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Fünf Leichtathletik-Festtage in Amsterdam

Die kommenden fünf Tage blickt Leichtathletik-Europa in die holländische Hauptstadt Amsterdam. Denn zur 23. Auflage der europäischen Kontinentalmeisterschaften betritt Europas Leichtathletik-Elite erstmals holländischen Boden und küsst das alt ehrwürdige Olympiastadion mit seiner für die Niederlande so typischen Backstein-Außenfassade wach. 88…

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© European Athletics
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Die kommenden fünf Tage blickt Leichtathletik-Europa in die holländische Hauptstadt Amsterdam. Denn zur 23. Auflage der europäischen Kontinentalmeisterschaften betritt Europas Leichtathletik-Elite erstmals holländischen Boden und küsst das alt ehrwürdige Olympiastadion mit seiner für die Niederlande so typischen Backstein-Außenfassade wach. 88 Jahre nach den Olympischen Spielen und gut zwei Jahrzehnte nach dem Auszug von Amsterdams Vorzeige-Fußballclub Ajax steht das auf Vordermann gebrachte Olympisch Stadion wieder im Fokus eines sportlichen Großereignisses. Wer sich nach den Leichtathletik-Gastspielen der vergangenen Jahre in den modernsten Arenen von London, Zürich oder Peking an einen gewissen Luxus gewöhnt hat, wird im 22.500 Zuschauer fassenden und vor 90 Jahren erbauten Olympiastadion von Amsterdam den Sport-Nostalgiker in sich wieder entdecken. Wer aus Zucker ist, muss sich gegen Regengüsse gut schützen, denn nur ein winzig kleiner Teil der Tribüne des Stadions, in dem alljährlich der Amsterdam Marathon gestartet und beendet wird, befindet sich unter dem Dach – übrigens nicht die günstigsten Plätze. Doch eines ist klar: Der Organisator und das begeisterungsfähige holländische und internationale Publikum werden den Titelkämpfen an diesem Wettkampfort eine ordentliche Portion Charme verleihen. Auch wenn nicht alle europäischen Topathleten am Start sind und einige Fragezeichen noch über der Veranstaltung schweben, Amsterdam wird ein fünfttägiges Leichtathletik-Fest bieten.

„Kleine“ EM

Seit der europäische Leichtathletik-Verband European Athletics vor einem Jahrzehnt die längst nicht unumstrittene Entscheidung getroffen hat, den Rhythmus von Leichtathletik-Europameisterschaften auf zwei Jahre zu halbieren, folgt auf „große“ Europameisterschaften eine „kleine“. Also eine, deren Programm von einer Woche auf fünf Tage komprimiert wird, in deren Rahmen keine Marathons und keine Gehbewerbe stattfinden – also insgesamt „nur“ 44 Bewerbe ausgetragen werden – und die sich immer mit den großen Fußball-Europameisterschaften um die sportmediale Aufmerksamkeit streiten müssen – von den ihre Schatten vorauswerfenden Olympischen Spielen als Saisonhöhepunkt der Leichtathletik ganz zu schweigen.

Rekordteilnehmerfeld, aber Stars fehlen

Trotz dieser Voraussetzungen nützt Amsterdam seine Chance. 1.474 Leichtathleten aus 51 Nationen sind angereist und damit so viele wie noch nie zuvor bei Leichtathletik-Europameisterschaften. „Wir sind überglücklich, das großartige Interesse der Athleten und Nationen an den diesjährigen Europameisterschaften zu sehen, die erstmals in der Niederlande ausgetragen werden. Amsterdam ist bereit, die europäische Klasse zu begrüßen“, zeigt sich EA-Präsident Svein Arne Hansen zufrieden. Die großen Leichtathletik-Nationen Großbritannien, Spanien, Ukraine, Italien, Polen und Frankreich schicken allesamt die größte EM-Delegation ihrer Geschichte, Deutschland das größte Team seit 18 Jahren und Österreich das größte EM-Team seit exakt drei Jahrzehnten.

In 44 Bewerben geht es von Mittwoch bis Sonntag um Gold, Silber und Bronze. © European Athletics
In 44 Bewerben geht es von Mittwoch bis Sonntag um Gold, Silber und Bronze. © European Athletics
Während die quantitativen Zahlen also zufriedenstellend ausfallen, kann das bei der qualitativen Dichte in der Elite nicht behauptet werden. Angesichts der anstehenden Olympischen Spiele in Rio de Janeiro verzichten einige Topstars auf die Europameisterschaften, zumal bei Kontinentalmeisterschaften traditionell das Preisgeld als zusätzliche Motivation fehlt. Der Langstreckenlauf ist verständlicherweise am ehesten betroffen, auch wenn die Halbmarathon-Starterfelder ein Gegenargument liefern. Mit Mo Farah hat sich einer der großen Stars der europäischen Leichtathletik entschieden, sich nur auf einen Saisonhöhepunkt im Sommer zu konzentrieren. Mit dieser Einschätzung ist er nicht alleine, vor allem die Briten schicke im Laufbereich nur ein B-Team nach Amsterdam. IAAF-Präsident Sebastien Coe hatte bereits nach den Hallen-Weltmeisterschaften in Portland das Desinteresse seiner Landsleute an diesem Großereignis kritisiert, was wird er da bei dieser EM sagen?

Über 800 Stunden live

Ungeachtet dessen, das mediale Interesse stimmt: TV-Anstalten aus 32 europäischen Ländern haben sich die Übertragungsrechte gesichert, alleine der pan-europäische TV-Sender Eurosport strahlt die Bilder aus Amsterdam in 54 Ländern aus. Insgesamt mehr als 900 Stunden wird über die EM in Amsterdam berichtet, davon über 800 Stunden live.

Innovative Ideen

Außerdem glänzte der Organisator im Vorfeld auch mit innovativen Ideen. Die Diskuswurf- und Speerwurfbewerbe (Qualifikationen) wurden ausgegliedert und finden am wohl beliebtesten Platz Amsterdams statt, am Museumplein, im direkten Dunstkreis des Rijksmuseums und des Van Gogh Museums, wo also Spitzensport auf spektakuläre kulturelle Schätze trifft. Der aufgrund der Olympischen Spiele fehlende Marathon wurde mit der Aufnahme der Halbmarathon-Wettbewerbe kompensiert – eine hervorragende Idee, denn Europas Langstreckenklasse nützt die Halbmarathon-EM weitgehend als willkommene Olympia-Generalprobe für den Marathon. Und als finale Krönung dürfen nicht nur nominierte Spitzensportler aus ganz Europa mitmachen, sondern Jedermann – bei einem 10km-Publikumslauf, dem Brooks 10K Championship Run, direkt nach den Halbmarathons am Sonntagmorgen. So bezieht der Veranstalter das sportliche aktive Publikum in die Veranstaltung mit ein und lässt es teil von ihr sein.

„I am clean“?

Nicht alle Ideen von European Athletics scheinen auf Anhieb gute zu sein. Nach dem Test bei den Crosslauf-Europameisterschaften im vergangenen Dezember, wo es bereits kritische Worte gab, beschloss man nun, in Amsterdam Startnummern mit der Aufschrift „I run clean“, „I jump clean“, „I throw clean“ oder „I am clean“ zu gestalten. Dabei überlässt man den Athleten selbst die Wahl, ob sie auf diese Startnummer zurückgreifen wollen, um ein Zeichen gegen den Dopingmissbrauch im Spitzensport zu setzen. „Wir wollen sauberen Athleten eine Stimme gegen, sich für die Zukunft ihres Sports einzusetzen. Wir wollen ihnen eine Plattform geben, zu zeigen, dass sauberer Spitzensport möglich ist“, erklärt Hansen.
Was in der Theorie nicht so schlecht klingt, wird in der Praxis gar nicht funktionieren. Denn natürlich werden alle Athleten diese neuen Startnummern wählen, denn ansonsten laufen sie in Gefahr, von der Aufmerksamkeit in einen Topf geworfen zu werden, der automatisierte Doping-Verdächtigungen zu befürchten hat. Andererseits ist es nicht nur aufgrund des aktuellen Kontexts absurd anzunehmen, dass in Amsterdam alle Teilnehmer sauber sind. Sprich, zahlreiche Athleten werden mit dieser Botschaft knallhart lügen – ob sie dieser Lüge während oder nach den Europameisterschaften überführt werden oder nicht spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Denn European Athletics zeichnet mit dieser Maßnahme ein unrealistisches und leider unwahres Bild. Und wenn ein Athlet oder eine Athletin, die in der Vergangenheit bereits einmal des Dopings überführt wurde, mit dieser Aufschrift antritt, kann eine gewisse Portion Zynismus nicht abgesprochen werden.

Eine EM (fast) ohne Russen

Da wir bereits beim Thema sind: Nach den Enthüllungen in den vergangenen Monaten und Jahren und der doch entschlossenen Vorgehensweise der internationalen Leichtathletik gegen das russische Dopingsystem werden die Augen auf den Anti-Doping-Kampf in Amsterdam geschärft gerichtet sein. Über 100 Blutproben und rund 200 Urinproben will European Athletics in Zusammenarbeit mit der IAAF in den Tagen von Amsterdam sammeln. Übrigens: Da der russische Leichtathletikverband von der IAAF nach wie vor suspendiert ist und European Athletics voll hinter dieser Entscheidung steht, tritt kein Athlet unter russischer Flagge an. Während Whistleblowerin Yuliya Stepanova über 800m als neutrale Athletin an den Start geht, wurden offensichtlich keine Anträge anderer russischer Athleten auf ein Startrecht als neutrale Athleten stattgegeben. Denn entsprechende Anträge dürften bei der IAAF eingegangen sein, in der Kürze der Zeit aber nicht akzeptiert. Damit ist Stepanova die einzige Russin, die bei den Kontinentalmeisterschaften in Amsterdam am Start ist.

Europameisterschaften 2016 in Amsterdam

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