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Am kommenden Wochenende stehen mit dem Diamond-League-Meeting in Shanghai und dem Grand Slam Track in Miami jeweils die zweite Station der einerseits etablierten, wichtigsten Meetingserie des Leichtathletik-Weltverbands und andererseits der neuen Initiative des ehemaligen Superstars Michael Johnson auf dem Programm. RunUp.eu zeichnet den Status quo nach und blickt auf die jeweils ersten Meetings der Serien zurück.
Aus „Liebe zum Sport“, wie er sagte, hat Michael Johnson die Idee der Grand Slam Track geboren: vier hochkarätige Meetings mit den Besten am Start, lukratives Preisgeld und eine Gesamtwertung. Der US-Amerikaner konzentrierte sich auf kurze Formate und drängte damit alle technischen Disziplinen kategorisch aus dem Programm. Dafür schloss er Dutzende Verträge mit Starathlet*innen ab, ein enormes Preisgeld von umgerechnet 2,78 Millionen Euro pro Meeting (macht 11,12 Millionen Euro bei vier Meetings) soll anziehend wirken. Damit liegt das Preisgeld trotz der deutlich wenigeren Bewerbe höher als jenes des Diamond-League-Finalmeetings und erheblich höher als bei allen anderen Diamond-League-Meetings.
Die Vision Johnsons sieht drei kurze Sessions pro Wochenende mit 96 beteiligten, ausgewählten Athlet*innen vor: 48 weibliche, 48 männliche, aufgeteilt in jeweils sechs Disziplinengruppen, jeweils zur Hälfte vertraglich an die ganze Serie gebunden bzw. Gaststarter*innen. Die Herausforderung: Alle an einem Wochenende beteiligten Athlet*innen müssen zwei Wettkämpfe bestreiten, was in einigen Disziplinengruppen (z.B. 400m und 400m Hürden oder 800m und 1.500m) durchaus eine enorme Herausforderung darstellt.
Eines hat die Einführung des Grand Slam Track in Amerika bereits bewirkt: Den internationalen Stars der Szene winkt in diesem Wettkampfjahr ein höheres Preisgeld. Denn auf die Gründung der Grand Slam Track hat die Diamond League mit einer deutlichen Erhöhung des eigenen Preisgelds auf insgesamt 9,24 Millionen US-Dollar (das entspricht rund 8,2 Millionen Euro) reagiert. Im Jahr 2025 gibt es erstmals Bonusdisziplinen mit höherem Preisgeld, je zwei pro Geschlecht und pro Meeting und je vier beim Finale in Zürich. Außerdem argumentierte Petr Stastny, CEO der Diamond League AG, mit zwei Punkten, die der Grand Slam Track nicht erreicht: Die Internationalität mit 15 Meetings in 13 verschiedenen Ländern auf vier Kontinenten sowie 32 leichtathletische Disziplinen (16 pro Geschlecht), während sich Grand Slam Track einzig auf Sprint- und Laufbewerbe konzentriert.
Da sich die Grand Slam Track außerhalb des Leichtathletik-Weltverband als Privatinitiative entwickelt hat, stellt sich trotz der toleranten Integration in den World Athletics Global Calendar die Frage: Haben zwei elitäre Meetingserie nebeneinander Platz und ist ein harmonisches Miteinander möglich? Oder schlägt sich die Natur gegebene Konkurrenzsituation in ein Gegeneinander aus?
In der Praxis könnte auch ein Nebeneinander entstehen – es wäre wohl ein Nebeneinander mit trennendem Charakter. Denn war die Begeisterung der überwiegend in Europa – und vielleicht noch Asien – stattfindenden Diamond League aufgrund der weiten Reisen bei den nordamerikanischen Leichtathletik-Stars eher mäßig, zeigen Europas Laufstars nun mäßige Begeisterung an Reisen in die USA. Die beiden Aushängeschilder des europäischen Laufsports auf der Bahn haben Michael Johnson einen Korb gegeben. 800m-Olympiasiegerin Keely Hodgkinson sagte bereits vor Weihnachten, dass der Grand Slam Track zwar eine gute Idee sei, sie aber für das Erreichen ihrer Saisonziele auf die Meetings in den USA und Jamaika verzichten werde. Ähnliche Töne kamen von Jakob Ingebrigtsen, der Johnson die Tür zwar auch nicht ins Schloss warf, aber sagte, der Grand Slam Track passe nicht in seine Planungen.
Offenbar leicht begeistern ließen sich die Athlet*innen, die aus den USA stammen oder in den USA leben und trainieren. Sie haben ohnehin keine reichhaltige Meeting-Landschaft auf höchstem Niveau und sind daher der Initiative dankbar, die hohen Preisgelder sind ein zusätzlicher Anreiz. Zu den verpflichteten Stars gehören etwa der britische 1.500m-Weltmeister Josh Kerr, der auf eine Titelverteidigung seines Hallen-WM-Titels verzichtet hat, um für den Grand Slam Track bereit zu sein, der kanadische 800m-Star Marco Arop, die US-Amerikaner Cole Hocker, Yared Nuguse und Grant Fisher oder Jessica Hull aus Australien. Auch aus Ostafrika haben einige Laufstars zugesagt, darunter 800m-Weltmeister Mary Moraa, 800m-Olympiasieger Emmanuel Wanyonyi und Straßenlauf-Weltrekordhalterin Agnes Ngetich (10km) aus Kenia bzw. Diribe Welteji, Ejgayehu Taye und Hagos Gebrhiwet aus Äthiopien.
Kerr, Widersacher von Jakob Ingebrigtsen, ist überhaupt ein großer Fan des neuen Formats. „Das ist der Start in eine neue Ära der Leichtathletik, eine grandiose Sache! Ich kann es gar nicht erwarten, dass es los geht. Es gibt großartige Unterhaltung und hohes Preisgeld“, sagte der Schotte Anfang April der britischen Tageszeitung „The Independent“.
Der Auftakt zur diesjährigen Wanda Diamond League am vergangenen Samstag in der chinesischen Hafenmetropole Xiamen stand in der internationalen Berichterstattung ganz im Zeichen der neuen Weltbestleistung des norwegischen Star-Hürdenläufers Karsten Warholm im selten absolvierten 300m-Hürdensprint. Auch auf den Laufdistanzen gab es zwei wichtige Ergebnisse zweier kenianischer Laufstars. Faith Kipyegon, die traditionell auf eine Wintersaison verzichtet hatte, verpasste in einer Zeit von 2:29,21 Minuten ihre eigene afrikanische Bestleistung im 1.000m-Lauf lediglich um sechs Hundertstelsekunden. Auch zur fast 29 Jahre alten Weltbestleistung der Russin Svetlana Masterkova fehlten gerade einmal 0,23 Sekunden. „Das war ein guter Start in die Saison“, fand Kipyegon. Im Rücken des Superstars verbesserte die Australierin Abbey Caldwell den vor knapp zwei Monaten aufgestellten Ozeanienrekord ihrer Landsfrau Georgia Griffiths auf eine Zeit von 2:32,94 Minuten. Auch Sarah Billings blieb als Wettkampf-Dritte unter Griffiths altem Rekord.
Die zweifache Olympiasiegerin Beatrice Chebet, in Paris Champion über 5.000m und 10.000m, stieg mit dem Sieg im 5.000m-Lauf der Frauen in einer Zeit von 14:27,12 Minuten in die neue Saison ein. Sie setzte sich in einem hochklassig besetzten Bewerb gegen die äthiopische Weltrekordhalterin Gudaf Tsegay und deren junge Landsfrau Medina Eisa durch. „Ich bin glücklich, dass mein Speed schon da ist. Es war mir wichtig, die neue Saison positiv zu beginnen“, sagte die Dominatorin der letzten. Tsegay wurde in der kenianische Tageszeitung „The Standard“ zitiert, dass sie an einer starken Erkrankung in der Saisonvorbereitung gelitten habe und erst in einigen Wochen ihre Topform erreichen werde. Die 25-jährige Rose Davies verbesserte als Neunte den australischen Rekord von Jessica Hull auf eine Zeit von 14:40,83 Minuten und blieb nur knapp eine Sekunde hinter dem Ozeanienrekord der Neuseeländerin Kimberley Smith aus dem Jahr 2009.
In der dritten internationalen Laufentscheidung setzte sich der Äthiopier Samuel Firewu im 3.000m-Hindernislauf der Männer mit einem Meetingrekord von 8:05,61 Minuten überraschend gegen Olympiasieger und Weltmeister Soufiane El Bakkali aus Marokko durch. Dritter wurde Simon Koech aus Kenia. Europäische Läufer*innen haben nur vereinzelt den Trip nach China auf sich genommen. Im 3.000m-Hindernislauf überzeugten der Spanier Daniel Arce (8:11,64) und der Franzose Nicolas-Marie Daru (PB: 8:11,78) mit beachtlich schnellen Zeiten zum Saisoneinstieg.
Der Auftakt zum Grand Slam Track fand Anfang April in Kingston, der Hauptstadt Jamaikas, statt. Michael Johnson musste gleich eine bittere Pille schlucken, denn zehn Athlet*innen sagten kurzfristig ihre Starts ab und mussten nachbesetzt werden. Die nächste: Anstatt der angepeilten ausverkauften Stadien präsentierte das Auftaktmeeting leere Sitze – nur wenige Zuschauer verirrten sich in das Nationalstadion von Kingston. Die wenigen wurden Zeugen von teils qualitativ enorm hochwertigen Leistungen vor allem in den Kurz- und Langsprints.
Das Format sieht Sessions an drei Tagen vor, jeweils kompakt. Der Grand Slam Track definiert Disziplinengruppen, wodurch die Athlet*innen zweimal pro Woche zum Einsatz kommen. Auf den Laufdistanzen gibt es für die Mittelstreckenläuferinnen je einen 800m- und 1.500m-Lauf, für die Langstreckenläuferinnen je einen 3.000m- und 5.000m-Lauf. Ohne Tempomacher*innen, im Format Mann gegen Mann bzw. Frau gegen Frau.
Das führte in Kingston gleich zu einer Sensation: Emmanuel Wanyonyi, kenianischer Hoffnungsträger im 800m-Lauf und Olympiasieger, düpierte die, abgesehen von Jakob Ingebrigtsen, versammelte Weltklasse in seinem allerersten seriösen 1.500m-Lauf auf der Bahn überhaupt. Der 20-Jährige gewann den Wettkampf dank seiner Endschnelligkeit in einer Zeit von 3:35,18 Minuten vor Yared Nuguse (Olympia-Dritter) und Cole Hocker (Olympiasieger), Josh Kerr (Olympia-Zweiter) musste sich mit Platz fünf zufrieden geben. Tags darauf allerdings musste der Kenianer seinem 800m-Hauptrivalen Marco Arop aus Kanada den Vortritt lassen – dabei legte Arop mit einer Zeit von 1:45,13 Minuten dank überragender letzter 300 Meter über eine Sekunde zwischen sich und Wanyonyi, der wiederum über eine halbe Sekunde vor Bryce Hoppel im Ziel war. Was Wanyonyi verschmerzte, der Sieg im 1.500m-Lauf sicherte ihm das lukrative Preisgeld.
Eine Riesenüberraschung lieferte der 800m-Lauf mit dem Sieg von Nikki Hiltz aus den USA in persönlicher Bestleistung und Weltjahresbestleistung von 1:58,23 Minuten (die Spitze lief die zweite Runde unter einer Minute!) vor Diribe Welteji und Jessica Hull, die in 1:58,58 Minuten ebenfalls eine Bestleistung aufstellte. Weltmeisterin Mary Moraa dagegen finishte abgeschlagen auf Position acht in 2:00,97 Minuten, eine Leistung weit entfernt von ihrer Klasse. Welteji revanchierte sich auf den 1.500m mit einem Sieg in 4:04,51 Minuten, Hiltz wurde Dritte, Moraa ging gar nicht mehr an den Start. Damit erhielt die Äthiopierin mit der besten Kombination der beiden Resultate das Preisgeld von 100.000 US-Dollar (das entspricht rund 88.000 Euro) für den Wochenendsieg.
Die Äthiopierin Ejgayehu Taye siegte sowohl im 3.000m- als auch im 5.000m-Lauf und hat somit wie Hürdensprinter Sydney McLaughlin-Levrone, Sprinterin Melissa Jefferson-Wooden, Sprinter Kenny Bednarek und Langsprinter Alison dos Santos das Puntemaximum von 24 in der Gesamtwertung. Zweimal hatte die Äthiopierin dabei die kenianische Weltrekordhalterin im 10km-Lauf, Agnes Ngetich, besiegt. Ihr Landsmann Hagos Gebrhiwet, zwei Tage nach Platz vier über 5.000m beim Sieg von Grant Fisher, dominierte den 3.000m-Lauf in 7:51,55 Minuten und lief in einem Start-Ziel-Sieg neun Sekunden Vorsprung auf seinen Landsmann Telahun Bekele heraus.
Der 5.000m-Lauf bei hohen Temperaturen am Freitagabend produzierte eine langsame Siegerzeit von 14:39,14 Minuten – etwas, was laut der Analyse von „Let’sRun.com“ in der Diamond League dank Tempomacher nie passieren würde und selbst bei Frauenrennen in der Diamond League selten vorkommt. Johnson schätzt die Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse aufgrund der offenen Rennverläufe im Vergleich zur Diamond League. „Vieles war gut, manches geht noch besser. Es war ein erster guter Schritt und es werden Fortschritte folgen“, bilanzierte der ehemalige Supersprinter.
Patrick Magyar, einst Gründer der Diamond League, ist anderer Meinung und bezeichnete den Auftakt der Grand Slam Track in sozialen Netzwerken als „Grand Flop Track“: „Es brauchte nur einen Wettkampftag, um den Beweis zu erbringen, dass das nicht die Zukunft der Leichtathletik ist. (…) langweilig, ohne Seele, viel Leerlauf und ein leeres Stadion.“ Außerdem stört sich Magyar daran, dass die Grand Slam Track die Hälfte aller Disziplinen der Leichtathletik übergeht. Das bleibt ein zentrales Argument der Diamond League, die ja auch nicht die komplette Palette der leichtathletischen Disziplinen abdecken kann.
Autor: Thomas Kofler
Bilder: © Marta Gorczynska for Diamond League AG