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Kenia: Problem mit dem Dopingproblem

55 aktuelle Dopingfälle verzeichnet die kenianische Leichtathletik. Das sind gut ein Zehntel aller aktuellen Dopingfälle in der internationalen Leichtathletik. Fast alle betreffen Läuferinnen und Läufer. Offenbar wandelte Kenias Leichtathletik an der Grenze zum Rausschmiss aus der globalen Leichtathletik-Familie und hat nun die Chance, Lehren daraus zu ziehen.
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Es gibt zwei Seiten der Medaille. Die dominante: Die unglaublich hohe Anzahl an überführten Dopingsünderinnen und -sünder in Kenia, zu der acht suspendierte Athleten noch dazukommen könnten, lässt die Fantasie blühen, was in den vergangenen Jahren in der kenianischen Hügel- und Berglandschaft für Betrugsmaschen abgezogen wurden, während der internationale Kampf gegen Doping im Spitzensport, ohnehin schon im Verruf oft zu spät dran zu sein, von den Pandemieeinschränkungen ausgebremst wurde. Dort, wo die besten Läuferinnen und Läufer, übrigens nicht nur aus Kenia, sich ihren Feinschliff für die bestmögliche Leistungsfähigkeit im Ausdauerwettkampf holen, weil die Umgebung ideal ist, ist die Besorgung verbotener Substanzen, laut einigen Dokumentationen von Aufklärerjournalisten in den letzten Jahren, ohne große Hürden versehen.

Ein Schwung überführter Athletinnen und Athleten

Die nur leicht kompensierende: Die klare Steigung der nachgewiesenen Fälle zeigt, dass die in den letzten Jahren aufgebaute Anti-Doping-Struktur in Kenia langsam, aber sicher auch Erfolge erzielt und das Damoklesschwert über die Athleten zumindest etwas senkt. Auch die Athletics Integrity Unit (AIU) hat ihren Anteil, nicht nur die kenianischen Anti-Doping-Behörden. Lawrence Cherono, einer der besten Marathonläufer der Welt, Diana Kipyogei, eine Boston-Siegerin – nur zwei Beispiele, dass auch dicke Fische ins Netz gegangen sind. Und selbst Eliud Kipchoge musste beobachten, dass drei aus seinem Tempomacherteam der INEOS-1:59-Challenge mittlerweile gesperrt sind, darunter sein vertrauter Tempomacher Philemon Kacheran, ein Teamkollege im Camp.

Prominente Manager stellten Betrüger öffentlich an den Pranger und ließen sie fallen wie heiße Kartoffeln, selbst behauptend, weder etwas zu wissen noch beobachtet zu haben. Ob sie Hilfreiches zur Aufklärung der Ermittlungen über den Hintergrund beitragen, bisher weiß man nichts. Zuletzt verursachte auffallend oft das Stereoid Triamcinolonacetonid positive Dopingteste in Kenia, eine verbotene Substanz, die bei der Gewichtsabnahme hilft, durch die entzündungshemmende Wirkung Schmerzen unterdrückt und die aus dem Radsport bekannt ist.

World Athletics erhöht sanft den Druck

Der Druck von Seiten des Leichtathletik-Weltverbandes (World Athletics), der Kenia seit Jahren als Risikonation für Dopingmissbrauch einstuft, wurde größer. Mehrere Medienberichte schrieben, dass Athletics Kenya dem Ausschluss aus dem Weltverband – es wäre das zweite Mal wegen Dopings nach dem noch bestehenden von Russland 2015 gewesen – näher kam, auch wenn WA-Präsident Sebastian Coe den Unterschied klar machte, dass es in Kenia keine Anzeichen von staatsunterstütztem Doping wie in Russland gibt. Aber er sagte in der BBC: „Kenia ist eine schwierige und chaotische Herausforderung für uns.“ Bei einem Pressetermin mit internationalen Journalisten bremste er Erwartungen schneller Fortschritte: „Es wird noch eine lange Reise.“

Nichts zu verlieren für die Athleten

Es gibt Anzeichen, dass die kenianischen Funktionäre beginnen, Lehren zu ziehen. „Die Leichtathletik hat in Kenia so eine hohe Bedeutung. Es ist Kenias Premiummarke und Lebenserhalter für zahlreiche Familien im Land. Es ist eine Industrie. Eine Suspendierung hätte einen negativen Effekt auf die kenianische Wirtschaft“, sagte der kenianische Sportminister Ababu Namwamba der BBC. Dieser zeigt sich der „kenianischen Dopingkrise“ bewusst und will fünf Jahre lang rund fünf Millionen US-Dollar jährlich in den nationalen Kampf gegen Doping im Spitzensport stecken. Fachleute sind überzeugt, dass nur Ermittlungserfolge über Hintergrund-Netzwerke bedeutende Schritte sein mögen und Appelle sowie mehr Kontrollen zahnlos bleiben würden.

Genau hier liegt das Problem verborgen, denn international hochkarätige Preisgelder können ganze Dorfgemeinschaften in Kenia verändern, wie Wolfgang Konrad, Veranstalter des Vienna City Marathon, in einem Artikel auf der Website der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ vom 7. November erklärt: „Viele junge Ostafrikaner haben nichts, abgesehen von gesunden Füßen und dem Wissen, dass sie schnell laufen können. Wenn alles gut geht, können sie sehr viel gewinnen. Wenn nicht, haben sie gleich viel wie vorher, nämlich nichts.“ Salzburg-Marathon-Veranstalter Johannes Langer nennt im selben Artikel die zweite Front: „Oft sind es nicht nur die Läufer, sondern Managementfirmen, die Verträge mit den großen Ausrüstern haben und so viel Geld verdienen. Sie wollen aus ihren Athleten möglichst schnell möglichst viel herauspressen.“

Sportminister stellt neues Gesetz in Aussicht

Gemeinsam mit der AIU startet Athletics Kenya eine Reihe von Aufklärungsseminaren für Talente im ganzen Land. Und: Der kenianische Sportminister Ababu Namwamba will Doping gesetzlich kriminalisieren und damit auf dieser Flanke den Druck erhöhen. „Das Gesetz aus dem Jahr 2016 reicht meines Erachtens nicht“, sagte er gegenüber der BBC. Von der WADA heißt es: „Andere Beispiele zeigen, dass die gesetzliche Kriminalisierung den Kampf gegen Dopings effektiver macht.“

Davor hatte die Ankündigung, Dopingsünder nie mehr für internationale Meisterschaften zu nominieren, auch nach offizieller Rehabilitierung, offenbar die erhofften Auswirkungen verfehlt. Die Bestimmtheit der kenianischen Funktionäre mache Coe jedoch Hoffnung. Jene der potenziellen Betrüger, das bleibt abzuwarten – aber die Sanktionen sind mittlerweile mit jahrelangen Sperren bemerkenswert.

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