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„Ich laufe für mein Gehirn“

Mit ihrem Buch „Beweg dich und dein Gehirn sagt danke“ legt Dr. Manuela Macedonia, Leitende Wissenschaftlerin an der JKU Linz, ein überzeugendes Plädoyer für regelmäßige moderate körperliche Aktivität für die geistige Gesundheit hin. Im RunUp-Interview spricht die Neurowissenschaftlerin über die positiven Auswirkungen von Bewegung auf das Gehirn.

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Mit ihrem Buch „Beweg Dich und Dein Gehirn sagt danke“ legt Dr. Manuela Macedonia, leitende Wissenschaftlerin an der JKU Linz, ein überzeugendes Plädoyer für regelmäßige moderate körperliche Aktivität für die geistige Gesundheit hin. Im RunUp-Interview spricht die Neurowissenschaftlerin über die positiven Auswirkungen von Bewegung auf das Gehirn.

RunUp: Ihr Motto lautet: „Ich laufe nicht für meine Figur, ich laufe für mein Gehirn.“ Warum ist ausreichend sportliche Bewegung unerlässlich für unsere geistige Gesundheit?

Dr. Manuela Macedonia: Damit unser Körper gut funktioniert, brauchen wir regelmäßige körperliche Aktivität. Bewegung regt aber auch zahlreiche Gehirnfunktionen an, die unser Denkorgan fit halten. Zu diesen Funktionen zählt die Ausschüttung von Nervenwachstumsfaktor. Dabei handelt es sich um eine Substanz, die unsere Gehirnzellen und ihre Verbindungen stärkt. Bewegung ist aber auch notwendig, um die Neurogenese anzuregen. Es handelt sich um die Entstehung neuer Stammzellen, die das Gehirn stärken und „reparieren“.

Sie betonen in Ihrem Buch „Beweg dich! Und dein Gehirn sagt Danke“, dass lediglich moderate Bewegung zahlreiche Vorteile für unser Gehirn anbietet…

Zahlreiche Experimente legen klare Ergebnisse auf den Tisch: Wenn wir uns regelmäßig, ausreichend im aeroben Bereich bewegen, werden die oben beschriebenen Prozesse verlässlich angeregt. Natürliche aerobe Bewegung ist für das Gehirn ein Regenerationsinstrument, welches ganz natürlich funktioniert. Es ist nicht natürlich, anaerob zu laufen. Selbstverständlich darf ein Lauf auch anaerobe Momente beinhalten. Aber man sollte nicht dauernd ans Maximum gehen, denn das ist für die beschriebenen Prozesse nicht förderlich. Ganz im Gegenteil: Man produziert Stresshormone, die sich auf das Gehirn auch negativ auswirken können.

Regelmäßige sportliche Aktivität führt nachweislich zu erhöhter Aufmerksamkeit und einem verbesserten Gedächtnis, bereits im Kindesalter. Sehen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im digitalen Zeitalter vor, dass Kinder und Jugendliche ihr empfohlenes Bewegungsausmaß erreichen können?

Erwachsene bewegen sich in unserer Zeit zu wenig. Kinder lernen von ihren Eltern und leben im gleichen Rahmen. Wenn Eltern nur mit dem Auto fahren, werden die Kinder überall hin mit dem Auto begleitet, auch in die Schule. Diese schlechte Vorbildwirkung führt zu einer ganzen Reihe von Fehlentwicklungen. Kinder sind anfälliger für Zivilisationskrankheiten geworden, wie Diabetes, Übergewicht, Kreislauf- und Herzrhythmusstörungen, oftmals durch Übergewicht verursacht. Ein „unbewegtes“ Leben ist aber auch für das Gehirn nicht gut: Der Hippocampus, der Sitz unseres Kurzzeitgedächtnis, braucht Bewegung. Sportliche Kinder haben einen größeren und lernen daher auch besser.

Wie sehr mangelt es an Vorbildwirkung durch den Sportunterricht in Schulen?

Ich denke, dass Eltern das Vorbild für Kinder sein sollten, nicht die Schulen. Sie müssen einen Rahmen schaffen, in dem Sport geschieht. Persönlich bin ich für drastische Lösungen: Sportunterrichtspflicht für alle, ohne die Möglichkeit sich befreien zu lassen, außer es bestehen gravierende Gründe dafür. Bewegung ist die Grundlage kognitiver Prozesse, das sollte jeden überzeugen. Außerdem plädiere ich für eine Stunde Bewegung am Tag in der Schule. So können wir sicher gehen, dass selbst Kinder, die in der „Freizeit“ keine Bewegung machen, eine Grundversorgung an Bewegung genießen. Ich empfehle die Förderung von Mannschaftssportarten, denn über die Bewegung hinaus fördern sie das soziale Verhalten und machen Spaß.

Ist es ratsam, dass Menschen unmittelbar vor eminent wichtigen Aufgaben verstärkt Ausdauersport betreiben oder sind positive Effekte auf die Gehirnleistung nur durch einen langfristig aktiven Lebensstil erkennbar?

Die positiven Auswirkungen von Bewegung auf unsere kognitiven Fähigkeiten sind keine Eintagsfliege. Sie entstehen in einem langfristigen Prozess mit viel Geduld. Ein leistungsfähiger Geist in einem leistungsfähigen Körper baut sich in jahrelanger sportlicher Betätigung sukzessive auf. Bewegung ist keine bittere Pille, die es zu schlucken gilt, wenn man schnell einen Boost im Denken und Lernen braucht. Bewegung ist unsere Verbündete für Körper und Geist.

Menschen haben oft Sorge vor Demenz im Alter. Rentiert sich ein Umdenken, um den Gedächtnisverlust zu bremsen auch wenn man jahrzehntelang ein sportlich inaktives Leben geführt hat?

Bewegung ist keine Garantie gegen Neurodegeneration, aber eine gute Chance, ihr vorzubeugen und sie aufzuhalten. Studien haben gezeigt, dass Alzheimer-Patienten, die nur viermal pro Woche eine halbe Stunde am Gang der Einrichtung, in der sie sich befanden, spazieren gegangen sind, eine Milderung der Symptome hatten und in gewissen Bereichen ihre geistigen Fähigkeiten länger behalten konnten, als die Kontrollgruppe von Alzheimer-Patienten, die sich nicht bewegt haben. Und das alles ohne Nebenwirkungen, im Gegensatz zu Medikamenten, die immer eine Nebenwirkung haben. Ein Umdenken rentiert sich insofern in jedem Alter und zu jedem Zeitpunkt:  Es ist nie zu spät für Bewegung!

Jeder Läufer hat schon einmal erlebt, dass ihm ausgerechnet während einer Laufrunde eine gute Idee gekommen ist oder eine Lösung für ein Problem eingefallen ist, das seit Tagen beschäftigte. Wie sind diese Eingebungen zu erklären?

Hohe kognitive Funktionen werden im Gehirn über ausgedehnte Netzwerke gesteuert, die viele Gehirnregionen miteinander verbinden. Warum uns beim Laufen oft die Lösung zu einem Problem einfällt, worüber wir länger brüten, hat damit zu tun, dass während des Laufens gewisse Tagtraum-Phasenauftauchen. Dafür ist das so genannte Ruhe-Modus-Gehirnnetzwerkzuständig. Wenn es sich einschaltet, denken wir nicht fokussiert an ein Thema, sondern global, ohne Druck, praktisch unwillkürlich. Dieses Netzwerk steuert im Hintergrund sehr viele kognitive Prozesse, die uns allerdings nicht bewusst sind. So fällt uns plötzlich eine gute Idee ein oder die lang ersehnte Lösung zu einem Problem: Oft ist es sinnvoll den Schreibtisch zu verlassen, um laufen zu gehen. Wenn man zurück zum Schreibtisch kommt, gehen die Dinge dann ganz von alleine.

Heutzutage sind viele Menschen in ihren Jobs an den Bürostuhl gefesselt. Dazu kommen oft außerberufliche Verpflichtungen, die ebenfalls bewegungsarm sind. Welchen Umfang an moderatem Laufen emfpehlen Sie Menschen, die viele Stunden am Tag im Sitzen verbringen?

Es gibt keine feste Regel: Der Umfang hat mit der eigenen Ausgangslage zu tun. Wenn sich ein Mensch gar nicht bewegt, kann er mit Spaziergängen anfangen: Eine zusammenhängende halbe Stunde am Tag, dann ein bisschen länger, später ein bisschen flotter. Langsam baut sich eine gute Kondition auf. Wenn jemand hingegen bereits läuft, kann es sinnvoll sein, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich zu steigern. Es ist allerdings wichtig, dass diese Entwicklung langsam und harmonisch stattfindet. All das, was uns zu schnell und zu stark an die Leistungsgrenze bringt, ist meistens nicht von Erfolg gekrönt. Es geht darum, etwas Nachhaltiges für den Körper und vor allem für den Geist zu tun. Das benötigt Zeit, Beständigkeit und auch den Verzicht auf Dinge, die wir mögen. Man kann nicht beruflich 120% leisten, ein reges soziales Leben führen, alle möglichen Kulturinteressen verfolgen und in drei Vereinen aktiv zu sein. Da und dort Streichungen vorzunehmen, ist unumgänglich. Dafür profitiert man aber länger von einem fitten Körper und fitten Geist. 

Autor: Thomas Kofler
Bilder: Brandstätter | Kübra Soyuk | Adobe Stock

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