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Josh Kerr triumphiert vor heimischem Publikum

Zur großen Freude der schottischen Fans in der ausverkauften Emirates Arena von Glasgow stürmte Josh Kerr zum erhofften WM-Titel unter dem Hallendach über 3.000m.
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Ein Winter voller großer Worte war für Josh Kerr auch ein Winter voller großer Taten. Ziel mehrerer von Selbstvertrauen getränkten, in den Medien gezielt verbreiteten Attacken war der norwegische Ausnahmeläufer Jakob Ingebrigtsen, den der Schotte in einem denkwürdigen WM-Finale über 1.500m von Budapest 2023 besiegen konnte. Große Taten setzte er zwei. Die erste bei den Millrose Games in New York, als er Mo Farah über zwei Meilen den Europarekord klaute. Und dann, nachdem er sich eher kurzfristig entschied, aus seiner langjährigen Wahlheimat USA in seine tatsächliche Heimat Schottland zu reisen, um an den Heim-Weltmeisterschaften in der Halle teilzunehmen, am Samstagabend im stimmungsvollen Rahmen der Emirates Arena.

Erster europäischer Hallen-WM-Titel seit 1995

In einer Zeit von 7:42,98 Minuten entschied Josh Kerr einen von der Taktik geprägten Wettkampf dank seiner Endschnelligkeit im Zweikampf mit Langstrecken-Spezialist Selemon Barega für sich. Es war ein Rennverlauf, wie ihn der Brite kaum besser für ihn wünschen hätte können. In den wichtigsten Minuten war er präsent und nutzte die auf dem Silbertablett servierte Chance und griff zu. Gold aus einer Position, die viele als die Favoritenposition gesehen hätten. „Heute war die Geduld der Schlüssel“, kommentierte der neue Weltmeister. Überraschungssieg war dies keiner, auch wenn es statistisch so aussehen mag. Mit Ausnahme seines Landsmanns Marc Scott, der vor zwei Jahren in Belgrad bei einem äthiopischen Doppelsieg Bronze gewann, hatte Europa in dieser Disziplin zuletzt 2010 mit dem Spanier Sergio Sanchez (Silber) eine Medaille geholt. Der letzte Hallen-WM-Titel für einen Europäer in dieser Disziplin gelang dem Italiener Gennaro Di Napoli vor sage und schreibe 29 Jahren, damals in Barcelona.

Ein Sieg mit großer Aussage- und Strahlkraft war der Triumph von Kerr definitiv. Auch in Richtung des abwesenden, weil in der Regeneration von einer Verletzung befindlichen Jakob Ingebrigtsen. Schließlich dauert kein halbes Jahr mehr bis zu den Olympischen Spielen von Paris. Dort ist ein heißes Duell auf den 1.500m zwischen den beiden zu erwarten.

Ergebnis 3.000m-Lauf der Männer, Hallen WM-2024
Gold: Josh Kerr (Großbritannien) 7:42,98 Minuten
Silber Yared Nuguse (USA) 7:43,59 Minuten *
Bronze: Selemon Barega (Äthiopien) 7:43,64 Minuten

 
4. Getnet Wale (Äthiopien) 7:44,77 Minuten
5. Olin Hacker (USA) 7:45,40 Minuten *
6. Adel Mechaal (Spanien) 7:45,67 Minuten
7. Pietro Arese (Italien) 7:46,46 Minuten
8. John Heymans (Belgien) 7:48,18 Minuten
9. Mohamed Ismail (Dschibuti) 7:50,05 Minuten **
10. Hicham Akankam (Marokko) 7:55,04 Minuten
11. Federico Riva (Italien) 8:02,66 Minuten
12. Mohamed Yaqoot (Afghanistan) 8:02,66 Minuten
 
* neue Saisonbestleistung
** neue persönliche Bestleistung

Kerrs Schlussrunden als Trumpf

Im Gegensatz zu vorangegangenen Hallen-Weltmeisterschaften waren in Glasgow 2024 keine Vorläufe für die längste Laufdistanz vorgesehen. Nach der kurzen EInfindungsphase nach dem Startschuss mit dem amerikanischen Medaillenkandidaten Yared Nuguse an der Spitze legte sich die Hektik in einem Rennen, das nicht allzu hohes Tempo aufwies. Sporadisch immer mal wieder zog das äthiopische Duo Selemon Barega und Getnet Wale an, allerdings ohne die notwendige Ernsthaftigkeit, um die Konkurrenz zu schocken. Je näher das Feld der entscheidenden Phase kam, desto gewissenhafter platzierte sich Kerr im vorderen Teil des Feldes. Der überraschend starke US-Amerikaner Olin Hacker warf den Federhandschuh ins Gefecht, als er die kurzzeitige äthiopische Doppelführung brach. Kerr setzte sich mit einer bärenstarke vorletzten Runde (27,45 Sekunden) rechtzeitig zum Glockenton für den letzten Umlauf in den Windschatten von Barega und finalisierte mit der naturgegebenen Überlegenheit im letzten Umlauf gegen den Olympiasieger über 10.000m ein taktisch gelungenes Rennen in einer Zeit von 7:42,98 Minuten. Die Schlussrunde war sagenhaft schnell: 25,19 Sekunden.

Anschließend folgte eine emotionale Ehrenrunde vor dem Heimpublikum. „Ich wollte den Erwartungen aller gerecht werden. Ich wusste, dass ich heute mit dem Support ganz Schottlands und des ganzen Königreichs laufen würde. Mit diesem vollen, schottischen Stadion hatte ich den Eindruck, dass war die lauteste Kulisse, vor der ich je gelaufen bin. Es war sehr emotional“, beschrieb Kerr die Gefühle nach seinen Rennen. Und einen bissigen Spruch hatte er wie immer auf Lager: „Ich denke, die Ehrenrunde hat mehr Energie gekostet als der gesamte Wettkampf!“

Endschneller Nuguse mit erster globaler Medaille

Mit einem beherzten Endspurt sicherte sich Yared Nuguse in einer Zeit von 7:43,59 Minuten noch die Silbermedaille, indem er sich mit den letzten Atemzügen des Rennens noch an Titelverteidiger Barega vorbeischob. Nuguses Schlussrunde war lediglich um 0,05 Sekunden langsamer als die von Kerr. Für den 24-jährigen 1.500m-Spezialisten ist es der erste große internationale Erfolg, bei den Weltmeisterschaften von Budapest war er als Fünfter leer ausgegangen. „Mein Gefühl sagt mir: Endlich habe ich mein Ziel erreicht. Die erste Medaille bedeutet mir sehr viel“, so der Amerikaner, der von einer elektrisierenden Atmosphäre und viel Druck auf seinen Schultern sprach. Für mehr, das gab er selbstkritisch zu, lag er vor dem finalen Umlauf zu weit zurück – nämlich auf Position fünf und eine halbe Sekunde hinter Kerr. Dass Nuguse sich auf der doppelten Distanz wohlfühlt, hatte er bereits bei einigen Hallenrennen in den USA gezeigt. „Der 3.000er ist im Winter ideal für mich, um Stärke für die Sommersaison aufzubauen, und gleichzeitig nicht so scharf wie der 1.500er“, erklärte er.

Dritte Medaille in Serie für Barega

Barega hat nach Silber 2018 und Gold 2022 nun den kompletten Medaillensatz auf der Habenseite und verließ Glasgow mit seelischem Frieden, auch wenn zur Titelverteidigung letztlich viel fehlte. „Das Wetter in den letzten Monaten war in Äthiopien gut, so haben wir fast nur im Freien trainiert. Das war einerseits hervorragend, andererseits sind die Hallenrennen so eine große Herausforderung“, analysierte der 24-Jährige.

Seine Schlussrunde hatte in einer Teilzeit von 25,81 Minuten die Qualität für mehr und war schneller als seine Schlussrunde vor zwei Jahren beim Triumph, wie „Let’s Run“ betonte – Barega scheiterte schlicht an zwei besseren Kontrahenten. Seine Bronzemedaille bedeutete, dass die Hallen-WM-Goldmedaille in dieser Disziplin erstmals seit 2014 nicht an Äthiopien ging. Ein Podium ohne Äthiopien gab es zuletzt 2012, als der US-Amerikaner Bernard Lagat Hallen-Weltmeister vor einem kenianischen Duo wurde.

Unausgewogenes Feld

Der zweitbeste Äthiopier Getnet Wale belegte Platz vier vor dem zweiten Amerikaner, Olin Hacker. Zweitbester Europäer hinter Kerr war der spanische Routinier Adel Mechaal auf Rang zwölf. Dass bei einem auf 15 Startplätze reduzierten Teilnehmerfeld nur zwölf Läufer im Ziel waren, ist im übrigen auch nicht im Sinne des Erfinders. Interessant an dieser Disziplin ist aber die Tatsache, dass nur vier Läufer im Feld das freilich scharfe WM-Limit von 7:29,00 Minuten unterbieten konnten – etliche nahmen ihr Startrecht nicht wahr, wie etwa der dritte Äthiopier Lamecha Girma oder der verletzte Jakob Ingebrigtsen. Zwei Außenseiter hatten ihr Startrecht über die Mitgliedsverbandsregeln der Nominierungsmöglichkeit eines Athleten oder einer Athletin außerhalb der Qualifikationskriterien, in diesem Fall von El Salvador und Afghanistan gezogen, der Rest des Feldes qualifizierte sich über die Weltrangliste. Das wäre im übrigen auch dem Deutschen Maximilian Thorwirth gelungen, der aber nicht Teil des historisch kleinen DLV-Teams in Glasgow war. Für viele hat, das ist nichts Neues, die Sommersaison Priorität.

Hallen-Weltmeisterschaften 2024 in Glasgow

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