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Zwei Meisterleistungen im Vogelnest von Peking haben der beeindruckende Serie von Mo Farah bei Großereignissen eine spektakuläre Fortsetzung geschenkt. Der britische Leichtathletik-Held hält nun bei fünf WM-Goldmedaillen und ist seit 2011 bei Großereignissen ungeschlagen. Damit sorgte Mo Farah für einen…
Zwei Meisterleistungen im Vogelnest von Peking haben der beeindruckende Serie von Mo Farah bei Großereignissen eine spektakuläre Fortsetzung geschenkt. Der britische Leichtathletik-Held hält nun bei fünf WM-Goldmedaillen und ist seit 2011 bei Großereignissen ungeschlagen. Damit sorgte Mo Farah für einen von fünf herausragenden Höhepunkten der Laufsaison 2015.
Es war wahrlich nicht die leichteste Saison für Mo Farah, vielleicht seine schwierigste. Der ausgesprochene exzessive und ausgiebige Jubel bei seinen beiden WM-Erfolgen in Peking über 10.000m und 5.000m spiegelten das innere Gefühlsleben der Ausnahmeläufers wieder.
Mo Farah hat sich trotzig gegeben und es ist verständlich, dass der sonst so höfliche und zurückhaltende Brite seine Ellbogen ausfuhr. Die von der britischen TV-Anstalt BBC zu Sommerbeginn lancierten Doping-Anschuldigungen gegen Mo Farahs langjährigen Coach und Vater seiner Erfolge, Alberto Salazar hatten nicht nur das Nike Oregon Project vorübergehend aus den gewohnten Angeln gehoben, sondern auch den Vorzeigeläufer belastet. Wochenlang trainierte er abseits von seinem Trainer alleine in den Pyrenäen und sah sich ständig direkten und indirekten Doping-Anschuldigungen ausgesetzt. Und das obwohl die britischen Journalisten ausdrücklich hervorhoben, dass es gegen Mo Farah keinen Doping-Verdacht gäbe. Die Anschuldigungen gegen Salazar versandeten erst nach Monaten, unter dem Strich bleibt eine ergebnislose Episode, die im aktuellen Kontext der schier all gegenwärtigen Dopingmachenschaften zu Irritationen geführt hat. Der Doppel-Triumph von Peking war Mo Farahs Antwort auf all die Ungerechtigkeiten, die er im Laufe des Sommers gefühlt hat.
Bleibt die sportliche Einordnung der beiden Favoritensiege von Peking: Erstens ist es immer schwierig, binnen weniger Tage zwei Rennen auf den langen Distanzen zu gewinnen. Zahlreiche Stars vergangener Tage sind an dieser Hürde gescheitert, Farah gelang nach den Weltmeisterschaften 2013, den Olympischen Spielen 2012 und den Europameisterschaften 2010 und 2014 bereits das fünfte Doppel! Zweitens: Durch die skizzierten Probleme über die Saison ist die sportliche Antwort mehr als nur Respekt einflößend. Und drittens: Die Konkurrenz – auch wenn nicht gespickt mit großen Namen – gab alles und forderte Farah in Peking, doch der Brite saß am längeren Hebel und zeigte schlicht und einfach, wer die Nummer eins im Langstreckenlauf auf der Bahn ist. Das Dilemma der in Peking starken Kenianer: Farah will auch in Rio de Janeiro 2016 und London 2017 das Doppel holen.
Das Comeback des Jahres: David Rudisha (KEN)
David Rudisha lernte eine neue Tugend. Sein Frontrun, mit dem er alle abhängte und auf der Zielgerade das Tempo in einer unnachahmlichen Art halten konnte, ist Legende. Er kann diese Rennen nicht mehr abrufen. X-mal probiert, x-mal kochte ihn der junge Nijel Amos im Schlusssprint ab. Es schien ein Trauma zu entstehen, seit London 2012 hatte der damalige Silbermedaillengewinner aus Botswana nicht mehr gegen den großen Kenianer verloren. Die Favoritenrolle in Peking war für viele klar – nur Rudisha war nicht einverstanden und begab sich vor das taktische Reißbrett. Er entwickelte neue Strategien und testete sie vor den Weltmeisterschaften mit Luft nach oben aus. Ein Hoffnungsschimmer war da und das Duell Rudisha gegen Amos war längst nicht mehr ein Duell auf der Tartanbahn, sondern eines auf dem Schachbrett und im Kopf. Der Junge kam mit den neuen taktischen Fertigkeiten des Älteren nicht zurecht. Im WM-Halbfinale dann der Hammer: Rudisha entnervte Amos mit einem unterirdischen Tempo derartig, dass dieser die Qualifikation nicht schaffte, während der Kenianer seinen Vorlauf sichtlich locker gewann. Durch Erfolgserlebnisse mit taktischen Spielchen war das Selbstvertrauen plötzlich wieder da und Rudisha setzte sich im Finallauf die Krone auf – als „nur“ achtschnellster 800m-Läufer der Saison strahlte er vom obersten Podest.
Im Sport gibt es Wunderkinder: Der junge Usain Bolt oder Marathon-Olympiasieger Samuel Wanjiru: Sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie dank ihres außergewöhnlichen Talents und mit fabelhaften Leistungen in jungen Jahren bereits auf sich aufmerksam gemacht haben und nahtlos die Spitze bei den Senioren übernommen haben. Wunderkind ist Amel Tuka keines, seine Junioren-Leistungen blanker Durchschnitt. Spätzünder? Irgendwie auch nicht, mit 24. Ein Wundertäter? Definitiv. Denn rational ist es nicht zu erklären, warum ein fitter und gesunder Amel Tuka im vergangenen Jahr Zeiten von 1:46 oder 1:47 Minuten lief und ein Jahr später – die einzige Änderung war ein Umzug nach Verona, um besser mit seinem erfolgreichen Trainer Gianni Ghidini arbeiten zu können – vier Sekunden schneller läuft. Vom unbeachteten europäischen Mittelmaß im Eiltempo übergangslos an die Weltspitze. Beim Diamond League Debüt in Monaco sprintete Tuka mit seiner wundersamen zweiten Runde die versammelte Elite in Grund und Boden und lief in 1:42,51 Minuten die schnellste Zeit des Jahres. Seit 14 Jahren war kein Europäer mehr so schnell gelaufen. Als Höhepunkt einer surrealen Entwicklung gewann der Bosnier in Peking hinter David Rudisha und dem überragenden Polen Adam Kszczot die WM-Bronzemedaille.
Der Allrounder des Jahres: Geoffrey Kamworor (KEN)
Im Sport gibt es Momente, die dem Sportfan auf Ewigkeit in Erinnerung bleiben. Häufig sind es Momente des Erfolges: Jeder Österreicher erinnert sich an das legendäre Tor von Hans Krankl in Cordoba 1978 – oder kennt das Video und die Erzählungen davon. Noch intensiver sind meist die Erinnerungen an dramatische Ereignisse: Welcher Österreicher hat nicht die Bilder von Hermann Maiers Sturz in der Olympia-Abfahrt von 1998 vor Augen? Der US-amerikanische Lauffan wird sich besonders an einen Moment der Saison 2015 immer erinnern. Und man stelle sich vor, sollte Evan Jager die 8-Minuten-Marke in seinem Leben nie unterbieten, welch bitterer und dramatischer Nachgeschmack jener Sommerabend im Stade de France im Pariser Stadtteil Saint Denis für den 26-jährigen Amerikaner behalten würde.
Der 3.000m-Hindernislauf ist eine Disziplin, in der die kenianische Herrschaft ausgeprägt ist wie die US-amerikanische im Basketball oder die ostasiatische im Tischtennis – grenzenlos. 36mal wurde in der Geschichte dieser Disziplin die Grenze von acht Minuten unterboten. Bis auf eine einzige Ausnahme (der Marokkaner Brahim Boulami) wurden all diese Zeiten von kenianischen Läufern aufgestellt oder im Falle von Weltrekordhalter Saif Saaed Shaheen von einem Kenianer, der für den Katar an den Start ging. Bisher kam ihr der Franzose Mahiedine Mekhissi-Benabbad am nächsten. Bis zu jenem Abend in Paris, als der US-Amerikaner Evan Jager eine unglaubliche Tagesform mitbrachte. Von Beginn an dominierte Jager dieses Rennen, Jairus Birech, der bis dato nur ein Rennen nicht gewinnen konnte, hatte keine Chance. Und Jager hatte ein richtiges Pfund drauf: Persönliche Bestleisung, gebongt. Ein neuer US-Rekord war längst sonnenklar. Eine historische Zeit unter acht Minuten, als erster hellhäutiger Läufer der Geschichte, kaum mehr zu verhindern. Die Sternstunde des Evan Jager war kurz vor der Vollendung, bis das letzte Hindernis kam. Der Amerikaner sprang drüber, landete suboptimal und stürzte. Sekunden wurden zu Stunden. Er rappelte sich auf, hastete ins Ziel, wurde Zweiter hinter dem verdutzten Kenianer Birech und die Zeit stoppte bei 8:00,45 Minuten. Deutlicher neuer US-Rekord, 13.-schnellster Läufer aller Zeiten – aber die Enttäuschung über die verpasste historische Leistung war weit größer als die Freude über neue Rekorde.