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Julia Mayer hat einen Startplatz, Aaron Gruen auch. Beide haben bereits am 12. Mai eine Nominierung durch den Österreichischen Leichtathletik-Verband (ÖLV) ausgesprochen bekommen, im Falle der Olympia-Teilnehmerin von Paris allerdings mit der Erwartung, dass sie eine Leistungsbestätigung nachliefert. Einige europäische Verbände haben ebenfalls bereits offizielle Nominierungen ausgesprochen, beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) sind Debatten entstanden.
Am 4. Mai hat der seit November 2023 andauernde Qualifikationszeitraum des Leichtathletik-Weltverbandes (World Athletics) geendet – und damit mussten sich die nationalen Verbände deklarieren, wie viel Startplätze sie in Anspruch nehmen, unabhängig davon, ob die Qualifikation über die harschen Direktlimits von 2:06:30 bis 2:23:30 Stunden oder über die Weltranglisten-Position (Road to Tokyo) erreicht wurde. Die ohnehin recht komplexe Struktur der Qualifikationskriterien für Marathonläufer*innen wurde durch nationale Kriterien in Österreich und in Deutschland noch verengt. Laut jetzigem Stand werden ein oder zwei ÖLV-Marathon-Aushängeschilder in Tokio am Start sein.
Julia Mayer (DSG Wien) liegt im bereinigten Frauen-Ranking auf Platz 79. Die 32-Jährige profitiert nach wie vor von ihrem österreichischen Rekord im Marathonlauf, den sie bereits innerhalb des Qualifikationszeitraums beim Valencia Marathon 2023 gelaufen ist (2:26:43). Dazu fällt ihr ÖLV-Rekord im Halbmarathon (1:11:09, Barcelona 2024) in die Wertung.
Da beide Leistungen aber über ein Jahr zurückliegen und Julia Mayer seit den Olympischen Spielen von Paris kein Top-Resultat zum Buche stehen hat, fordert der ÖLV einen Leistungsnachweis von ihr – ein durchaus gängiges Vorgehen in solchen Fällen. Den kann Mayer, nachdem sie den Start beim Rotterdam Marathon im April absagen musste, auch bei einem Halbmarathon-Wettkampf liefern, die erste Chance gibt es bei einem Heim-Auftritt: am 21. Juni beim Traunsee Halbmarathon.
Dort wurde sie nämlich vor einigen Tagen offiziell angekündigt. „Wir freuen uns sehr, die schnellste Österreicherin über die Halbmarathon-Distanz bei uns am Start zu haben. Julia ist eine große Bereicherung für unsere Veranstaltung und wir hoffen natürlich, dass sie eine starke Zeit läuft“, heißt es in einem Statement von Andreas Berger, Mitinitiator des Generali Traunsee Halbmarathon. Die Halbmarathon-Distanz ist mit 2.500 Teilnehmer*innen übrigens bereits ausverkauft.
Die Zeit läuft nicht nur im Wettkampf gegen Julia Mayer, zumal in Europa in dieser Jahreszeit nur wenige Gelegenheiten für schnelle Halbmarathons verfügbar sind.
Mit einem Punkteschnitt von 1.093 Punkten ist Aaron Gruen (ÖBV Pro Team) auf Position 94 der Road to Tokyo gelistet. In die Wertung fielen für ihn der neue ÖLV-Marathonrekord von 2:09:53 Stunden, gelaufen Ende März beim McKirdy Marathon in der Nähe von New York, und der Chicago Marathon 2024. Der 26-Jährige läuft seinen nächsten Wettkampf am Tag nach Julia Mayer – und zwar, laut Informationen vom heimischen Laufsport-Journalisten Olaf Brockmann, in Boston über zehn Kilometer.
Mit seinen Weltranglistenpunkten wäre auch Peter Herzog (Union Salzburg LA) in die Liste der Top-100 gerückt, allerdings hat der Salzburger mit seinen beiden Marathonleistungen im Bereich von 2:12 Stunden im Herbst 2024 das Zusatzkriterium, welches der ÖLV auf Vorstandsbeschluss erst während des laufenden Qualifikationsprozesses festgelegt hat, nicht erfüllt: nämlich nur Marathon-Athleten nach Tokio zu schicken, die eine Leistung unter 2:10 bzw. 2:28 Stunden innerhalb des Qualifikationszeitraum aufweisen können.
100 Startplätze stehen für die WM-Marathons zu Verfügung, das sind nicht wenige aufgrund der Tatsache, dass der WM-Marathon Mitte September in die zweite Hauptsaison der internationalen Marathonläufe in der nördlichen Hemisphäre ragt. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Topläufer*innen die WM nicht laufen wollen oder können – beispielsweise findet der Berlin Marathon bereits eine Woche nach den WM-Marathons statt.
Bei den Frauen gingen 30% der Startplätze über das Direktlimit weg, also deutlich weniger als der Zielwert von World Athletics, der bei 50% liegt. Bei den Männern waren es 32%, also ebenfalls weniger als intendiert. Die deutlich geringeren Quoten sind den erheblich geschärften Direktlimits geschuldet, die World Athletics nach den Olympischen Spielen beschlossen hat. Für Paris gingen bei den Männern fast alle und bei den Frauen gar alle Startplätze über die Limits weg, was den Sinn der Weltrangliste mit ihrem Punktesystem bedroht hat.
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat am 28. Mai die WM-Nominierung von Amanal Petros und Richard Ringer für den Marathon der Männer in Tokio bekanntgegeben. Beide liefen im Frühjahr schnelle Marathons – und zwar am selben Tag: Petros in London, Ringer in Hamburg. Nominierungen für den Frauen-Marathon wurden keine ausgesprochen, mit Melat Kejeta und Domenika Mayer befinden sich zwei Athletinnen weit innerhalb der Top-100 in der Road to Tokyo.
Nun gibt es Unmut: Offenbar hat der DLV den dritten für Deutschland vorgesehenen Startplatz nicht wahrgenommen. Samuel Fitwi und Sebastian Hendel hätten alle Leistungskriterien erfüllt, nämlich die Weltranglistenposition inklusive der DLV-internen Leistungsbestätigung von 2:07:50 Stunden bei den Männern. Beide aber sagten für die WM ab. Als nächster fühlt sich Hendrik Pfeiffer berechtigt, nachzurücken. Doch der DLV entschied sich, den dritten Startplatz verfallen zu lassen.
Jörg Bügner, DLV-Vorstand für Leistungssport, sagte am 31. Mai in einer Aussendung des DLV: „Wir haben großes Verständnis dafür, dass Athletinnen und Athleten enttäuscht sind, wenn sie nicht nominiert werden und am Ende nicht alle Startplätze vergeben werden. Solche Entscheidungen sind nie einfach. Gleichzeitig sind wir verpflichtet, die festgelegten Kriterien fair und einheitlich anzuwenden – und unserem eigenen Leistungsanspruch treu zu blieben.“
Verständnis für den DLV hat Pfeiffer keines, wie ein aktueller Beitrag der WDR (online) unter Berufung auf den Social-Media-Auftritt des Athleten zeigt. Dort kritisiert der Athlet den Verband, nicht nachnominiert geworden zu sein. „Die Hürde, sich international für die WM zu qualifizieren, scheint wesentlich leichter zu sein, als seinen eigenen Verband auf seiner Seite zu haben“, beschwert er sich.
Ein Hauptkritikpunkt: Die vom Verband eingeführte interne Norm von 2:07:50 Stunden als Leistungsnachweis für alle, die sich über die Weltrangliste qualifiziert haben, wurde erst im Dezember 2024 eingeführt – ein Jahr nach Beginn des Qualifikationszeitraums. Hier liegt eine Parallele mit dem österreichischen Verband vor. Beide Vorgehensweisen erschweren die Planung von Marathonläufern, die aufgrund der langen Jahreszyklen auf Monate bis Jahre ausgerichtet sind, erheblich.
Pfeiffers Leistung von 2:07:14 Stunden, erzielt beim Houston Marathon 2024, fällt in die internationale Qualifikationszeitspanne, nicht jedoch in die nationale. Hätte er das gewusst, so betont Pfeiffer, wäre er auch mit einer anderen Zielstellung in den Berlin Marathon 2024 gegangen. „Ein Funktionär sollte für die Athleten da sein und nicht nur so weit hinter ihnen stehen, wie es den eigenen machtpolitischen Ambitionen in die Karten spielt“, greift der 32-Jährige in der ARD Jörg Bügner persönlich an.
Die WM-Marathonläufe von Tokio Mitte September werden mit einigen starken Europäer*innen über die Bühne gehen. So hat der britische Verband den Olympia-Vierten Emile Cairess sowie Calli Hauger-Thackery, der französische Verband hat Mekdes Woldu und Manon Trapp nominiert. Das starke italienische Männerteam besteht aus Yemaneberhan Crippa, Landesrekordhalter Yohanes Chiappinelli und Iliass Aouani, der im April Marathon-Europameister wurde. Von anderen nationalen Verbänden wie Spanien, das nach der medaillenreichen Straßenlauf-EM fast aus dem Vollen schöpfen kann, oder Belgien stehen die offiziellen Nominierungen noch aus.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © SIP / Johannes Langer – Julia Mayer bei der EM 2024 in Rom