So ganz 100%ig zufrieden wollte Julia Mayer (DSG Wien) mit ihrem Abschneiden bei den diesjährigen Crosslauf-Europameisterschaften nicht sein. „Es ist aber ok, im Großen und Ganzen hat es gepasst“, fasste die 28-Jährige nach Rang 39 im 74 Läuferinnen starken Feld, das ob der Qualität in der erweiterten Spitze bestach, zusammen. Was sie nicht ganz glücklich stimmte, war die Tatsache, dass sie recht früh das Tempo der Spitze nicht mitgehen konnte, weil die Stars um Konstanze Klosterhalfen und Yasemin Can ein entsprechendes anschlugen. „Ich habe es probiert, in der großen Verfolgergruppe drin zu bleiben. Aber es war irrsinnig schwer auf diesem gatschigen Boden“ erzählte sie. Und so blieb Mayer ruhig, absolvierte ihr Rennen im Mittelfeld und legte im Schlussteil des Wettkampfs noch zu: Rang 39, in bester Gesesllschaft der holländischen Meisterin Jip Vastenburg, der ehemaligen EM-Medaillengewinnerin Kate Avery und Anna Emilie Möller, beste Europäerin bei der Crosslauf-WM 2019 und zweifache Europameisterin der Altersklasse U23 in dieser Disziplin, die sich übernommen hatte und bis auf Rang 37 zurückfiel.
Schwierigere Prüfung als 2019
Dass das Resultat statistisch nicht in die Leistungsklasse von 2019 (22.) passte, hatte laut ihrem Trainer Karl Sander damit zu tun, was auch Mayer selbst im Vorfeld beachtlich fand: die wesentlich höhere Qualität im Feld im Vergleich zu 2019. Dazu kam, dass auch die Renngestaltung dieses Mal von Beginn weg mit einem höheren Tempo versehen war als damals und die Kräfte raubenden Bedingungen: Nach fünf Einzelrennen und einer Staffel war der Boden zusehends aufgeweicht und wesentlich mehr Stellen als noch am Vormittag waren schwieriger zu belaufen. Dazu kam im Laufe des Tages Wind auf, was die Rennen in den Allgemeinen Klassen betraf. „Wenn ich mir ihr Lauftempo über das gesamte Rennen ansehen, hat sie’s sehr gut gemacht“, lobte der Coach sie und spiegelte damit auch die Eindrücke der Athletin.
Hochinteressantes Rennen
Die Anfangsphase, von der Mayer sprach, wurde von Meraf Bahta, zweifache Crosslauf-EM-Medaillengewinnerin, geprägt, die sich an die Spitze setzte und das Tempo bestimmte. Klosterhalfen, Can und die Französin Mekdes Woldu folgten. Der Einsatz war effektiv: Gleich in der ersten Runde entstand eine Lücke zwischen diesem Quartett und einer großen Verfolgergruppe. Darin versuchten die Britin Jessica Judd und Möller den Anschluss herzustellen, die spätere Siegerin Karoline Bjerkeli Grövdal blieb überraschend ruhig. Die Norwegerin nützte eine Phase in der dritten Runde und schaffte den Sprung nach vorne abrupt und hervorragend getimt, Judd und die Deutsche Alina Reh kämpften wesentlich länger um den Anschluss. Bis zum Ende der vierten Runde stellte sich ein dezentes Kommen und Gehen in der führenden Gruppe ein: Die schwedische Bronzemedaillengewinnerin von 2019, Samrawit Mengsteab und die Israelin Selamawit Teferi fielen zurück, Grövdal, Judd und Reh schafften es nach vorne – Woldu war bereits frühzeitig zurückgefallen. Die neue Konstellation hielt nicht lange, denn Bahta, Klosterhalfen und Grövdal erwirtschafteten sich eine Lücke und bildeten nun das Trio an der Front.
Auch die vierfache Europameisterin Yasemin Can konnte nun nicht mehr folgen – die beeindruckende Serie der Rekord-Europameisterin endete mit Platz 14. Auch die zweite große Favoritin, Konstanze Klosterhalfen verpasste als Fünfte eine Medaille. In der vorletzten Runde gab sie beim langen Anstieg einige Meter her und konnte nicht wieder zu den Skandinavierinnen aufschließen. Schlimmer noch: Im letzten Umlauf musste sie ihre Landsfrau Alina Reh, die ihr mit Bronze ordentlich die Show stahl, und die Schottin ziehen lassen.
Grövdal klar an der Spitze
An der Spitze hatte Grövdal nun die beiden Hauptkontrahentinnen besiegt, bevor sie die endgültige Entscheidung suchte. Die 31-Jährige verbrachte im Laufe des Rennens immer mehr Zeit in Führung und nutzte die erste langgezogene Bergabpassage der letzten Runde, um eine Lücke aufzureißen. Es war die Vorentscheidung, denn bergan konnte Bahta noch weniger mithalten. In einer Zeit von 26:34 Minuten lief Grövdal, Landesrekordhalterin über die Meile und im 3.000m-Hindernislauf, wo sie 2018 in Berlin EM-Bronze gewann, ihrem ersten großen internationalen Sieg entgegen. „Ich habe so viele Bronze- und Silbermedaillen in allen möglichen Disziplinen gewonnen. Dieses Gold bedeutet mir so viel. Es ist speziell, genau hier zu triumphieren, wo so viele starke Läuferinnen am Start waren.“ Gut eine halbe Stunde nach Ingebrigtsens Triumph bei den Männern stand fest, dass erstmals eine andere Nation beide Titel abräumte als die Türkei, die dies in den letzten Jahren dreimal geschafft hat.
Für Grövdal war ihr Triumphzug vor Tausenden Zuschauern in Dublin eine besondere Genugtuung. 2009, bei der letzten Crosslauf-EM in Dublin, gewann sie das Juniorenrennen, bei der Rückkehr in die irische Hauptstadt erklomm sie nun die höchste Stufe. „Dublin war so gut zu mir“, honorierte sie. Mit sechs EM-Medaillen alleine in der Allgemeinen Klasse ist sie Rekordhalterin, zwei gewann sie bei den Juniorinnen.
Glückliche Medaillengewinnerinnen
Mit ihrer dritten Medaille konnte Meraf Bahta, die zwischenzeitlich einmal wegen drei verpasster Dopingkontrollen ein Jahr aussetzen musste, auch gut leben. „Ich habe mich sehr stark gefühlt und bin überglücklich“, gab sie zu Protokoll. Zum Strahlen zu Mute war auch der ehemaligen Crosslauf-Europameisterin der Altersklasse U23, Alina Reh. „Dieser Erfolg bedeutet mir sehr viel. Ich blicke auf zwei sehr schwierige Jahre zurück und habe auch die Olympischen Spiele aus Verletzungsgründen verpasst. Ich bin wirklich, wirklich glücklich mit Bronze!“
Klosterhalfen musste sich mit der Silbermedaille in der Nationenwertung hinter Großbritannien, das sich über die Siege in den Nationenwertung souverän den Sieg im Medaillenspiegel geholt hat, trösten. Als 21. komplettierte Domenika Mayer den Erfolg. Schweden freute sich über die Bronzemedaille, für Norwegen blieb nur Rang zehn. Überzeugend trat Publikumsliebling Fionnuala McCormack auf: Nur eine Woche nach dem Valencia Marathon kam sie auf den neunten Platz.
Ergebnis Crosslauf-Europameisterschaften 2021 der Frauen (8.000m)
Gold: Karoline Bjerkeli Grövdal (Norwegen) 26:34 Minuten
Silber: Meraf Bahta (Schweden) 26:44 Minuten
Bronze: Alina Reh (Deutschland) 26:53 Minuten
- Jessica Judd (Großbritannien) 27:01 Minuten
- Konstanze Klosterhalfen (Deutschland) 27:12 Minuten
- Samrawit Mengsteab (Schweden) 27:34 Minuten
- Selamawit Teferi (Israel) 27:34 Minuten
- Carmela Cardama (Spanien) 27:41 Minuten
- Fionnuala McCormack (Irland) 27:52 Minuten
- Jennifer Nesbitt (Großbritannien) 27:58 Minuten
- Jessica Gibbon (Großbritannien) 28:12 Minuten
- Abbie Donnelly (Großbritannien) 28:24 Minuten
- Dina Aleksandrova (Authorized Neutrale Athlete) 28:34 Minuten
- Yasemin Can (Türkei) 28:38 Minuten
- Eilish Flanagan (Irland) 28:39 Minuten
- Anna Pataki (Ungarn) 28:40 Minuten
- Rebecca Lonedo (Italien) 28:40 Minuten
- Carolina Robles (Spanien) 28:44 Minuten
- Anna Tropina (Authorized Neutrale Athlete) 28:46 Minuten
- Fatsuma Karasu (Türkei) 28:46 Minuten
- Domenika Mayer (Deutschland) 28:47 Minuten
…
27. Vera Coutellier (Deutschland) 28:55 Minuten
39. Julia Mayer (Österreich) 29:17 Minuten
45. Céline Kaiser (Deutschland) 29:28 Minuten
59. Chiara Scherrer (Schweiz) 30:02 Minuten
Nationenwertung (Top-3 pro Nation gewertet)
Gold: Großbritannien 25 Punkte
Silber: Deutschland 29 Punkte
Bronze: Schweden 38 Punkte
- Irland 47 Punkte
- Spanien 59 Punkte
- Türkei 66 Punkte
- Frankreich 76 Punkte
- Italien 105 Punkte
- Rumänien 107 Punkte
- Norwegen 108 Punkte
Crosslauf-Europameisterschaften 2021 in Fingal-Dublin
European Athletics