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Die Marathonszene sucht ihren neuen Topmann. Nach einem Superstar, der die Entwicklung von Kelvin Kiptum weiterführt. Auf dem Kurs Richtung Sehnsuchtszeit zwei Stunden oder schneller. Gesucht werden junge Ausnahmetalente, die noch vor ihrem 30er Spitzenleistungen im Marathon bringen und dank aller neuer technologischer Hilfsmittel Zeiten anstreben, die vor Jahren noch unvorstellbar waren. Am ehesten traut die globale Szene diese Schritte zwei ugandischen Nationalhelden zu. Der eine, Jacob Kiplimo, pulverisierte zuletzt den Weltrekord im Halbmarathon (siehe RunUp.eu-Bericht) und greift beim London Marathon als Debütant nach den Sternen. Der andere, Joshua Cheptegei, enttäuschte bei seiner Premiere in Valencia 2023 und verließ auch die Bühne des Tokio Marathon 2025 als Geschlagener.
Es war bereits nach wenigen Kilometern klar, dass dieser Marathon nicht derjenige des Joshua Cheptegei werden würde. Der mit viel Spannung erwartete Start des 28-Jährigen entpuppte sich auf der schnellen Strecke in Tokio nicht als Raketenstart. Bereits bei Kilometer fünf war der Star des Rennens nur in der zweiten Gruppe, mit 16 Sekunden Rückstand auf die Spitze. Und dieser Abstand wuchs kontinuierlich, beim Halbmarathon fehlten 51 Sekunden auf eine inklusive Tempomacher zehnköpfige Spitze rund um die späteren Hauptprotagonisten des Rennens.
Obwohl der Olympiasieger im 10.000m-Lauf in einer guten Gruppe lief, verlor er auch auf der zweiten Rennhälfte kontinuierlich an Zeit auf die Spitze und finishte letztendlich in einer Zeit von 2:05:59 Stunden als Neunter. Beinahe wäre er noch vom Japaner Tsubasa Ichiyama geschnappt worden, nachdem er selbst den Äthiopier Birhanu Legese kurz vor dem Ziel überholt hatte, der ab Kilometer 30 aus der Spitzengruppe bis auf Rang elf zurückgereiht wurde. Legese hat den Tokio Marathon, vor der Pandemie, bereits zweimal gewonnen.
Kurz vor Kilometer 30 fiel an der Spitze die Vorentscheidung. Bei Kilometer 35 gingen Tadese Takele, Deresa Geleta und Vincent Ngetich mit exakt einer Minute Vorsprung auf das Verfolgerduo Titus Kipruto und Benson Kipruto durch. Vor dem absoluten Finale setzte sich Takele von seinen Hauptkontrahenten ab und beendete das Rennen in einer Zeit von 2:03:23 Stunden als Sieger.
Der erst 22-Jährige lief um eine Sekunde schneller als beim Berlin Marathon 2023, feierte aber seinen größten Erfolg. Denn damals in Berlin reichte ihm seine Leistung zu Position drei, was als Debütant eine Sensationsleistung war. Der Sieg beim Tokio Marathon ist der erste für den jungen Athleten bei den World Marathon Majors. Takele wurde als Hindernisläufer ausgebildet. Nach den enttäuschenden Olympischen Spielen von Tokio wechselte er umgehend auf die Straße und legte dort über die Unterdistanzen eine bemerkenswerte Entwicklung hin zu Marathon-Topleistungen hin.
Der höher eingeschätzte Landsmann Deresa Geleta musste sich angesichts der Leistung Takeles mit Platz zwei zufrieden geben. Der Olympia-Fünfte von Paris 2024 beendete den drittschnellsten Marathon seiner Karriere in einer Zeit von 2:03:51 Stunden und führte eine bemerkenswerte Serie fort. Den Olympischen Marathon ausgenommen ist der 29-Jährige bei allen Marathons seit zweieinhalb Jahren unter die Top-Zwei gelaufen. Seinen schnellsten absolvierte er im Dezember in Valencia in einer Zeit von 2:02:38 Stunden als Zweiter hinter dem damals furios laufenden Debütanten Sebastian Sawe aus Kenia.
Bester der hoch eingeschätzten Kenianer wurde Vincent Ngetich mit einer Zeit von 2:04:00 Stunden als Dritter. In seinem erst vierten Marathon lief er die zweitschnellste Zeit seiner Karriere nach Platz zwei beim Berlin Marathon 2023 (2:03:13 Stunden beim Debüt) und wiederholte seine Tokio-Positionierung des letzten Jahres. Der 26-Jährige lebt seit Beginn seiner Karriere wie so manche seiner Landsleute im japanischen „Lauf-Exil“ und versuchte sich vor der Pandemie als 5.000m- und 10.000m-Läufer, ehe beim Kopenhagen Halbmarathon 2022 ein vielversprechender Einstieg in den Straßenlauf begann.
Auch der 26-jährige Titus Kipruto wiederholte seinen vierten Platz, allerdings von vor zwei Jahren. In einer Zeit von 2:05:34 Stunden schaffte er bis auf zwei Sekunden genau die Zeit von damals. Weiters zu den Mitfavoriten hatte Benson Kipruto gezählt, der im Vorjahr auf dieser Strecke mit einer enormen Leistung von 2:02:16 Stunden geglänzt hat – bis zum Valencia Marathon am Jahresende Weltjahresbestleistung 2024. Gestern hatte der 33-Jährige jedoch keine Chance und verlor, nachdem er kurz vor Kilometer 30 abreißen lassen musste, viel Zeit. Er wurde in 2:05:46 Stunden Siebter.
Joshua Cheptegei ist DER Bahnläufer der letzten Jahre. Dreimal wurde er Weltmeister im 10.000m-Lauf, in Tokio Olympiasieger über 5.000m. In Paris vollendete der Star mit Olympia-Gold über seiner Lieblingsdistanz seinen letzten Traum als Bahnläufer. Bereits davor hatten er und sein langjähriger Erfolgstrainer Addy Ruiter aus Holland den Umstieg in den Marathon geplant, weswegen Cheptegei aus seiner Trainingsbasis in Kapchorwa in Uganda ins Team des großen Eliud Kipchoge nach Kaptagat ins kenianische Nachbarland wechselte. Er schwärmte von der Team-Atmosphäre und davon, was er alles auf Anhieb lernen konnte.
Doch Platz 37 beim Valencia Marathon 2023 in 2:08:59 Stunden überzeugte nicht, nicht einmal das Olympia-Limit für spontane Abenteuerpläne in Paris war drin. Mit dem Olympia-Traum im 10.000m-Lauf vor den Augen schüttelte Cheptegei die Enttäuschungen aus dem „Lehrrennen“ locker ab. Beim zweiten Mal sollte in der Vorbereitung alles besser klappen. Manager Jurrie van der Velden sagte noch eine Woche vor dem Tokio Marathon, er glaube, dass sein Schützling einer der Besten aller Zeiten auf der Traditionsdistanz werden könne. Eliud Kipchoge traute ihm öffentlich sogar den Marathon-Weltrekord zu. Nicht spezifisch in Tokio, aber generell.
Der Athlet selbst postete bei der Bekanntgabe seines Starts Ende Jänner auf seinem Instagram-Profil in Anlehnung an sein missglücktes Marathon-Debüt: „Ich bin schon oft auf dem Podium gestanden und habe Weltrekorde aufgestellt. Aber die wahre Größe zeigt man, wenn man hinfällt und wieder aufsteht. Tokio, ich bin bereit, wieder aufzustehen!“ Zwei Tage vor dem Rennen in Tokio bestätigte er bei der Pressekonferenz, dass er eine Marathonzeit von 2:04 Stunden laufen wolle und bei den Weltmeisterschaften 2025 nicht im 10.000m-Lauf an den Start gehen wird. Damit scheint ein voller Fokus auf den Marathon wahrscheinlich.
Nach der unfassbaren Serie japanischer Topleistungen letzte Woche in Osaka (siehe RunUp.eu-Bericht) schaffte es beim Tokio Marathon keiner der Lokalmatadoren weit nach vorne. Als bester finishte Ichiyama als Zehnter in einer Zeit von 2:06:00 Stunden, eine für Verhältnisse außerhalb Kenias und Äthiopiens nach wie vor fantastische Zeit. Die Dichte überzeugte dafür umso mehr: Hiroto Inoue, Yuhei Urano und Yohei Ikeda blieben ebenfalls unter 2:07 Stunden, es folgten sechs weitere Japaner unter 2:10 Stunden. Der ehemalige nationale Rekordhalter Suguru Osako verpasste den Tokio Marathon verletzungsbedingt.
Eine weitere asiatische Topleistung gelang He Jie aus China, der als 16. in einer Zeit von 2:07:20 Stunden nur um 23 Sekunden über seinem ein Jahr alten chinesischen Rekord vom Wuxi Marathon blieb. Es war die zweitschnellste Karrierezeit des 26-Jährigen. Damit verpasste er das WM-Limit von Tokio von 2:06:30 Stunden um fast eine Minute, 38 der 100 vorgesehenen Startplätze sind über das Limit oder über Qualifikationsleistungen bei den wichtigsten Marathons der Welt bereits vergeben. He wird aber im „Road to Tokyo“ einen wesentlichen Sprung nach vorne machen und insbesondere unter die Top-Drei der chinesischen Rangliste kommen.
Keine Qualifikationssorgen mehr hat Suldan Hassan, der in einer Zeit von 2:05:52 Stunden seinen eigenen schwedischen Rekord um über eineinhalb Minuten auf eine Zeit von 2:05:57 Stunden senkte. Damit gelang dem Olympia-28. von Paris 2024 in seinem dritten Marathon ein beeindruckender Schritt.
Hassan ist eine spannende Persönlichkeit. Er ist seit dem vierten Lebensjahr auf einem Auge sehbehindert. Er ist in Somalia geboren und erreichte Schweden nach seiner Flucht im Jahr 2009. Sechs Jahre später erhielt der heute 26-Jährige als Teenager die schwedische Staatsbürgerschaft und startete seine Karriere für das skandinavische Land. Bei europäischen Nachwuchsmeisterschaften scheiterte er zweimal knapp an Edelmetall, die Entwicklung ging Schritt für Schritt in den Straßenlauf, wo ihm beim Sevilla Marathon 2023, seine Premiere, eine Überraschungsleistung gelang. Er qualifizierte sich unter der Leitung von Gary Lough, Ehemann und Ex-Trainer von Paula Radcliffe, für die Olympischen Spiele von Paris. Beim Tokio Marathon 2025 folgte der nächste enorme Schritt, der ihn auf Position 18 der ewigen europäischen Bestenliste bringt (vgl. Wikipedia).
Der Deutsche Hendrik Pfeiffer finishte den Marathon nach einer Zeit von 2:12:26 Stunden. Gegenüber dem DLV zeigte er sich angesichts einer Fersenverletzung im Vorfeld zufrieden und will nun eine Pause einlegen, um sich einer Operation zu unterziehen. Pfeiffer hat nun fünf der sieben World Marathon Majors gefinisht.
Bei den Frauen dünnten die Absagen der Topläuferinnen vergangener Tage, Ex-Weltrekordhalterin Brigid Kosgei und Tirunesh Dibaba, das unheimlich starke und breite Elitefeld nur etwas aus. Zum angedachten Duell zwischen den letzten beiden Siegerinnen des Tokio Marathon, Sutume Kebede und Rosemary Wanjiru, kam es im Gegensatz zum Vorjahr nicht, weil die äthiopische Vorjahressiegerin von Beginn an mit ihren Tempomachern auf ihr eigenes Tempo abzielte. Und das war irre: Nach 1:06:20 Stunden war die erste Rennhälfte vorbei, gut zwei Minuten Verspätung hatte die achtköpfige Verfolgergruppe. Dazwischen lag noch Tigist Ketema, die als Solistin zwischen den Seilen hing und wenige Kilometer nach dem Halbmarathon die Segel strich.
Die 30-Jährige, die im Vorjahr in einer Zeit von 2:15:55 Stunden einen Streckenrekord aufgestellt hatte, konnte dieses enorme Tempo, das fast Richtung äthiopischen Rekord ging, nur bis Kilometer 30 halten. Dann „normalisierten“ sich die Splits und die Verfolgerinnen, die auf einem konstanten Tempo über die Gesamtdistanz unterwegs waren, konnten auf den letzten zehn Kilometern noch bis zu zwei Minuten aufholen.
Das mag teilweise auch an den steigenden Temperaturen gelegen haben, denn bereits in der Schlussphase der Eliterennen übersprang das Thermometer laut offiziellen Angaben des Tokio Marathon die 20°C-Grenze. Der Sieg in einer Zeit von 2:16:31 Stunden war Kebede trotzdem nicht mehr zu nehmen. Einen ähnlichen Rennverlauf hatte sie in Chicago erlebt, als sie das absurde Weltrekordtempo von Ruth Chepngetich nicht mithalten konnte und auf Platz zwei ins Ziel kam, mit deutlich langsamerer zweiter Rennhälfte.
Der Kampf um Platz zwei zwischen Winfrida Moseti aus Kenia und Hawi Feysa aus Äthiopien in Tokio war eng. Moseti setzte sich letztendlich mit einem wahnsinnig schnellen Schlussteil (von Kilometer 40 aus brauchte sie fast eine Minute weniger als Siegerin Kebede) in einer Zeit von 2:16:56 Stunden im Duell mit Frankfurt-Siegerin Feysa (2:17:00) durch. Für beide war dies eine klare neue Bestleistung. Wanjiru musste sich in 2:19:57 Stunden hinter der ehemaligen VCM-Siegerin Magdalyne Masai (2:19:28) mit Position fünf zufrieden geben. In sozialen Medien deutete die in Japan lebende Athletin an, eine mental schwierige Zeit hinter sich gelassen zu haben. Ex-Weltmeisterin Gotytom Gebreslase wurde Siebte.
Der Tokio Marathon feierte seine 45. Auflage, die 18. als Massenrennen für Männer und Frauen und die zwölfte seit der Zugehörigkeit zu den World Marathon Majors. Bei frühlingshaften Temperaturen und Sonnenschein, aber niedriger Luftfeuchtigkeit liefen rund 38.000 angemeldete Läufer*innen auf den Straßen der japanischen Hauptstadt. Laut offiziellen Angaben sollen über eine Million Zuschauer*innen den Athlet*innen entlang der Strecke zugejubelt haben. Die Live-Übertragung wurde in 159 Ländern weltweit gesendet, in Österreich war man via Eurosport Player dabei.
Mit einer Steigerung um drei Minuten schaffte Zhang Des Hun aus China eine historische Leistung. Es ist die schnellste chinesische Marathonleistung seit 18 Jahren. Die 29-Jährige liegt nun auf Rang drei der ewigen Bestenliste der Volksrepublik, die mit Sun Ying Jie und Zhou Chun Xiu im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zwei Läuferinnen mit sub-2:20-Bestleistungen hatte. Desi Mokonin verpasste als Sechste den Marathonrekord für den Bahrain in einer Zeit von 2:20:07 Stunden gerade einmal um fünf Sekunden.
Die australische Bestenliste ins Visier nahm Jessica Stenson und verbesserte sich um gut eine Minute auf den dritten Platz. Die 37-jährige Olympia-13. von Paris finishte ihr Rennen nach einer Zeit von 2:22:56 Stunden auf Platz zehn der Frauenwertung. Damit war sie eine halbe Minute schneller als die beste Japanerin, Yuka Ando, die im nationalen Duell Ai Hosoda deutlich hinter sich ließ, aber eine absolute Topzeit verpasste. Während Ando knapp daran scheiterte, hat Stenson das WM-Limit für Tokio gebucht – und zwar als bereits dritte Australierin.
Österreichs Staatsmeisterin Carola Bendl-Tschiedel (LG Wien) finishte den Tokio Marathon in einer Zeit von 2:55:55 Stunden, wie Peter Filzmaier auf seinem Blog atemlos berichtet.
Autor: Thomas Kofler
Bilder: © Tokyo Marathon Foundation