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Gold in Paris – Keely Hodgkinson am Ziel

Nach drei Silbermedaillen auf globaler Ebene krönte sich Keely Hodgkinson in Paris zur Olympiasiegerin im 800m-Lauf. Der Konkurrenz ließ die Britin mit einem Klasserennen keine Chance.
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Dreimal gewann Keely Hodgkinson die Silbermedaille: bei den Olympischen Spielen 2021, bei den Weltmeisterschaften 2022 und 2023. Im Stade de France schlug gestern ihre Stunde. Die 22-jährige Engländerin diktierte den Finallauf über 800m und krönte sich zur ersten britischen Olympiasiegerin auf einer Mittelstrecke seit Kelly Holmes 2004 in Athen. In Abwesenheit von Athing Mu ging das Duell um Gold mit Weltmeisterin Mary Moraa klar an Hodgkinson.

Die Krone auf ihrem Kopf während der Ehrenrunde hatte für den britischen Mittelstreckenstar symbolische Hochbedeutung. Die Metapher passte perfekt: Der Olympiasieg in Paris ist die vorläufige Krönung der sportlichen Karriere des Ausnahmetalents, das aus der Pandemie heraus mit einem gewaltigen Leistungssprung in die Weltklasse gestürmt ist. „Ich habe so hart für diesen Erfolg gearbeitet. Ich bin superhappy und so motiviert, jetzt zu feiern. Das Publikum war fantastisch, es hat sich wie ein Heimspiel angefühlt, weil so viele britische Fans im Stadion waren“, gab die Olympiasiegerin in der Stunde ihres größten Erfolgs zu Protokoll.

Große Emotionen

Nachdem sie mit einer taktischen Meisterleistung die zweite Runde des Endlaufs vorbereitet, diese folglich dominiert hatte und in einer Zeit von 1:56,72 Minuten als Siegerin über die Ziellinie gelaufen ist, traten ihr Tränen in die Augen. Sie ging kurz in sich, einen Moment lang wirkte sie im Augenblick verloren, ehe die erste innige Umarmung am untersten Rand der Tribune die Emotionen kurz kaschierte. Dann nahm sie die britische Flagge und hüpfte wie ein junges Reh die Laufbahn entlang zur Ehrenrunde. Die Anstrengungen des 800m-Finals waren wie verflogen.

Ultimatives Ziel

Erst vor einigen Wochen erzählte Hodgkinson im „High Performance Podcast“ in welches Loch sie nach den Olympischen Spielen 2021 gefallen war. Als Shootingstar war sie schnell in die Weltklasse aufgestiegen und fand nur in der Amerikanerin Athing Mu eine noch Bessere. Die Größe und Bedeutung der Spiele, gepaart mit den Einschränkungen und der Emotionslosigkeit der Pandemie waren viel für die 19-Jährige. Auch, wie knapp sie an Gold dran war. Doch der Wunsch, einmal ganz oben zu stehen, wurde von den Erlebnissen von Tokio nur angefeuert. Von der hauchdünnen Niederlage bei der WM 2022 in Eugene gegen Mu sicherlich auch.

Dass die US-Amerikanerin bei den Trials unglücklich stürzte und daher die Olympischen Spiele verpasste, erleichterte die Aufgabe. Es ist keinesfalls gewiss, dass Mu Hodgkinson in Paris geschlagen hätte. In Budapest lief sie hinter der Engländerin als WM-Dritte ins Ziel, seit Saisonbeginn fehlt jegliche Leistung auf Weltklasseniveau, während Hodgkinson vor den Spielen in London die schnellste Zeit einer Europäerin seit über 40 Jahren auf die Bahn zauberte.

Ergebnis Olympisches 800m-Finale der Frauen, Paris 2024
Gold: Keely Hodgkinson (Großbritannien) 1:56,72 Minuten
Silber: Tsige Duguma (Äthiopien) 1:57,15 Minuten (persönliche Bestleistung)
Bronze: Mary Moraa (Kenia) 1:57,42 Minuten

 
4. Shafique Maloney (St. Vincent und die Grenadinen) 1:57,66 Minuten
5. Renelle Lamote (Frankreich) 1:58,19 Minuten
6. Worknesh Mesele (Äthiopien) 1:58,28 Minuten
7. Juliette Whittaker (USA) 1:58,50 Minuten
8. Prudence Sekgodiso (Südafrika) 1:58,79 Minuten

Endlich Gold

Die Erleichterung bei der 22-Jährigen war enorm. Im Interview mit Eurosport am heutigen Morgen gestand sie, noch nie in ihrer Karriere so viel Druck verspürt zu haben wir vor den Spielen: „Um ehrlich zu sein, es war extrem hart.“ Umso genugtuender mag der Erfolg gewesen sein, Jubelarien gab es in den britischen Medien trotzdem keine. Die Erwartungshaltung hatte kein anderes Ergebnis vorgesehen.

„Gold, endlich!“, eröffnete das britische Leichtathletik-Magazin „Athletics Weekly“ seinen Online-Bericht. Das hatte Doppeldeutung, erstens für die Karriere Hodgkinson und zweitens war es das erste britische Leichtathletik-Gold in den Tagen von Paris. Die Tageszeitung „The Guardian“ interviewte heute Hodgkinsons Trainer Trevor Painter und fokussierte sich auf den Blick nach vorne. Hodkginson würde ein paar Tage Urlaub in Spanien mit der Familie machen und sich dann auf das Diamond-League-Finale vorbereiten. Dort soll dem Weltrekord ein Stück näher gerückt werden: „Keely kann am Punkt X liefern. Sie weiß, dass sie 1:53 laufen kann. Der Weltrekord liegt bei 1:53-tief, vielleicht wird es noch ein paar Jahre dauern, bis wir dort sind.“ Olympia-Gold als Durchgangsstation, so mag man fast interpretieren.

Moraa mit Extrameter

Im Stade de France war alles ausgerichtet auf das Duell Keely Hodgkinson gegen Mary Moraa. Britische Beobachter und Medien hatten im Vorfeld von multiplen Medaillen geträumt, doch Jemma Reekie scheiterte überraschend im Halbfinale. Und auch das 17-jährige Supertalent Phoebe Gill konnte das Finale nicht erreichen. Der dritte Pfeil aber stach nach einem Rennverlauf, der überraschte, weil die erste Runde nicht superschnell war. „Man hat gemerkt: Nach Vor- und Halbfinalläufen waren einige ein bisschen müde“, meinte Hodgkinson nachher. Sie selbst entschied sich auch gegen eine rasante Startrunde. Sie ordnete sich nach 150 Metern bedächtig ins vordere Feld, nachdem Tsige Duguma von der Außenbahn ziemlich radikal nach innen schnitt, um mit enormem Speed gleich in Führung zu gehen.

Hodgkinson lag vorne, als nach 58,4 Sekunden die erste Runde zu Ende war. Bühne für einen untypischen, negativen Split. Denn nun beschleunigte die Engländerin. Ihre Hauptkontrahentin Mary Moraa hing ihr an der rechten Schulter. Die Kenianer muss sich die Frage stellen, warum sie fast drei Viertel des Wettkampfs seitlich versetzt Richter Hodgkinson lief. Nicht, dass das aus Prinzip falsch wäre. Aber sie tat das so, dass sie in den Kurven einen längeren Weg absolvieren musste. Als die Kenianerin knapp hinter (seitlich) Hodgkinson auf die Zielgerade einbog, lief sie schon bemerkenswert weit im Hohlkreuz. Sie konnte nach der Kurve nicht mehr zulegen und musste im Finale noch Hallen-Weltmeisterin Duguma den Vortritt lassen. Nach dem Halbfinal-Aus vor drei Jahren ist die Bronzemedaille für die Weltmeisterin dennoch irgendwie ein Fortschritt, zumindest auf dem Olympischen Parkett.

Keely Hodgkinsons Erfolge

Alter: 22
Nationalität: Großbritannien

🥇 Olympiasiegerin 2024
🥈 Olympia-Silber 2021
🥈🥈 WM-Silber 2022 und 2023
🥇🥇 Europameisterin 2022 und 2024
🥇🥇 Hallen-Europameisterin 2021 und 2023

Äthiopische Premiere

Mit ihrer Silbermedaille hat Tsige Duguma äthiopische Laufgeschichte geschrieben. Nie zuvor stand eine Äthiopierin auf dem Olympischen Podest eines 800m-Laufs, auch eine WM-Medaille gab es in der kürzesten Laufdisziplin für die hoch dekorierte Laufnation im Osten Afrikas noch nie. Die 23-Jährige tauchte 2023 aus dem Nichts für ein Rennen in Belgien in der 800m-Szene auf, davor hat sie ein paar 400m-Wettkämpfe absolviert. Die Hallensaison krönte sie sensationell mit WM-Gold in Glasgow, wo sie Lokalmatadorin Jemma Reekie überraschte. Sie fügte gleich ein paar schnelle Rennen im Frühling an und zog sich nach einem enttäuschenden Wettkampf Ende Mai in Oslo in ihre Heimat zurück.

Das Comeback unter Olympischen Ringen brachte eine persönliche Bestzeit im Halbfinale und eine persönliche Bestzeit im Finale: 1:57,15 Minuten, nicht weit entfernt vom äthiopischen Rekord von Werkuha Getachew.

Lamote mit der Unterstützung des Stadions

Den größten Applaus des Stadions erhielt Renelle Lamote, die sich mit ihrem ersten Olympia-Finale in beste Laune brachte. Es war ihr erster globaler Endlauf seit dem WM-Finale von 2015, die erfahrene Französin hatte sich nach schwierigen Jahren wieder in Topform gebracht. Platz fünf in einer Zeit von 1:58,19 Minuten beschreibt ein tolles Resultat, das die 30-Jährige mit einem Lächeln entgegennahm. Noch zu Saisonbeginn plagte sie sich mit einer Achillessehnenverletzung herum. Obwohl sie dem geringen Abstand zur Medaille etwas nachtrauerte, zeigte sie sich in einem Statement auf der Website des Französischen Leichtathletik-Verbandes glücklich mit dem Olympischen Abschneiden und setzte sich gleich nächste Ziele: Bei der WM in Tokio 2025 will sie mit den Besten mithalten.

Die Olympia-Sensation aus der Karibik

Die Sensation der Tage von Paris war aber Shafiqua Maloney, die von der kleinen Karibikinsel St. Vincent und die Grenadinen stammt. Maloney, vor den Spielen nur Insidern ein Begriff, verblüffte bereits in Vor- und Halbfinallauf und blieb in einer Zeit von 1:57,66 Minute nicht einmal eine Viertelsekunde hinter Edelmetall.

Die 25-Jährige stammt aus dem Örtchen Richland Park auf der Insel, die knapp 300 Kilometer nördlich der Küste Venezuelas liegt. Die ehemalige 200- und 400m-Spezialistin studiert in den USA und gewann 2022 die Bronzemedaille bei den Zentralamerika- und Karibikspielen hinter zwei Kubanerinnen. In die 2024er Saison ging sie mit einer Bestleistung von 1:59,94 Minuten, doch dann ging es steil bergauf. Zuerst in der Halle, wo sie das Olympia-Limit knackte, dann über 400m und auch über 800m im Freien.

Wenn aber die Weltranglisten-27. (zur Orientierung, acht Europäerinnen sind besser platziert, Anm.) Olympia-Vierte wird, bedarf es einer Reihe herausragender Leistungen. Die brachte Maloney: Landesrekord im Vorlauf (3.), Landesrekord im Halbfinale, in dem sie u.a. Lamote, Reekie und EM-Silbermedaillengewinnerin Gabriela Gajanova trotz deren slowakischem Landesrekord hinter sich ließ (2.), fast Landesrekord im Finale (4.). 0,24 Sekunden fehlten zur absoluten Sensation, Bronze.

Eine Olympische Medaille hat die Gemeinschaft von gut 100.000 Menschen, die die Bevölkerung des zum Commonwealth gehörenden Inselstaats mit der langen Landesbezeichnung bilden, noch nie gewonnen. Nicht nur, weil der Nationalsport Cricket nicht olympisch ist. Und auch sonst sind Geografie-Fragen über die kleine Nation zwischen den Inseln St. Lucia (das ist die Heimat der 100m-Olympiasiegerin, Anm.) und Grenada (die Heimat des Olympia-Medaillengewinners im Zehnkampf, Anm.) eine enorme Herausforderung. Die Hauptstadt Kingstown hat, genau hingeschaut, nichts mit der jamaikanischen Hauptstadt Kingston zu tun. Mit 13.000 Einwohnern ist sie auch nicht gerade eine pulsierende Weltmetropole. Das Land war britische Kolonie und ist das bisher kleinste in der Geschichte des Weltsicherheitsrats der Vereinten Nationen.

Olympische Spiele 2024

Die Olympischen Leichtathletik-Bewerbe werden mit Ausnahme der Geh- und Marathonbewerbe im Stade de France in Saint-Denis in der Metropolregion von Paris ausgerichtet. Charakteristisch ist die in pink gehaltene Laufbahn. Die Wettbewerbe werden von einem bemerkenswerten Zuschaueraufkommen und großartiger Atmosphäre im Stadion begleitet.
Alle Ergebnisse findest du auf der offiziellen Website:

Ein Schweizer Trio

Drei Läuferinnen hatte die Schweiz bei den Olympischen Spielen am Start, was die Bahndistanzen betrifft. Alle drei waren im 800m-Lauf dran. Es ging gleich unglücklich los. Valentina Rosamilia absolvierte im Vorlauf einen an sich hoffnungsvollen Lauf, aber ein unrunder und holpriger Schlussspurt mit Bahnwechsel brachte nicht das gewünschte Ergebnis. Im Kampf um den Aufstiegsplatz Nummer drei lag sie wenige Tausendstelsekunden hinter der Amerikanerin Juliette Whittaker, die es später bis ins Finale schaffen sollte.

Das Fotofinish schickte die 21-Jährige also mit einer Zeit von 2:00,45 Minuten in die Hoffnungsrunde. Dort war das Auswahlverfahren brutal, nur die jeweilige Siegerin schaffte den Aufstieg, plus zwei Zeitschnellste. Rosamilia blieb vor Allie Wilson und Anita Horvat, als Zweite in 1:59,65 Minuten aber um 0,13 Sekunden hinter EM-Medaillengewinnerin Anais Bourgoin aus Frankreich. Über die Zeitregel schaffte es die junge Schweizerin ins Halbfinale, ein beachtlicher Erfolg. Dort war sie als Siebte ihres Laufs chancenlos, demonstrierte aber mit einer Zeit von 1:59,27 Minuten neuerlich ihr gutes Niveau im Sommer 2024.

Einen starken Vorlauf erwischte Rachel Pellaud, die nach einer überzeugenden Leistung in einer Zeit von 2:00,07 Minuten vor Ex-Weltmeisterin Halimah Nakaayi Dritte wurde. Im Halbfinale hingen die Früchte dann hoch, Pellaud riskierte viel und lag gut im Rennen. Am Ende fehlten die Kräfte, Rang acht in 2:03,36 Minuten – übrigens direkt hinter der erst 19-jährigen Australierin Claudia Hollingsworth, die im Vorlauf 1:58,77 Minuten gelaufen war. Die dritte Schweizerin, Audrey Werro, galt trotz der Verletzung im Frühling als stärkste des Trios, blieb aber im sechsten Vorlauf in 1:59,38 Minuten deutlich hinter den Top-Drei. In der Hoffnungsrunde waren Abbey Caldwell aus Australien und Eloisa Coiro aus Italien schneller, die 20-jährige Junioren-WM-Medaillengewinner schaffte es also nicht ins Halbfinale.

Kolberg mit starken Auftritten

Glück brachte der Hoffnungslauf der Deutschen Majtie Kolberg, die am Freitagabend im Vorlauf mit Keely Hodgkinson und US-Meisterin Nia Akins noch chancenlos war. Nach kurzer Erholungsnacht gewann die 24-jährige Deutsche am Samstagmittag den vierten Hoffnungslauf in 1:59,08 Minuten vor der Kenianerin Vivian Chebet und qualifizierte sich für das Halbfinale am Sonntagabend. In ihrem Lauf ging die Post ab, Kolberg lief eine persönliche Bestleistung von 1:58,52 Minuten. Für die Final-Qualifikation war eine Zeit von 1:57,78 Minuten notwendig, außerhalb der realistischen Reichweite.

Autor: Thomas Kofler
Bild: © Dan Vernon for World Athletics

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