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Mit einem deutlichen neuen Hallen-Weltrekord im 1.500m-Lauf der Frauen durch Gudaf Tsegay endete das World Athletics Indoor Tour Meeting im französischen Liévin mit einer Meisterleistung. Die Äthiopierin vollendete ein Rennen, das mit einem irre hohen Tempo begann und einem klaren Sieg vor Laura Muir endete.
Tsegay ist erst 24 Jahre alt und spielte bisher nie die erste Geige, aber sie gehörte zum Orchester. Ihr bisheriger Höhepunkt war der Auftritt im unwirklichen WM-Rennen von Doha, als Sifan Hassan mit einer beispiellosen Leistung die Goldmedaille gewann. Damals pulverisierte Tsegay ihre persönliche Bestleistung und stürmte in 3:54,38 Minuten zur Bronzemedaille. Nun war sie unter dem Hallendach, wo alles enger ist und doppelt so viele Kurven mit engerem Radius zu absolvieren sind als im Stadion, gut eine Sekunde schneller. „Das ist das Resultat meines Trainings. Ich habe wirklich hart trainiert, jeden Morgen, jeden Abend“, erklärte eine überglückliche Tsegay und gratulierte artig ihrem Trainer und ihrem Manager. Die Worte gingen Juan Pedro Pineda de la Losa, dessen Agentur einen Großteil der spanischen Laufelite und – welch Zufall – auch Genzebe Dibaba vertritt. Motto der Agentur, die Trainingscamps im spanischen Leon, Eldoret und Addis Abeba betreibt: „We only believe in hard work.“
Trotz britischem Rekord chancenlos
Damals in Doha rieb sich Laura Muir, die die kontinentalen Meisterschaften über diese Distanz in den letzten Jahren beherrschte, auch, weil sich Europarekordhalterin und Weltmeisterin Sifan Hassan anderweitig orientierte, die Augen. Nachdem sie trotz persönlicher Bestleistung keine Chance auf eine Medaille hatte. Die Schottin, neuerlich in hervorragender Verfassung, dürfte sich in Liévin im falschen Film gefühlt haben. Nach nur einer Runde hatte die Britin bereits zwei Sekunden Rückstand, weil sie das Tempo, das Tsegay die Tempomacherinnen anlaufen ließ, verständlicherweise nicht mitgehen wollte. 29,21 Sekunden schnell war die Eingangsrunde, „Let’sRun.com“ schreibt von einem ungesunden Tempo. Der Kommentator im World-Athletics-Livestream glaubte lange Zeit an einen Fehler der Tempomacherinnen und kritisierte diesen. Außerdem ließ er Worte wie „suicidal“ und „ridicoulos quick“ fallen. Nach 58,97 Sekunden waren die ersten, völlig wahnsinnigen 400 Meter absolviert. Die langsamste Rennphase führte zu einer 800m-Durchgangszeit von 2:05,94 Minuten, Tsegay führte überlegen. Doch die Äthiopierin brach nicht ein, sondern beschleunigte noch einmal. 30,6 Sekunden für Runde sechs, 29,41 Sekunden für Runde sieben. Der Weltrekord glitt Dibaba unter den Fingern weg. Und Muir? Unfassbare sechseinhalb Sekunden hatte die 27-Jährige im Ziel Rückstand als Zweite. Das reichte zu einer Verbesserung des britischen Hallenrekords ihrer Trainingspartnerin Jemma Reekie um eine Sekunde und Rang drei in der ewigen europäischen Hallen-Bestenliste hinter Abeba Aregawi (2014) und Yelena Soboleva (2006). Noch einmal zum Festhalten: Mit einem britischen Rekord in 3:59,58 Minuten bekam Laura Muir einen Rückstand von sechseinhalb Sekunden aufgebrummt. Angesichts der surrealen Szenerie an der Spitze zerfiel das Feld in alle Einzelteile. Die drittplatzierte Melissa Courtney-Bryant hatte im Ziel fast zwölf Sekunden Rückstand auf die Siegerin – viele Marathonläufe produzieren jährlich mittlerweile engere Zieleinläufe.
Hailu überrascht bei 3.000m-Debüt Favoritinnen
Die zweite große Leistung des Tages in den Laufbewerben der Frauen lieferte eine junge Läuferin ab, die nie zuvor so weit in der Halle gelaufen ist – zumindest im Wettkampf – und ihren dritten 3.000m-Lauf überhaupt. Lemlem Hailu, 19 Jahre alt, seit knapp einem Jahr Junioren-Weltrekordhalterin in der Halle im 1.500m-Lauf. Markiert auf dieser Bahn im Stade Coubert von Liévin, wo sie heuer einen neuen Junioren-Weltrekord in der Halle folgen ließ: 8:32,55 Minuten über 3.000m, eine Sekunde schneller als eine gewisse Tirunesh Dibaba im fernen Jahr 2004, wenige Monate, nachdem die äthiopische Legende in Paris bei den Weltmeisterschaften als 18-Jährige ihre hoch dekorierte Karriere mit WM-Gold über 10.000m eröffnete.
Tirunesh Dibaba, ältere Schwester von Genzebe, ist jene Athletin, zu der nicht nur Lemlem Hailu aufschaut, sondern alle Läuferinnen aus Äthiopien. In Liévin schaute das ganze Feld auf zu Hailu und rieb sich mitunter verwundert die Augen. Mit einer unerwartet rasanten Beschleunigung zog die junge Äthiopierin in der letzten Runde das Feld auseinander, nachdem es in den Runden zuvor in einer Fünfergruppe etliche Positionswechsel gegeben hatte. Sifan Hassan, in ihrem ersten Hallenrennen seit fast drei Jahren erklärte Favoritin, versuchte mit aller Macht zu folgen, ihren langen Schritten gelang es aber nicht, sich näher an die Siegerin heranzupirschen. Hailu war in 8:32,55 Minuten, nebenbei klare Weltjahresbestleistung, unerreichbar, die Holländerin, die in der letzten Runde immerhin noch Beatrice Chepkoech überholen konnte, folgte gut eine Sekunde später über die Ziellinie. Hassan hatte sich lange Zeit an der Kenianerin orientiert, ihre Achtsamkeit geschärft, als Pacemakerin Michelle Finn das Rennen verlief und die Weltmeisterin im 3.000m-Hindernislauf das Kommando übernahm. Nach ihrem Sieg in Karlsruhe baute Chepkoech ihre Führung in der World Athletics Indoor Tour sogar aus, weil die damals Zweitplatzierte Fantu Worku in Liévin Vierte wurde und nun gleich auf mit Hailu fünf Punkte Rückstand auf die Kenianerin hat.
Reekie dominiert die Schlussrunde
Mit viel Spannung war das britischen Duell zwischen der nationalen Rekordhalterin Jemma Reekie und der Weltjahresschnellsten Keely Hodgkinson erwartet worden und es fand tatsächlich im Großteil des Rennens im Mittelfeld statt. Dann setzte sich die Schottin in der dritten Runde in den Windschatten der führenden Äthiopierin Habitam Alemu, die Junioren-Weltrekordhalterin folgte ihr. Während Reekie eingangs der letzten Runde attackierte und in Führung ging, konnte Hodgkinson das Tempo im Duell gegen Alemu nicht mitgehen. Reekie musste einen letzten zarten Angriff der Afrikanerin nicht wirklich beantworten. In einer Zeit von 2:00,64 Minuten gewann die zweifache U23-Europameisterin vor Alemu (2:00,86) und Hedda Hynne, die dank einer guten Schlussrunde ihren eigenen norwegischen Landesrekord in der Halle verbesserte. Hodgkinson musste sich in diesem starken Feld mit Rang vier zufrieden geben, fast 2,7 Sekunden langsamer in Wien und nur knapp vor der Schweizerin Lore Hoffmann, die in 2:02,15 Minuten ihre Leistung vom Samstag in Metz bestätigen konnte.
Der Sieg im 2.000m-Hindernislauf, eine Disziplin, die in der Halle kaum gelaufen wird, ging an Winfred Yavi, die in einer Zeit von 5:45,09 Minuten eine neue Weltbestleistung markierte. Vorjahressiegerin Marusa Mismas-Zrimsek aus Slowenien kam mit knapp vier Sekunden Rückstand ins Ziel.
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