saison nicht nachweisen, in Medaillenform zu sein: Ihr Bester in der Weltjahresbestenliste ist Edwin Kurgat mit einem Hallenrennen Ende Jänner auf Platz 25!
So kam die Silbermedaille von Ronald Kwemoi überraschend. Den 28-Jährigen wähnte die Laufwelt beinahe schon in der Versenkung verschwunden, nachdem er vor zehn Jahren sie schockiert hatte. In einer Zeit von 3:28,81 Minuten lief der Kenianer im Alter von 18 Jahren beim Diamond-League-Meeting in Monaco einen heute noch gültigen Junioren-Weltrekord im 1.500m-Lauf, holte Silber bei den Commonwealth Games von Glasgow und Bronze bei den Afrikameisterschaften.
Doch das Wunderkind entwickelte sich nach der berauschenden 2014er-Saison nicht und konnte trotz einiger Erfolge in der Diamond League in den Folgejahren die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen. Platz sieben bei der WM in Doha 2019 war ein Ausreißer nach oben. Neben dem 1.500m-Lauf pflegte der in Japan lebende Kwemoi aber stets auch den 5.000m-Lauf, Langdistanzen sind im fernöstlichen Inselstaat viel beliebter als Mittelstrecken. Mit einer deutlichen Steigerung nach mageren Jahren brachte er sich in Position für die Überraschung von Paris. Es war beeindruckend, wie sich der Kenianer vor der letzten Kurve behauptete und am Ende dem recht sicheren zweiten Platz entgegen lief.
Dagegen ist die Bronzemedaille von Grant Fisher nach vielen tollen Leistungen in den vergangenen Jahren und dem dritten Platz im Olympischen 10.000m-Lauf keine Überraschung. Nach den beiden Medaillen von Paul Chelimo in Rio und Tokio ist die USA zum dritten Mal in Folge in dieser Disziplin auf dem Stockerl vertreten, weil der 27-Jährige den neben Ingebrigtsen schnellsten Endspurt an den Tag legte. Damit verbesserte sich Fisher von Platz sechs ausgangs der letzten Kurve noch auf Position drei.
Knapp leer ging 10.000m-Europameister Dominic Lobalu aus. Der in der Schweiz lebende Athlet war im Vorfeld der Olympischen Spiele Protagonist einer sportpolitischen Entscheidung. Das Internationale Olympische Komitee ließ ihn im Gegensatz zu den internationalen Leichtathletik-Verbänden nicht unter Schweizer Flagge starten, weil der aus dem Südsudan über Kenia in die Schweiz geflüchtete Lobalu die Schweizer Staatsbürgerschaft noch nicht hat (siehe RunUp.eu-Bericht). Das IOC wollte, dass er für sein prestigeträchtiges Flüchtlingsteam an den Start geht. Die Hoffnungen darauf, dass das Flüchtlingsteam damit die erste Medaille in der Leichtathletik bei Olympischen Spielen gewinnen würde, erfüllte sich um die Winzigkeit von 0,14 Sekunden nicht – Fisher war auf den letzten Metern der Bessere.
Lobalu hatte Glück, nach einem Sturz im Vorlauf ins Finalfeld aufgenommen zu werden, auch Thierry Ndikumwenayo profitierte davon. Dafür scheiterten im Vorlauf überraschend der über 10.000m so starke Franzose Jimmy Gressier und der Medaillengewinner von Tokio, Mohamed Ahmed. Auch der Schweizer Jonas Raess hatte keine Chance. Deutsche Teilnehmer waren nicht am Start, nachdem Mohamed Abdilaahi die Qualifikation nicht geschafft hatte. Er habe sich mit der Wettkampfplanung verspekuliert, meinte der 25-Jährige im Vorfeld.
Autor: Thomas Kofler
Bilder: © Dan Vernon for World Athletics / Christel Saneh for World Athletics
Stimmen: vgl. olympics.com