
Newsletter Subscribe
Enter your email address below and subscribe to our newsletter
Wer symbolische Eindrücke für kollektive Freude sammeln wollte, war in der Livestream-Übertragung des Valencia Halbmarathon in der Zeitspanne der ersten Zielankunft und in den vielen Minuten danach genau richtig. Denn die idealen Laufbedingungen auf der bekannt schnellen Halbmarathonstrecke in der selbst ernannten „Ciudad del Running“ förderten Höchstleistungen und bemerkenswerte Laufzeiten fast allerseits, was sich in kollektiv positiven Emotionen ausdrückte. Die Gute-Laune-Parade begann schon mit dem spannenden Kampf um den Sieg, den Kibiwott Kandie gegen seine Adidas-Rivalen Yomif Kejelcha, Hagos Gebrhiwet und Selemon Barega knapp gewann. Doch weil alle im Dunstkreis der Weltrekordzeit von Jacob Kiplimo (57:31) und der Streckenrekordzeit von Kandie (57:32) liefen, war nicht nur der kenianische Sieger, sondern irgendwie alle glücklich.
Auch wenn Kejelcha als einziger nicht gleich in die herzlichen Handschläge einschlug und sich wohl auch in einer leichten Enttäuschung über Platz zwei eine Minute auf dem Boden hockend Zeit nahm. Die deutliche Verbesserung seines eigenen äthiopischen Rekordes aus dem Vorjahr um sage und schreibe 51 Sekunden auf eine Zeit von 57:41 Minuten tröstete. Damals wie gestern war Kibiwott Kandie besser, dieses Mal um eine Sekunde. 57:40 Minuten das ist die viertschnellste Halbmarathonzeit der Geschichte. Was aber frappierend ist: Von den Top-15-Zeiten der Halbmarathon-Historie wurden nur drei (!) nicht in Valencia gelaufen, darunter der Weltrekord von Jacob Kiplimo (Lissabon 2021). „Wir haben eine der interessantesten und in sportlicher Hichsicht die beste Ausgabe der letzten Zeit erlebt“, schwärmte Renndirektor Paco Borao.
Obwohl die nach wenigen Kilometern gleich entmachteten Tempomacher bei idealen Laufbedinungen mit Temperaturen im allerniedrigsten zweistelligen Bereich und für eine Hafenstadt praktische Windstille, dazu die schnelle Strecke mit den großzügigen und langen Geraden, keine große Rolle spielten, entwickelte sich bei den Männern wie erhofft ein pfeilschnelles Rennen. In der ersten Rennhälfte spielte insbesondere Kibiwott Kandie, nach einer Verletzung im Sommer wieder erstarkt, die kraftvolle Lokomotive an der Spitze der Gruppe. Bereits zu diesem Zeitpunkt konnte mit Sebastian Sawe, einer der erfolgreichsten Halbmarathonläufer der letzten Zeit und daher nicht überraschend frisch gebackener Weltmeister, nicht mit der Spitze mitgehen, ein Qualitätsmerkmal für das Quartett.
In der zweiten Rennhälfte übernahm immer mal wieder auch Yomif Kejelcha das Ruder. Seine äthiopischen Landsleute Hagos Gebrhiwet und Selemon Barega, wie Kejelcha in der Bahnsaison des Sommers zuhause, liefen im Windschatten hinter den beiden. Ein Tempo von unter 2:44 Minuten pro Kilometer führte zu sagenhaften Zwischenzeiten von 13:42 Minuten nach fünf, 27:13 Minuten nach zehn bzw. 40:59 Minuten nach 15 Kilometern. Zu diesem Zeitpunkt war der Weltrekord von Jacob Kiplimo absolut in Reichweite. Am Ende sollten nur neun Sekunden zu dieser historischen Marke fehlen, das Hochspannende des Wettkampfs war aber der Kampf um den Sieg. Erst ein Rennen bisher sah vier Halbmarathonleistungen unter 58 Minuten, nämlich der Valencia Halbmarathon im Pandemie-Hauptjahr 2020. Drei Jahre später wurde diese Bestleistung egalisiert. 57:40 Minuten für Kandie, 57:41 für Kejelcha und Gebrhiwet, der sich in seinem vierten Halbmarathon um über eine Minute steigerte, sowie 57:50 Minuten für Barega, der in seinem zweiten Halbmarathon erstmals unter einer Stunde blieb.
Barega konnte nach rund 18 Kilometern als Erster das Tempo vorne nicht ganz halten und verlor einige Meter. Gut zwei Minuten später büßte auch Kandie den Kontakt leicht ein, Kejelcha sah sich händeringend zu Gebrhiwet um, dem er im Duell um den 5km-WM-Titel in Riga unterlegen war. Doch der 29-Jährige konnte offensichtlich seinem Landsmann in der Tempoarbeit nicht helfen und auch der 26-jährige Kejelcha schien am Limit. So gelang keine Verschärfung im strategisch günstigen Moment, Kandie gesellte sich zurück ins Trio und auch Barega holte einige Sekunden auf.
In der Schlussphase war es dann der Kenianer, der aus der letzten, leichten Kurve des Rennens beschleunigte und mit einem langen Spurt seine äthiopischen Rivalen übertrumpfte. „Ich hatte den Weltrekord nicht im Fokus und hab damit alle meine Ziele erreicht. Nun werde ich noch härter arbeiten. Im Dezember komme ich zurück und werde im Marathon mein Bestes geben“, kündigte der 27-Jährige an. Am ehesten konnte noch Kejelcha entlang der Zielgerade gegen halten. Die Zielankunft zählte gleich die fünf schnellsten Halbmarathonzeiten des Jahres – die bisherige Weltjahresbestzeit hatte Daniel Mateiko mit seinem Sieg beim Aintrim Coast Halbmarathon in 58:36 Minuten gehalten.
Nicht nur die Top-Vier bestachten, auch dahinter wurden tolle Zeiten und etliche persönliche Bestleistungen erzielt. Bei seinem Halbmarathon-Debüt wurde der Dritte bei den Weltmeisterschaften im 5km-Straßenlauf, Nicholas Kipkorir in einer Zeit von 59:06 Minuten Achter. Zwar steigerte der Valencia Halbmarathon in der Dichte nur wenige Rekorde, aus dem einfachen Grund, dass hier bereits mehrere in der Dichte überragende Halbmarathonläufe stattgefunden haben. Aber niemals zuvor musste man für einen zehnten Platz bei einem Halbmarathon so schnell laufen wie Weldon Langat in 59:22 Minuten am gestrigen Sonntag.
Bisher stand der Rekord der meisten sub-1-Stunden-Leistungen in einem Rennen bei 15, aufgestellt beim Kopenhagen Halbmarathon 2022. Auch Valencia 2023 verbuchte 15 Zeiten unter einer Stunde, freilich in höherer Qualität. Darunter fielen auch drei europäische Leistungen, die verblüfften. Carlos Mayo, ehemaliger U23-Europameister im 10.000m-Lauf, jeweils 13. bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften in dieser Disziplin, blieb bei seinem dritten Halbmarathon erstmals unter einer Stunde. Als 13. des Endergebnisses gelang ihm ein Coup: In einer Zeit von 59:39 Minuten blieb er 13 Sekunden unter dem 22 Jahre alten spanischen Rekord von Fabian Roncero, der erste Europäer, der jemals unter einer Stunde geblieben ist. „Ich jage diesem Rekord schön seit längerem hinterher. Endlich kann ich die Früchte meiner Arbeit ernten“, meinte der Spanier. Nur eines störte an Mayos Auftritt: Warum Paco Borao und weitere Mitfeiernde sich mit dem 28-Jährigen zum offiziellen Foto zum spanischen Rekord just in dem Moment aufstellten, als auf der Zielgerade der Kampf um den Sieg im Frauenrennen tobte, bleibt ihr Geheimnis – dem Athlet sei kein Vorwurf gemacht.
Mayo ist nun die Nummer vier der ewigen Bestenliste Europas hinter Julien Wanders, Yemaneberhan Crippa und Mo Farah. Seine Leistung erhöht die Spannung vor seinem Marathon-Debüt an gleicher Stelle in sechs Wochen. Gemeinsam mit Morhad Amdouni seit gestern Nummer fünf ist Samuel Barata, der im Windschatten von Mayo den portugiesischen Rekord von Luis Jesus aus dem Jahr 1997 um 1:16 Minuten steigerte. Barata lief eine Zeit von 59:40 Minuten, angetreten war er mit der bei der WM in Riga erzielten Bestleistung von 1:01:29 Stunden. Dritter Europäer in einem Trio, das unter der Leitung von Mayo die gesamte Distanz gemeinsam absolvierte, war der Italiener Pietro Riva, dem eine Bestleistung um 49 Sekunden zu einer Zeit von 59:41 Minuten führte – Rang zwei in der ewigen italienischen Bestenliste. Im Vorfeld hatte der 26-jährige EM-Fünfte im 10.000m-Lauf, Schützling von Marathon-Olympiasieger Stefano Baldini, einen Angriff auf eine neue Bestleistung und Mut zum Risiko angekündigt. Nach dem Rennen wird auf der Website des italienischen Verbandes (FIDAL) zitiert: „Ich habe eine starke Leistung erwartet und gehofft, unter einer Stunde zu bleiben. Vielleicht hab ich eine so schnelle Zeit nicht erwartet. Ich bin sehr glücklich, wie ich das Rennen mit dem hohen Rhythmus in unserer Gruppe gelaufen bin.“ Nach einigen Tagen Saisonpause beginnt für Riva die Vorbereitung auf die EM in Rom, wo er über 10.000m um die Medaillen laufen will.
In der Geschichte sind nun 646 Halbmarathon-Leistungen unter einer Stunde auf einem den Regularien entsprechenden Kurs verbucht, mittlerweile 16 stammen von Läufern aus europäischen Mitgliedsverbänden.
Angesichts der Qualität im Männerrennen drohte das Frauenrennen etwas im Schatten verdrängt zu werden, doch auch den besten Läuferinnen des gestrigen Rennens gelangen Spitzenleistungen. Margaret Kipkemboi erzielte mit ihrer persönlichen Bestleistung von 1:04:46 Stunden die zweitschnellste Siegerzeit der Veranstaltungsgeschichte nach dem irren Weltrekord von Letesenbet Gidey im Jahr 2021 (1:02:52), der vorher und seither bei weitem unerreicht bleibt. Die 30-jährige Kenianerin war im Finale die beste aus einem Quartett, das in einer anfänglich größeren und später kleineren Männergruppe optimalen Unterschlupf für ein konstantes, hochwertiges Tempo bekam. Siegerin Kipkemboi absolvierte den Halbmarathon in 3:04 Minuten pro Kilometer und wurde im Verlauf der Rennens tendenziell schneller. Es war der zweite Halbmarathonsieg der Kenianerin nach jenem von Barcelona 2022.
Platz zwei ging an Irine Cheptai, die erstmals unter 1:05 Stunden blieb (1:04:53). Es sind die Leistungen Nummer 21 und 22 der Geschichte unter 1:05 Stunden, die Leistungen Nummer drei und vier im laufenden Kalenderjahr. Kipkemboi teilt sich nun Rang fünf der ewigen kenianischen Bestenliste mit Joyciline Jepkosgei, Cheptai ist vor Mary Keitany Neunte. Den kenianischen Dreifachsieg komplettierte Janet Chepngetich mit einer deutlichen persönlichen Bestleistung von 1:05:15 Stunden, beste Äthiopierin wurde die ehemalige Marathon-Weltmeisterin Gotytom Gebreslase in 1:06:12 Stunden.
Starke Leistungen gab es auch für den europäischen Laufsport. Melat Kejeta zeigte sich nicht einmal zwei Monate nach dem WM-Marathon in Budapest in guter Form und erreichte eine Zeit von 1:06:25 Stunden, die zweitbeste ihrer Karriere im Halbmarathon. Damit gelang der Deutschen ein guter Formtest vor dem Valencia Marathon, wo sie das Olympia-Limit unter Dach und Fach bringen und sich beste Karten im Kampf um die Nominierungsplätze innerhalb des DLV sichern will. Hinter der sechsplatzierten Kejeta lief Samantha Harrison aus Großbritannien über die Ziellinie, die sich um sieben Sekunden auf eine Zeit von 1:07:10 Stunden verbesserte.
Einen neuen spanischen Rekord markierte die elftplatzierte Laura Luengo, die in einer Zeit von 1:09:41 Stunden zehn Sekunden unter der fünf Jahre alten Bestmarke der äthiopisch-stämmigen Trihas Gebre blieb. „Ich wusste, dass ich einen Halbmarathon ziemlich schnell laufen kann. Aber ich habe nie an den Rekord gedacht“, zeigte sie sich überrascht. Die 26-Jährige lieferte in den letzten Jahren mehrere gute Leistungen im Straßenlauf ab, ihre Bahnleistungen dagegen hatten nie die große Qualität. Die spanische Sensation des Rennens war Luengo trotz des Rekords nicht. Esther Navarrete lief mit gelinderen Vorzeichen bei ihrem ersten ernsthaften Halbmarathon zu einer Zeit von 1:09:58 Stunden, Rang drei der ewigen spanischen Bestenliste. Aus europäischer Sicht noch nennenswert: Die Schwedin Carolina Wikström schob sich in 1:09:39 Stunden auf Rang zwei der ewigen schwedischen Bestenliste.
Für eine weitere europäische Spitzenleistung der etwas anderen Art sorgte Rosa Mota, 1988 in Seoul Olympiasiegerin im Marathon und außerdem Marathon-Weltmeisterin von 1987. Sie finishte den Halbmarathon in einer Zeit von 1:26:13 Stunden und stellte damit einen neuen Masters-Weltrekord für die Altersklasse W65 auf – drei Sekunden schneller als vor drei Wochen.
Über 19.400 Läuferinnen und Läufer finishten laut Veranstalterangaben die 32. Ausgabe des Valencia Halbmarathons und überboten damit die Finisheranzahl aus dem letzten Jahr um gut 2.000 Aktive. Damit feierte die Veranstaltung nicht nur einen hausinternen Teilnehmerrekord, sondern für einen Halbmarathon auf spanischem Boden insgesamt. Österreichische Topläuferinnen und Topläufer waren keine am Start, Nada Ina Pauer (SVS Leichtathletik) musste ihr geplantes Antreten aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen. 56 österreichische Läuferinnen und Läufer fielen in die Wertung des Valencia Halbmarathon 2023.
Männer
Frauen
* neuer äthiopischer Halbmarathonrekord
** neue persönliche Bestleistung
*** Halbmarathon-Debüt
**** neuer spanischer Halbmarathonrekrod
***** neuer portugiesischer Halbmarathonrekord