Das Memorial van Damme hat wahrlich schon eine Reihe außergewöhnlicher Leichtathletik- und Laufleistungen gesehen, zum bereits 47. Mal ging das traditionsreiche Meeting im nach König Baldwin benannten Stadion von Brüssel über die Bühne. Jene von Jakob Ingebrigtsen reiht sich nahtlos in diese Höhepunkte ein. Die Zielmarke des Abends war für den Norweger die Zeit von 4:44,79 Minuten, die die marokkanische Mittelstrecken-Legende, noch Weltrekordhalter über die Meile und im 1.500m-Lauf, 1999 beim ISTAF in Berlin aufgestellt hatte. Ingebrigtsen ließ sich die erste Rennhälfte von den Tempomachern genau so anlaufen, dass er bei Halbzeit auf Kurs lag. Dank einer letzten Runde in knapp unter 55 Sekunden Sekunden schaffte er einen deutlichen negativen Split und hielt die Zeitnehmung bei einer Zeit von 4:43,13 Minuten an. „Es ist immer ein Riesenspaß einen Weltrekord zu brechen. Ich wusste, dass das möglich sein würde, die Frage war nur, wie ich mich von meiner Erkältung bei den Weltmeisterschaften erholt hätte. Es hat sich gut angefühlt.“ Der 22-Jährige merkte in seinem Statement gegenüber der Wanda Diamond League an, dass dieser Weltrekord für ihn „weniger schwierig“ zu brechen war als andere, womit er wohl hauptsächlich auf jenen im 1.500m-Lauf abzielte. Außerdem betonte er, dass der Leichtathletik-Weltverband (World Athletics) auf der Distanz von 2.000m einen offiziellen Weltrekord führt und keine so genannte Weltbestleistung. Zu Saisonbeginn hat Ingebrigtsen die Weltbestleistung über zwei Meilen verbessert.
Glanzleistung von 18-jährigem Laros
Das schnelle Rennen in Brüssel, in dem Ingebrigtsen klar überlegen agierte, nützten mehrere Läufer trotz der für diese Jahreszeit untypisch hohen Temperaturen selbst in den Abendstunden zu historischen Leistungen. Reynold Cheruiyot verbesserte den kenianischen Rekord auf eine Zeit von 4:48,14 Minuten und wurde Zweiter. Stewart McSweyn steigerte als Dritter in seinem wohl besten Wettkampf seit einiger Zeit den ozeanischen Kontinentalrekord von Craig Mottram um zwei Sekunden auf eine Zeit von 4:48,77 Minuten. Bemerkenswert ist auch der neue holländische Rekord von Niels Laros (4:49,68) als Wettkampf-Vierter. Cheruiyots und Laros’ Leistungen sind die zwei besten der Geschichte in der Altersklasse U20, auch wenn World Athletics diese Liste offiziell nicht führt – Laros blieb auch unter dem alten Europarekord von Jakob Ingebrigtsen aus dem Jahr 2020.
Nicht unwichtig ist auch, dass dieser Lauf zum Diamond Race im 1.500m-Lauf zählte und damit das zehnköpfige Finalfeld nun klar ist. Mit dem sechsten Platz schaffte 1.500m-WM-Medaillengewinner Narve Gilje Nordas den Sprung ins Feld, auch der neue spanische Rekordhalter Mario Garcia und McSweyn haben sich den Startplatz nächstes Wochenende in Eugene gesichert. Ingebrigtsen ist als Qualifikationssieger mit fünf Erfolgen bei fünf Starts in sieben Rennen genau so sicher dabei wie Weltmeister Josh Kerr, der nur zweimal in der Diamond League antrat, aber jeweils in die Top-Drei lief.
Muir schlagt Mageean
Abseits der Weltrekordleistung von Ingebrigtsen schaffte Laura Muir die Laufleistung des Abends. Die Schottin, die nach der Trennung von Langzeitcoach Andy Young schleppend und mit unkonstanten Leistungen in die Saison kam und bei den Weltmeisterschaften erstmals seit 2019 bei einem globalen Event ohne Medaille blieb, wird gegen Saisonende hin immer stärker. Das hatte bereits ihr 800m-Sieg in Zürich angekündigt, der Sieg in Brüssel im 1.500m-Lauf war aber noch beeindruckender. In einer Saisonbestleistung von 3:55,34 Minuten, die nicht weit von Muirs allerbesten Leistungen entfernt ist, ließ sie die WM-Vierte Ciara Mageean hinter sich, obwohl die in einer Zeit von 3:55,87 Minuten mit einem neuen irischen Rekord glänzte und sich damit sehr glücklich zeigte. „Ich war bei der WM in großartiger Form, unglücklicherweise hatte ich dort nicht meinen besten Tag“, meinte die 30-Jährige, die in diesem Wettkampf ein spezielles Auge auf Mageean warf. „Normalerweise holt sie mich im Endspurt immer ein, heute habe ich einen Extragang gefunden“, so Muir. Von den letzten fünf direkten Duellen mit der Irin vor Brüssel war die Schottin ihr viermal unterlegen.
Damit dominierte das europäische Duo das Feld. Nelly Chepchirchir aus Kenia (3:56,93) und Jessica Hull aus Australien (3:57,75) kamen auf den weiteren Plätzen ins Ziel. Mit Katie Snowden und Melissa Courtney-Bryant kamen auch die beiden weiteren britischen WM-Finalistinnen auf Platz sieben, die zuletzt in Rovereto bestechende, 19-jährige Amerikanerin Addison Wiley, dort im 800m-Lauf, lief erstmals in ihrer noch jungen Karriere unter vier Minuten. Das Diamond-League-Finale in Eugene verspricht in dieser Disziplin Spannung, denn mit Ausnahme der Äthiopierin Gudaf Tsegay, die sich 2023 eher den langen Distanzen gewidmet hat, sind die Top-Läuferinnen alle qualifiziert. Courtney-Bryant schaffte genauso wie Chepchirchir mit ihren sechs Punkten last-minute die Qualifikation, womit u.a. die australische Rekordhalterin Linden Hall, in Brüssel nur Zehnte, aus den Top-Ten rutschte.
Schrecksekunde für Sedjati, starker Auftritt von Meziane
Im 800m-Lauf sorgte Tempomacher Collins Kipruto für einen gefährlichen Zwischenfall, als er unentschlossen sein Rennen beendete und auf die Außenbahn driftete. Dort aber hatten die beiden Algerier Djamel Sedjati und Slimane Moula gerade ihre Attacken gezündet. Während Sedjati durchkam, kam sein Landsmann außer Tritt und wurde Letzter. Sedjati aber holte entlang der Zielgerade den jungen Franzosen Yanis Meziane ein und siegte in einer Zeit von 1:43,60 Minuten. Es war sein zweiter Erfolg in der Diamond League nach jenem in Stockholm im Frühsommer.
Meziane hatte das Rennen mutig eröffnet und folgte dem Tempomacher auf dessen sehr schneller ersten Runde. Zwar reichte es für den 21-Jährigen nicht für den Sieg, aber er erreichte sein mit Abstand bestes Resultat in der wichtigsten Meetingserie der Welt und lief erstmals unter 1:44 Minuten. Der U23-Europameister ist damit der europäische Aufsteiger der Saison, vielleicht gemeinsam mit dem Briten Ben Pattison, der bei den Weltmeisterschaften in Budapest eine Medaille gewonnen hatte. Pattison wurde in Brüssel Fünfter hinter Tshepiso Masalela aus Botswana, der seinen „Hausrekord“ bei seinem Diamond-League-Debüt auf 1:44,03 Minuten schraubte, und Landsmann Daniel Rowden.
Meziane und Rowden haben sich mit ihren Leistungen in Brüssel im letzten Moment noch für das Diamond-League-Finale qualifiziert. Dort sind dann auch Weltmeister Marco Arop und Vize-Weltmeister Emmanuel Wanyonyi am Start, die meisten Punkte im Diamond Race haben Wyclife Kinyamal, in Brüssel Siebter, und Sedjati gesammelt.
Tanaka kratzte am Asienrekord
In der längsten Laufentscheidung des Abends, dem 5.000m-Lauf gelang der ehemaligen Junioren-Weltmeisterin (3.000m) Nozomi Tanaka ein großer Wurf. Erstmals hielt sie mit den Top-Afrikanerinnen mit und verbesserte ihren erst bei den Weltmeisterschaften im Vorlauf aufgestellten japanischen Landesrekord um fast neun Sekunden auf eine Zeit von 14:29,18 Minuten. Damit verpasste die 24-Jährige den 26 Jahre alten Asienrekord der Chinesin Bo Jiang lediglich um eine Sekunde. „Ich glaube, ich bin unglaublich intelligent gelaufen. Diese Leistung ist eine der größten meiner Karriere“, meinte sie nachher.
Im Wettkampf musste sich Tanaka lediglich der kenianischen WM-Zehnten Lilian Rengeruk (14:26,46) und der jungen Äthiopierin Medina Eisa geschlagen geben. Für Rengeruk, die im vergangenen Jahr zehn Monate lang wegen des Gebrauchs eines unerlaubten Medikaments gesperrt war, war es in Abwesenheit einiger Topläuferinnen aus Kenia und Äthiopien ihr Diamond-League-Premierensieg. Beste Europäerin war Karoline Bjerkeli Grövdal auf Platz sieben vor Jessica Warner-Judd, die eine persönliche Bestleistung von 14:51,53 Minuten schaffte. Für die Finalplätze in Eugene hatte das Rennen in Brüssel keine Auswirkungen.
Im Vorprogramm stand ein 10.000m-Lauf der Männer auf dem Programm, den der Kenianer Daniel Ebenyo in einer Zeit von 26:57,80 Minuten dominierte. Zweiter wurde Jimmy Gressier in 27:25,48 Minuten, zweitbester Europäer war Amanal Petros aus Deutschland in 27:47,62 Minuten als Vierter, noch vor dem sehr enttäuschenden, kenianischen Meister Nicholas Kipkorir.
Ergebnisse Memorial van Damme 2023 (Laufentscheidungen)
2.000m-Lauf der Männer
- Jakob Ingebrigtsen (NOR) 4:43,13 Minuten *
- Reynold Cheruiyot (KEN) 4:48,14 Minuten **
- Stewart McSweyn (AUS) 4:48,77 Minuten ***
- Niels Laros (NED) 4:49,68 Minuten ****
- Mario Garcia (ESP) 4:49,85 Minuten *****
- Narve Gilje Nordas (NOR) 4:50,64 Minuten ******
- Abel Kipsang (KEN) 4:50,68 Minuten
- Charles Philibert-Thiboutot (CAN) 4:51,54 Minuten *******
- Reuben Verheyden (BEL) 4:52,37 Minuten ********
1.500m-Lauf der Frauen
- Laura Muir (GBR) 3:55,34 Minuten ********
- Ciara Mageean (IRE) 3:55,87 Minuten **********
- Nelly Chepchirchir (KEN) 3:56,93 Minuten
- Jessica Hull (AUS) 3:57,75 Minuten
- Katie Snowden (GBR) 3:58,03 Minuten
- Hirut Meshesha (ETH) 3:58,06 Minuten
- Melissa Courtney-Bryant (GBR) 3:58,09 Minuten
- Addison Wiley (USA) 3:59,17 Minuten ******
800m-Lauf der Männer
- Djamel Sedjati (ALG) 1:43,60 Minuten
- Yanis Meziane (FRA) 1:43,94 Minuten ******
- Tsheoiso Masalela (BOT) 1:44,03 Minuten ******
- Daniel Rowden (GBR) 1:44,12 Minuten
- Ben Pattison (GBR) 1:44,32 Minuten
- Bryce Hoppel (USA) 1:44,37 Minuten
- Wycliffe Kinyamal (KEN) 1:44,38 Minuten
- Saul Ordonez (ESP) 1:44,84 Minuten
- Slimane Moula (ALG) 1:45,80 Minuten
5.000m-Lauf der Frauen
- Lilan Rengeruk (KEN) 14:26,46 Minuten
- Medina Eisa (ETH) 14:28,94 Minuten
- Nozomi Tanaka (JPN) 14:29,18 Minuten ***********
- Winnie Jemutai (KEN) 14:39,05 Minuten ******
- Ayal Dagnachew (ETH) 14:39,11 Minuten ********
- Merkedes Alemeshte (ETH) 14:45,13 Minuten ******
- Karoline Bjerkeli Grövdal (NOR) 14:47,84 Minuten
- Jessica Warner-Judd (GBR) 14:51,53 Minuten ******
10.000m-Lauf der Männer
- Daniel Ebenyo (KEN) 26:57,80 Minuten ******
- Jimmy Gressier (FRA) 27:25,48 Minuten ********
- Stanley Waithaka (KEN) 27:30,36 Minuten ********
- Amanal Petros (GER) 27:47,62 Minuten ******
- Nicholas Kipkorir (KEN) 28:05,12 Minuten
- Andrew Butchart (GBR) 28:11,60 Minuten
…
DNF Bashir Abdi (BEL)
* neuer Weltrekord
** neuer kenianischer Landesrekord
*** neuer Ozeanienrekord
**** neuer holländischer Landesrekord
***** neuer spanischer Landesrekord
****** neue persönliche Bestleistung
******* neuer Nord- und Mittelamerikarekord
******** neuer belgischer Landesrekord
********* neue Saisonbestleistung
********** neuer irischer Landesrekord
*********** neuer japanischer Landesrekord
Wanda Diamond-League-Meeting in Brüssel