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Vom Start der drei Wettkampftage in Chorzow weg lag Italien in Führung und verteidigte den Platz an der Sonne letztendlich souverän – auch dank sieben Einzelsiegen und damit drei mehr als Polen, Deutschland, Spanien und die Niederlande. Es ist eine historische Premiere: Nie hat Italien die Team-EM oder einen der Vorgängerbewerbe für Nationalmannschaften gewinnen können. „Unsere Leichtathletinnen und Leichtathleten verdienen für das, was sie an den vergangenen Tagen geleistet haben, nicht nur die Aufmerksamkeit der europäischen Leichtathletik, sondern der weltweiten“, lobte Stefano Mei, Präsident des Italienischen Leichtathletik-Verbandes (FIDAL). Der Erfolg sei die Ernte der täglichen Arbeit in den Vereinen landesweit, die die Talente entdecken und fördern, um eines Tages Champions aus ihnen zu machen, so Mei. „In den letzten zweieinhalb Jahren waren unsere Resultate wirklich außergewöhnlich.“ Obwohl es sich bei diesem Erfolg um eine Premiere handelt, kam er nicht überraschend. Im Gegensatz zu manch anderer europäischer Leichtathletik-Großnation reisten die „Azzurri“ in faktischer Bestbesetzung nach Polen, der Verband hatte den Gesamtsieg nach Rang zwei vor zwei Jahren als Ziel ausgegeben. „Es ist ein großer Erfolg für die gesamte italienische Leichtathletik. In den Vereinen und unter den Trainern wird im ganzen Land eine hervorragende Arbeit geleistet. So können wir weitermachen“, sagte FIDAL-Sportdirektor Antonio La Torre. Für den italienischen Verband hat dieser Erfolg auch deshalb eine hohe Bedeutung, weil er ein Jahr vor den Heim-Europameisterschaften von Rom 2024 ein wichtiges Signal aussendet.
Erstmals seit 2017, als der Titelträger Deutschland hieß, steht nicht Polen an der Spitze der europäischen Leichtathletik-Nationen. Der Gastgeber schickte eine leistungsstarke Mannschaft ins Rennen, beispielsweise konnte das Team auf den Mittelstrecken, in den letzten Jahren eines der Steckenpferde der polnischen Leichtathletik, nicht so potent punkten wie gewohnt. Ein wesentlicher Grund dafür sind die Rücktritte von Adam Kszczot und Marcin Lewandowski. Der einzige Erfolg Polens in den Laufdistanzen gelang Alicja Konieczek im 3.000m-Hindernislauf der Frauen in einer Zeit von 9:38,72 Minuten, auch Martyna Galant konnte als Zweite des 1.500m-Laufs überzeugen. Konjeczek, EM-Vierte von München und Studenten-Weltmeisterin 2019, setzte sich in einem offenen und engen 3.000m-Hindernislauf ohne Beisein der besten Europäerinnen (wie Elizabeth Bird, Alice Finot oder die ihre Babypause genießende Gesa Krause) dank einer gezielten Tempoinitiative eingangs der letzten Runde gegen Flavie Renouard aus Frankreich und Marta Serrano aus Spanien durch. Es war bereits ihr zweiter Erfolg bei Team-Europameisterschaften nach jenem vor zwei Jahren. Die unterwegs offensiv laufende Tugba Güvenc aus der Türkei wurde Vierte, zwei Positionen vor der jungen Deutschen Pauline Meyer. Die Schweizerin Sibylle Häring, die kurzfristig für Chiara Scherrer einspringen musste, wurde Neunte.
Auch das siegreiche Italien bestach auf den Laufdistanzen nicht wirklich, einzig Nadia Battocletti wurde ihrer Stellung als klare Favoritin im 5.000m-Lauf der Frauen gerecht und siegte in einer Zeit von 15:25,09 Minuten. Die 23-Jährige kontrollierte den Wettkampf, in dem lange Zeit die am Ende fünftplatzierte, deutsche Hindernislauf-Vize-Europameisterin Lea Meyer für die Tempogestaltung sorgte. Dreieinhalb Runden vor Schluss setzte sich die Italienerin erstmals an die Spitze der kompakten Gruppe mit acht eng beieinander liegenden Läuferinnen. Im finalen Umlauf zog sie das Tempo merklich an und war letztlich im Kampf um den Sieg ungefährdet. „Dieser Sieg hat eine große Bedeutung für mich. Wir sind ein junges und sehr ambitioniertes Team und ich habe die Verantwortung gespürt, hier 16 Punkte für den Sieg beisteuern zu wollen. Ich war bereit dafür“, sagte Battocletti nach ihrem Erfolg früh am ersten Wettkampftag. Die Britin Hannah Nuttall sicherte mit 4,4 Sekunden Rückstand den zweiten Platz im Duell gegen die Spanierin Agueda Marques ab, überraschend starke Vierte wurde die Norwegerin Kristine Eikrem Engeset. Abgesehen von Battoclettis Erfolg schaffte Italien in den acht Laufdisziplinen nur noch eine Stockerlplatzierung und zwar durch Yemaneberhan Crippa als Drittem im 5.000m-Lauf der Männer.
Mit Gesamtrang drei zeigte sich der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) angesichts etlicher auch prominenter Ausfälle zufrieden, das Ziel eines Medaillengewinns wurde erreicht. „Polen und der überragende Sieger Italien waren letztlich besser. Unser Ziel war es, mit vielen jungen Athletinnen und Athleten am Ende auf dem Podium zu stehen und das ist uns gelungen“, zog DLV-Sportdirektor Jörg Bügner eine positive Bilanz. Gerade in den acht Laufdisziplinen konnte Deutschland, u.a. ohne Konstanze Klosterhalfen, Alina Reh, Karl Bebendorf oder Sam Parsons, nicht immer überzeugen. Den Mittelstreckenläuferinnen Majtie Kolberg (800m) und Hanna Klein (1.500m) gelang jeweils ein dritter Platz, zu den größten Enttäuschungen gehörte Amos Bartelsmeyer mit einem desolaten 15. Platz im 1.500m-Lauf der Männer. Dennoch gelang dem deutschen Team der fast schon traditionelle Medaillengewinn, ganz im Gegensatz zum britischen Team, das üblicherweise bei Team-Europameisterschaften auch zu den Besten gehört, wenn der Verband nicht sein A-Team schickt. Das gelang dieses Mal mit Rang fünf hinter Spanien und nur knapp vor der Niederlande und Frankreich bei weitem nicht. Die auf kontinentaler Ebene übliche Dominanz der Briten auf den Laufdistanzen war in Abwesenheit von u.a. Laura Muir, Elizabeth Bird, Jake Wightman oder Keely Hodgkinson, die im 400m-Sprint am Start war, nicht sichtbar. Isabelle Boffey (800m) und Hannah Nuttall (5.000m) gelangen zwei zweite Plätze, Hindernisläufer Zak Seddon wurde Dritter.
Ein erfolgreiches Abschneiden gelang auch der Schweizer Nationalmannschaft, die mit Platz zwölf und 263 erzielten Punkten den Abstieg vermied und auch 2025 bei der Team-EM in der spanischen Hauptstadt Madrid erstklassig ist. Hinter der Schweiz schaffte auch Griechenland den Klassenerhalt, dagegen müssten die Nationalteams aus Belgien, wo eine Kugelstoßerin kurzfristig im Hürdensprint einsprang und damit für einen erheiternden Augenblick sorgte, die Türkei und das ohne seine Topstars Karsten Warholm und Jakob Ingebrigtsen angetretene Norwegen absteigen.
Zur Schweizer Erfolgsbilanz wesentlich beigetragen haben drei Disziplinensiege, zwei davon im 800m-Lauf. Jener am zweiten Wettkampftag bei den Frauen war keine Überraschung, denn die Junioren-Europameisterin und Junioren-Vize-Weltmeisterin Audrey Werro hat ihre Klasse längst nachgewiesen. Die 19-Jährige setzte sich gleich mit Vehemenz an die Spitze und führte das Feld mit einer Zwischenzeit von 59,09 Sekunden in die zweite Runde. Mit ihrem Tempodiktat verteidigte die Schweizerin stets den Platz an der Spitze und feierte einen eindrucksvollen Start-Ziel-Sieg – wohlgemerkt ohne Tempomacherin – in einer Zeit von 1:59,95 Minuten. „Ich wollte auf keinen Fall zu schnell laufen, um nicht zu viel Energie zu verpulvern. Das ist gelungen, ich fühle mich entspannt und bin stolz darauf, 16 Punkte für die Schweiz geholt zu haben“, meinte die talentierte 800m-Läuferin nach ihrem Erfolg. Es war ihr zweiter Lauf unter zwei Minuten in dieser Saison, der vierte insgesamt. Hinter Werro belegte U23-Europameisterin Isabelle Boffey (2:00,39) Rang zwei, dank eines immensen Schlussspurts, mit dem sie fünf Positionen gut machte, belegte die Deutsche Majtie Kolberg in 2:00,72 Minuten den dritten Platz.
Die größte Sensation und eine echte Kuriosität ereigneten sich im 800m-Lauf der Männer. Filip Snjedr aus Tschechien, José Carlos Pinto aus Portugal und Bram Buigel aus Holland sorgten nacheinander im B-Lauf für ein hohes Tempo. Entlang der Zielgerade wies sich der 19-jährige Schweizer Ramon Wipfli, nur auf Platz 132 der Europarangliste platziert, als der Beste heraus und siegte überraschend mit einer persönlichen Bestleistung von 1:46,73 Minuten. Die Sensation deutete sich wenige Minuten später an, als sich im A-Lauf während der zweiten Hälfte der ersten Runde keiner so richtig für ein schnelles Tempo verantwortlich zeigte und die Durchgangszeit zur Halbzeit knapp zwei Sekunden langsamer war als im B-Lauf. Der virtuelle Rückstand bei der Durchgangszeit nach 600m lag gar über zwei Sekunden. Zwar gewann der Schwede Andreas Kramer mit einem enormen Schlussspurt von Platz sechs aus der Kurve mit einem Überholmanöver mit dem letzten Atemzug gegen Ben Pattison aus Großbritannien noch den Lauf, doch seine Siegerzeit von 1:46,92 Minuten war trotz der rasanten Schlussphase um zwei Zehntelsekunden langsamer als jene von Wipfli. Sie reichte nur für Platz fünf.
Zwei Jahre vor dem Heimspiel bei der Team-EM in Madrid fehlten Spanien am Ende 35,5 Punkte auf eine Medaille. Auf den Laufdistanzen war das Team von der Iberischen Insel in Chorzow aber die Nummer eins, nicht weniger als vier der acht Disziplinensiege im Laufbereich gingen an Spanien. Einen Favoritensieg feierte Mohamed Katir im 1.500m-Lauf, doch der 25-Jährige wurde bis zur Ziellinie ordentlich gefordert und siegte mit einem neuen Meisterschaftsrekord von 3:36,95 Minuten knapp vor dem starken Portugiesen Isaac Nader (3:37,37). „Ich bin froh über die 16 Punkte für Spanien. Ich bin taktische Rennen nicht so gewohnt, denn in der Diamond League wird immer Vollgas gelaufen. Daher war das eine wichtige Bühne für mich, auch hinblicklich der WM in Budapest“, kommentierte der Sieger. Das holländische Riesentalent Niels Laros überzeugte auf Platz drei in 3:37,59 Minuten. „Es war großartig, hier mein Land zu vertreten. Ich hoffe, das wird in Zukunft zur Regelmäßigkeit“, so der 18-Jährige, der die U20-EM als sein Hauptsaisonziel deklariert hat.
Auch der Sieg von Thierry Ndikumwenayo, der sein Debüt für Spanien gab, im 5.000m-Lauf der Männer war ein Favoritensieg. Der aus Burundi stammende, 26-Jährige genoss an dritter Stelle laufend die teils widerwillige Tempogestaltung von Yemaneberhan Crippa und Anders Almgren und spielte seine Stärke im Finale aus. Als der Skandinavier auf den letzten beiden Runden ankurbelte, konnte der italienische Europameister im 10.000m-Lauf nicht mehr folgen. Ndikumwenayo setzte sich in einem schnellen Finale rechtzeitig vor der letzten Kurve an die Spitze, Almgren hielt vehement dagegen. Am Ende hatte Ndikumwenayo nach einer Schlussrunde in 52,10 Sekunden in 13:25,48 Minuten die Nase knapp vorne, Almgrens Schlussrunde hatte in 53,31 Sekunden ebenfalls eine hohe Qualität, er erreichte eine Endzeit von 13:25,70 Minuten. Der drittplatzierte Crippa hatte neun Sekunden Rückstand, der viertplatzierte Franzose Alexis Miellet gar 26.
Ebenfalls keine Überraschung war der Sieg von Daniel Arce am ersten Wettkampftag im 3.000m-Hindernislauf der Männer. Mit verbissenem Gesichtsausdruck und großem Jubel überquerte der 31-Jährige die Ziellinie in einer Zeit von 8:25,88 Minuten vor dem Schweden Emil Blomberg und dem Briten Zak Seddon. Der Deutsche Frederik Ruppert belegte hinter dem italienischen EM-Medaillengewinner Osama Zoghlami Rang fünf, Europameister Topi Raitanen lief als Zehnter deutlich hinterher.
Den engsten Zieleinlauf aller Laufdistanzen gab es im gut besetzten 1.500m-Lauf der Frauen. Die Spanierin Esther Guerrero zog von vorne einen langen Zielspurt, die Polin Martyna Galant saugte sich im Windschatten unter dem Jubel des quantitativ unter den Erwartungen erschienenen Publikums an die Führende heran, Seite an Seite ging es über die Ziellinie. In einer Zeit von 4:11,77 Minuten hatte Guerrero am Ende die Nase mit einer Hundertstelsekunde vorne. „Ein guter Wettkampf, ich hatte alles unter Kontrolle“, meinte die routinierte Spanierin. Hanna Klein wurde Dritte, die Schweizer 800m-Spezialistin Lore Hoffmann präsentierte sich trotz einiger Probleme im Positionskampf mit Platz fünf prächtig.