
Newsletter Subscribe
Enter your email address below and subscribe to our newsletter
Mit gemischten Gefühlen blickt Julia Mayer (DSG Wien) auf ihren zweiten WM-Auftritt binnen fünf Wochen zurück – und dieser geringe Abstand seit dem WM-Marathon in Budapest ist auch eine wichtige Komponente, die die Leistung in die richtige Relation setzt. Die Österreicherin erreichte Platz 33 in einem Feld, das 70 Finisherinnen zählte, und verbuchte eine Zeit von 1:12:30 Stunden, 1:17 Minuten über ihren ÖLV-Rekord. Auf der positiven Seite der Gefühlswelt stehen die „coole Atmosphäre“ bei ihrem zweiten WM-Rennen und eine gute Anfangsphase, mit der die 30-Jährige bis zur Hälfte des Rennens auf Kurs nationaler Rekord war und teilweise in der Prognose deutlich unter 1:11 Stunden. Auf der negativen Seite der Gefühlswelt schiebt sie den fehlenden Mut, in dieser Phase die harmonische Gruppe, die in den Zeitenbereich von 1:11 Stunden und knapp darunter gelaufen ist, länger zu halten und den Wind, der den Alleingang im Finale erschwerte. Davor hatte sich Mayer kilometerlang mit der Französin Manon Trapp abgewechselt, um zumindest intervallmäßig von einem bisschen Windschatten profitieren zu können.
Ob die Rennentscheidung ein Fehler war, ist spekulativ. Mayer entschied sich, das Tempo der Gruppe anfangs der zweiten Rennhälfte nicht mitzugehen, weil sie aufgrund der kurzen Vorbereitungsphase, die auch noch den Start des auf Anfang Dezember ausgerichteten Marathonzyklus darstellte und daher kaum spezifische Einzeiten vorsah. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich dieses Tempo 21 Kilometer lang draufhabe“, erklärte Mayer. „In der kleinen Gruppe war es dann schwierig. Als ich die letzte Verpflegungsstation angesteuert habe, war ich plötzlich alleine und auf den letzten Kilometer verlor ich viel Zeit.“ Sie bezeichnet das als Erfahrungswert, aufgrund dessen sie nächstes Mal mehr Risiko nehmen möchte. „Aber mir war natürlich klar, dass es aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit nicht 100% klappen würde, so wie ich gerne einen Halbmarathon laufen möchte.“ Für mehr Mut zum Risiko wären zwei Wochen mehr Training und eine Wettkampfbelastung als Generalprobe dienlich gewesen, so Mayer.
Deshalb richtete die Niederösterreicherin ihren Fokus auch gleich in Richtung des nächsten, großen Ziels: der Valencia Marathon am 3. Dezember. „Mit der Gesamtsituation bin ich happy. Ich habe den Marathon in Budapest gut weggesteckt und fünf Wochen später einen soliden Wettkampf gelaufen. Step by step werde ich in allen Dingen routinierter und stabiler und das führt insgesamt zu mehr Ruhe.“
Auch Andreas Vojta (team2012.at) war nach seinem 42. Platz im 90-köpfigen Feld bei den Männern hin- und hergerissen in der Analyse und landete bei der Erkenntnis eines „soliden“ Wettkampfs: „Weder besonders gut, weder besonders schlecht, wenn ich es mit meiner Erwartungshaltung vergleiche.“ Er habe sich erwartungsgemäß besser gefühlt als in Kopenhagen (1:03:31) und dementsprechend auch schneller gelaufen, aber es sei neuerlich kein Halbmarathon nach Wunsch geworden, ortet der Niederösterreicher. Zehn Kilometer lang lief das Rennen recht flott, die Zwischenzeit erreichte die Gruppe um Vojta in einer Zeit von 29:35 Minuten. Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich der 34-Jährige gut und setzte sich an die Spitze der Gruppe, um den Druck aufrecht zu erhalten. Dennoch gelangen die Kilometersplits unter drei Minuten nicht mehr, auch weil der Wind durchaus als Herausforderung auftrat. „Auf der zweiten Hälfte hat mir etwas gefehlt für einen Top-Halbmarathon im niedrigen 62er-Bereich, andererseits stimmt die Relation zu einigen anderen Athleten im Feld.“ Die Zeit von 1:02:55 Stunden, Vojtas zweitbeste, ist die fünftschnellste Zeit eines österreichischen Läufers überhaupt.
Mit guter Laune landete Peter Herzog (Union Salzburg LA) heute morgen in München. Zu sehr hat die lange Leidenszeit mit Verletzungen und Problemen gedauert. „Ohne wirkliches Training“ sei er zur WM gereist und nahm die Nominierung als Motivationsfaktor. Herausgekommen ist der 50. Platz in einer Zeit von 1:03:47 Stunden, eine Leistung, die der Pinzgauer angesichts der schlechten Voraussetzungen wohlwollend zur Kenntnis nahm. „Ich war selten so zufrieden nach einem Wettkampf. Es war ein schöner Lauf, ich habe auch die Atmosphäre im Athletenhotel aufgesaugt, und hab während des Rennens gemerkt, dass es immer besser gelaufen ist. Hinten hinaus konnte ich noch auf Zug laufen, das hat endlich Spaß gemacht“, schilderte er.
Zwar spürte er nach dem Wettkampf die Beschwerden im Bereich der Hüfte, weswegen die optimistische Prognose Herzogs vorsichtig ausfiel. Am kommenden Wochenende will er bei den Österreichischen Meisterschaften im Rahmen des Salzburg_10K noch einen Wettkampf für ein positives Gefühl absolvieren. Denn die Sehnsucht nach richtigem Wettkampflaufen war bereits groß: „Was ich gestern gemerkt habe, dass ich extrem verunsichert war. Ich konnte mich nicht einschätzen, was ich drauf hätte, und daher war das Einsortieren ins Feld für mich sehr schwierig. Dass ohne besonderes Training eine 63er-Zeit herauskommt, das hat meinem Selbstvertrauen gut getan“, berichtet er.
An der Frauenspitze entwickelte sich in ein kenianischer Triumphzug mittels eines Steigerungsrennens. Nach einer für die Weltelite eher konservativen Anfangsphase, in der die führende Samantha Harrison aus Großbritannien nach fünf Kilometern nur 27 Sekunden Vorsprung auf Mayer hatte, setzte sich bald eine achtköpfige Spitzengruppe mit vier Kenianerinnen sowie je zwei Äthiopierinnen und Britinnen ab, die dritte Äthiopierin Yalemget Yaregal, erst 19 Jahre jung, war bereits zurückgefallen und sollte am Ende nur Platz 18 erreichen. Das hohe Investment der aktiven Harrison, die in Abwesenheit der beiden Deutschen Konstanze Klosterhalfen und Alina Reh beste Europäerin auf dem Papier, sollte sich nicht ganz auszahlen. Sie verlor kurz vor der Zwischenzeit bei Kilometer 15 den Anschluss an die Spitze, während ihre Landsfrau Calli Thackery dort weiter mitmischte.
Aber sukzessive Beschleunigungen machten die Angelegenheit zu einer rein afrikanischen. Nach 17 Kilometern konnte Ftaw Zeray nicht mehr mithalten, womit die äthiopische Einzelkämpferin Tsigie Gebreselama an der Spitze nun vier Kenianerinnen widerstehen musste. Das höhere Kontingent erklärte sich durch die Wildcard für Titelverteidigerin Peres Jepchirchir, die an der Zwischenzeit bei Kilometer 20 die Führung übernahm und das Tempo anzog. Sofort entstanden kleinere Lücken, Irine Kimais fiel ab. Nur Margaret Kipkemboi blieb gut im Windschatten der Marathon-Olympiasiegerin und überholte sie sogar. Ihren Wunsch nach einer Ablösung rund einen halben Kilometer vor dem Ende leistete keine Kontrahentin Abhilfe, Jepchirchir wartete bis auf den absoluten Schlussspurt und zog aus dem Windschatten vorbei, womit sie die mit viel mehr Erfahrung auf den kürzeren Distanzen ausgestattete Landsfrau düpierte.
Für Peres Jepchirchir war der Triumph in Riga in einer Zeit von 1:07:25 Stunden der erste Erfolg seit eineinhalb Jahren und damit auch eine Art Neustart, nachdem sie zwischendurch immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurde. Denn vom WM-Titel im Halbmarathon in Gdynia 2020 an war die Kenianerin zwei Jahre praktisch unschlagbar: Sie gewann den Valencia Marathon 2020, den Olympischen Marathon 2021, den New York City Marathon 2021 und den Boston Marathon 2022 in Serie. Dann musste sie den New York City Marathon, zu dem sie heuer in ein spannendes Elitefeld der Frauen zurückkehren wird, auslassen und belegte beim London Marathon 2023, ihr bisher einziger Wettkampf des Jahres, Platz drei.
Da Jepchirchir, die vier Tage vor ihrem Sieg ihren 30. Geburtstag gefeiert hat, auch bereits 2016 Halbmarathon-Weltmeisterin war, hat sie mit drei Titeln in dieser Disziplin nun genau so viele wie die Laufgrößen und Rekordchampions Tegla Loroupe, Paula Radcliffe und Lornah Kiplagat. Überragt wird das nur bei den Männern durch Zersenay Tadese, der gleich fünfmal Halbmarathon-Weltmeister war, wobei diese Titelkämpfe früher jährlich ausgetragen wurden und seit 2010 im zweijährigen Rhythmus. World Athletics will nach der nächsten Ausgabe 2025 in San Diego wieder zum jährlichen Rhythmus zurückkehren. Da World Athletics Jepchirchirs Siegerleistung als Meisterschaftsrekord auszeichnet, beginnt durch die Premiere der Straßenlauf-WM offenbar eine neue Ära, da Jepchirchir bei ihrem WM-Titel 2020, bis heute „Women’s Only“-Weltrekord, um über zwei Minuten schneller war.
Für Margaret Kipkemboi, die sich um eine Sekunde geschlagen geben musste, war es die dritte WM-Medaille nach Silber im 5.000m-Lauf (2019) und Bronze im 10.000m-Lauf (2023), in Budapest scheiterte sie als Vierte über 5.000m nur knapp an Edelmetall. Für die 20-jährige Reline war die Bronzemedaille in einer Zeit von 1:07:34 Stunden dagegen eine Premiere und der größte Erfolg ihrer bisherigen Karriere.
Zuletzt gelang Kenia der „Sweep“ auch in den Jahren 2014 und 2016. Äthiopien ging mit dem vierten Platz für Gebreselama damit erstmals seit 2016 leer aus, bei den letzten acht Weltmeisterschaften ging die Goldmedaille sechsmal an Kenia und zweimal an Äthiopien. Beste Europäerin wurde die Britin Thackery in einer persönlichen Bestleistung von 1:08:56 Stunden, auch ihre Landsfrau Harrison erreichte ihr Ziel einer Top-Ten-Platzierung als Neunte.
Auch im Rennen der Männer gab es einen Dreifachsieg für Kenia durch Sebastian Sawe in einer Zeit von 59:10 Minuten, Daniel Ebenyo (59:14) und VCM-Sieger Samwel Mailu (59:19). Das ist ein historisches Abschneiden, denn einen „Sweep“ gab es bei den Männern bisher erst zweimal, 1995 und 1997, ebenfalls durch Kenia. Nachdem bei der Zwischenzeit bei Kilometer 15 noch 13 Läufer in einem taktisch geführten, aber keineswegs langsamen Rennen an der Spitze lagen, verlief das letzte Rennviertel ganz nach dem Geschmack der Kenianer, die nun die schnellste Rennphase diktierten. Als erster attackierte Ebenyo, der einen 5km-Split von 13:33 Minuten zwischen der Zwischenzeit bei Kilometer 15 und jener bei Kilometer hinlegte und mit vier Sekunden Vorsprung auf seinen Landsmann Sawe ins Finale ging. Doch dieser brillierte mit einem irren Finish in 2:56 Minuten für die letzten knapp 1,1 Kilometer und drehte das Blatt noch, die Siegerzeit von 59:10 Minuten ist eine der schnellsten bei Weltmeisterschaften über die Halbmarathon-Distanz überhaupt, die bisher beste lief der abwesende Titelverteidiger Jakob Kiplimo vor drei Jahren.
Wie bei den Frauen schauten die Äthiopier durch die Finger: Jemal Yimer kam drei Sekunden hinter Mailu ins Ziel und wurde Vierter, Nibret Melak und Tsegay Kidanu konnten als Siebte und Zehnte nie wirklich in den Kampf um die Medaillen eingreifen. Eine der hochwertigsten Einzelleistungen des Tages gelang Jimmy Gressier, der zum zweiten Mal unter einer Stunde lief und in einer Zeit von 59:46 Minuten eine neue persönliche Bestleistung markierte. Der 26-Jährige lief munter und mutig in der Spitzengruppe mit und hielt sich auch nach der Attacke der Kenianer in der Verfolgergruppe gut. Mit dem zweitschnellsten Teilabschnitt ab Kilometer 20 hinter dem neuen Weltmeister schnappte er sich noch den Südafrikaner Thabang Mosiako für Position fünf – als mit Abstand bster Europäer. Der nächste Europäer im Ziel war 1:20 Minuten später der Italiener Pietro Riva, weitere Europäer schafften es nicht in die Top-20.
Während Davor Aaron Bienenfeld auf Position 32 über eine persönliche Bestleistung von 1:01:49 Stunden jubeln konnte, erwischte Marathon-Europameister Richard Ringer einen verbrauchten Tag und brauchte fast eine Minute länger als sein deutscher Landsmann.
Gold: Peres Jepchirchir (Kenia) 1:07:25 Stunden
Silber: Margaret Kipkemboi (Kenia) 1:07:26 Stunden
Bronze: Catherine Reline (Kenia) 1:07:34 Stunden
Gold: Sebastian Sawe (Kenia) 59:10 Minuten
Silber: Daniel Ebenyo (Kenia) 59:14 Minuten
Bronze: Samwel Mailu (Kenia) 59:19 Minuten *
* neue persönliche Bestleistung