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Von Freitag bis Sonntag finden in Annecy in den französischen Alpen die Off Road Europameisterschaften statt. Der Österreichische Leichtathletik-Verband ist mit einem 15-köpfigen Athlet*innen-Team vertreten. Die besten Chancen auf vordere Platzierungen haben die Innerhofer-Zwillinge Manuel und Hans-Peter, die in den beiden Berglauf-Disziplinen Vertical sowie Up & Down an den Start gehen werden. Dabei messen sie sich mit prominenter internationaler Konkurrenz, die durch nationale Vorausscheidungen teilweise etliche Wettkampfkilometer mehr in den Beinen haben als die Österreicher. Die fünffache Europameisterin Andrea Mayr ist dieses Mal nicht dabei, für sie kamen die Europameisterschaften nach einer langen Trainingspause im Winter zu früh.
Angeführt wird die ÖLV-Delegation bei den dreitägigen Titelkämpfen von den Innerhofer-Zwillingen Manuel und Hans-Peter (LC Oberpinzgau), die bei der Premierenauflage der Off Road Europameisterschaften vor zwei Jahren auf den Kanarischen Inseln als Vierter und Sechster im Up & Down Bewerb nur unweit der Medaillen performten. In diesem Jahr reisen die beiden Salzburger freilich topmotiviert, aber mit unterschiedlichen Voraussetzungen nach Frankreich.
Hans-Peter Innerhofer verspürt Rückenwind aus den bisherigen Saisonleistungen und einer guten Form im Training. Beim Johannesbad Thermen Marathon lief der Vorjahres-Zweite bei den Österreichischen Meisterschaften im 10km-Lauf und amtierende Berglauf-Staatsmeister deutlich unter 30 Minuten – und das im Februar mitten aus der Saisonvorbereitung heraus. Auch der Einstieg in die neue Trailrunningsaison mit dem Sieg beim Innsbruck Alpine (25 km) und mit Platz zwei bei der Golden National Series in Berchtesgaden gelang. „Das war eine Strecke, die mir eigentlich gar nicht gelegen ist, teilweise viel zu steil für mich. Und trotzdem war es ein gutes Ergebnis“, hielt der 28-Jährige nach dem Auftakt der sechsteiligen Trailrunningserie in der DACH-Region fest.
Die gute Grundform führt er auch auf die frische Zusammenarbeit mit Lars Schweizer zurück. Der Deutsche vom Team Two Peaks Endurance aus Füssen betreut die Zwillinge aus der Ferne und leitet sie mit Trainingsplänen. „Wir trainieren viel Umfang, viel Ausdauer. Insgesamt ist das Training stärker auf die Herzfrequenz ausgelegt als früher, das heißt, wir trainieren öfters in etwas langsameren Schritt als noch im letzten Jahr. Insgesamt ist es ein besserer Mix, auch zwischen flachen und bergigen Einheiten, und außerdem vielseitiger und spezifischer für das Trailrunning. Dennoch ist die Grundschnelligkeit da und wir merken auch, dass wir besser und schneller regenerieren“, schildern die beiden.
Detaillierte Prognosen will Hans-Peter Innerhofer für das kommende Wochenende keine geben, wie alle ÖLV-Teilnehmer*innen absolviert er einen Doppelstart mit dem Vertical am Freitag und dem Up & Down Bewerb am Sonntag. Prinzipiell kommt Zweiteres den Innerhofers eher entgegen, weil dieser Bewerb er den Trailrunning-Anforderungen entspricht. „Der Up & Down ist sehr stark besetzt“, gibt Hans-Peter zu bedenken und meint, dass viele Trailrunning-Asse, die kürzere Trailrunning-Distanzen bevorzugen, sich für den Up & Down entschieden hätten, anstatt die knapp 60 Kilometer im Trailbewerb anzugehen. „Daher ist die Dichte groß und schwierig vorhersehbar, wo ich landen könnte. Außerdem ist es quasi unser Berglauf-Saisonstart. Wir fühlen uns in der Fläche und in den Bergabpassagen wohl. Wenn diese nicht zu technisch sind, können wir überraschen – ansonsten haben wir vielleicht technische Nachteile gegen die Besten Europas“, schätzt er. Nachteile sieht er in den besonders steilen Passagen.
Der Vertical am Freitag sei vor allem eine Einteilungsgeschichte, ergänzt Manuel, der sich vor zwei Jahren mit einer offensiven Herangehensweise sprichwörtlich die Finger verbrannte. Die steilsten Passagen sind dieses Mal im ersten Renndrittel zu absolvieren, da gelte es gut durchzukommen. Dass Manuel eher in Richtung Vertical spitzelt, entspricht nicht seiner Stärke, aber der Verletzungsmisere im Winter. Aufgrund von monatelangen Achillessehnenproblemen musste er vom Laufen komplett auf Alternativtraining umsteigen und hielt sich mit Skibergsteigen und Radfahren fit. „Wahrscheinlich war die letztjährige Saison des Guten zu viel. Ich habe meine Körper übertrainiert und konnte das mit Krafttraining und Dehneinheiten nicht ganz ausgleichen“, mutmaßt er in einer ehrlichen retrospektiven Einschätzung angesichts der im letzten Jahr deutlich erhöhten Umfänge. Die waren durch den Fokus auf das Trailrunning und die damit verbundenen Wettkampfdistanzen auch notwendig. „Im Herbst bekam ich Probleme. Ich wollte die Beschwerden im Winter unbedingt ausheilen und bin von Therapie zu Therapie gelaufen“, erzählt er.
Mittlerweile verspürt er keine Schmerzen mehr, aber aufgrund des massiven Trainingsrückstands fühlt er sich nicht in bester Verfassung. „Mir fehlen die laufspezifischen und die harten Trainingseinheiten. Die EM wird mein Comeback!“ Hoffnung Richtung Vertical macht ihm die Beobachtung, dass es im Training beim Bergauf-Laufen gut lief, weil die Kraftwerte im Oberschenkel stimmen. Hinter dem Up & Down setzt er dagegen Fragezeichen, weil abseits der Bergaufpassagen die Grundlage merklich fehle.
Zusätzliche Motivation verspüren die beiden Pinzgauer, weil Österreich auch in der Teamwertung am Start ist. Mit Christof Hochenwarter (SC Hermagor), im Hauptberuf Skibergsteiger, hat Österreich einen dritten starken Athlet im Team, dem vor allem im Vertical einiges zuzutrauen ist. Dazu kommt Nachwuchstalent Martin Enzenberger (TGW Zehnkampf Union). Die Innerhofers spekulieren mit einem guten Abschneiden in der Nationenwertung, wenngleich die Konkurrenz um die Medaillen außer Reichweite scheint. Das Schweizer Team schätzen die beiden dabei noch höher ein als das italienische um Vertical-Titelverteidiger Cesare Maestri, beide Aufgebote sind tatsächlich prominent besetzt.
Die große Abwesende in Annecy ist die siebenfache Berglauf-Weltmeisterin und vierfache Berglauf-Europameisterin Andrea Mayr (SVS Leichtathletik). Sie verzichtet auf eine Teilnahme, da sie aufgrund einer fast zweimonatigen Trainingspause im Winter in Folge einer Influenzaerkrankung erst spät in ihr Training eingestiegen ist und sich der Formaufbau dadurch verzögert hat. „So krank war ich überhaupt noch nie“, erzählt die 44-Jährige, die aufgrund der Nachwirkungen des grippalen Infekts vorsichtig und behutsam wieder in die Trainingsbelastungen einsteigen musste.
Fast zwei Monate gab es ärztliches Belastungsverbot, welches sich an eine Trainingspause aufgrund einer Schulter-Operation im vergangenen Herbst anreihte. „Seit zweieinhalb Wochen fühle ich mich im Training wieder gut und ich sehe, dass ich große Fortschritte mache“, so Mayr. Ein EM-Start gegen die starke Konkurrenz aus ganz Europa kam zu früh, sie will ihre Saison eine Woche später mit den Staatsmeisterschaften beim Katrinberglauf in Bad Ischl eröffnen. „Richtung Hochsommer bin ich recht optimistisch, dass ich in guter Form sein werde und ich werde das dann auch bei diversen Vertical-Events zeigen“, kündigt sie an. Die EM-Bewerbe in Annecy will sie mit Interesse beobachten, ein bisschen Wehmut werde aufgrund ihrer Abwesenheit aufkommen, meint sie.
Daher ist Mayrs Schweizer Kontrahentin Maude Mathys die prominenteste EM-Teilnehmerin in den Berglauf-Wettkämpfen. Nachdem die 36-Jährige im vergangenen Jahr die WM in Innsbruck verletzungsbedingt verpasst hatte, verteidigt sie in Annecy beide Titel. Insgesamt hat Mathys bereits eine EM-Goldmedaille mehr gewonnen als Mayr. Die von der Rumänin Monica Madalina Florea , der Finnin Susanna Saapunki, der Französin Christel Dewalle und der Britin Scout Adkin angeführte Konkurrenz will ihr diesen Status streitig machen. Für Österreich sind Nora Havlinova (DSG Wien), Anna-Sopie Meusburger (Im Wald läuft’s) und die letztjährige Staatsmeisterschaftssilbermedaillengewinnerin Anna Plattner (LG Decker Itter) am Start. Einziger in der Altersklasse U20 aus Österreich ist Maximilian Meusburger (Im Wald läuft’s)
Die Off Road Europameisterschaften sind eingebettet in das MaXi Race, einem überregional bekannten und beliebten Trailrunning-Event am Lac du Annecy. Teilweise entsteht beim Informationsangebot des Veranstalters der Eindruck, als würden die Europameisterschaften als Art Rahmenprogramm in den Eventablauf integriert. Dabei ist die sportliche Qualität beachtlich und laut Einschätzung der Innerhofer-Zwillinge deutlich höher als vor zwei Jahren auf den Kanarischen Inseln.
Damals feierte die neue Meisterschaft, die Berglauf und Trailrunning unter ein Dach setzt, ihre Premiere. Wie prächtig dieser Zusammenschluss harmoniert, haben nicht zuletzt auch die World Mountain and Trail Running Championships vor einem Jahr in Tirol gezeigt. Das MaXi Race ist ein mehrtägiges Trailrunningevent von Salomon, das im Trailrunning marktführende Unternehmen hat seinen Sitz in Annecy.
Die Vertical-Bewerbe am Freitag führen von St. Jorioz, einem Dorf an der Westseite des Lac du Annecy, ins Waldgebiet von Semnoz. Die Junior*innen absolvieren eine 5,6 Kilometer lange Strecke mit einem Höhenunterschied von 830 Metern, die Männer und Frauen laufen nach der Ziellinie für die Junior*innen noch zwei Kilometer weiter und haben weitere 120 Höhenmeter zu bewältigen. Das Ziel befindet sich in einer Meereshöhe von 1.532 Metern. In beiden Fällen wird sich möglicherweise früh die Spreu vom Weizen trennen, denn nach einer kurzen flacheren Einstiegsphase ins Rennen folgt nach rund eineinhalb Kilometern der mit Abstand steilste Kilometer.
Die Up & Down Bewerbe haben ihre Ziellinie direkt in Annecy, eine Kleinstadt im Départment Savoyen mit einer reichhaltigen Geschichte, und zwar im Stadtteil Albigny, der den größten Strand am Lac du Annecy beinhaltet. Die Ziellinie ist direkt an der Uferpromenade. Die Junior*innen starten unweit des Ziels und absolvieren eine neun Kilometer lange Schleife, die von der Altstadt Annecys auf die Flanken des Mont Veyrier führt. 400 Höhenmeter im An- und 420 Höhenmeter im Abstieg sind zu absolvieren, der höchste Punkt liegt auf 853 Metern über dem Meeresspiegel. Die Elite der Männer und Frauen startet im Dörfchen Menthon-Saint-Bernard an der Ostseite des Sees in ihr Rennen, das 16 Kilometer lang ist und 960 Höhenmeter in An- sowie 1.010 Höhenmeter im Abstieg vorsieht. Der höchste Punkt der Strecke liegt auf 1.254 Metern über dem Meeresspiegel.
Der 57,64 Kilometer lange Trailbewerb endet ebenfalls am Seeufer im Zentrum von Annecy und startet in Faverges-Seythenex. Gut 3.500 Höhenmeter im An- und im Abstieg sind zu bewältigen.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © Wolfgang Huemer – Die Innerhofer-Zwillinge im Oktober 2023 beim Salzburg 10K