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Kenia wieder on top: Geoffrey Kirui neuer Marathon-Weltmeister
Sechs Jahre nach dem WM-Titel seines Landsmanns Abel Kirui, mit dem Geoffrey Kirui weder verwandt noch verschwägert ist, stellt Kenia wieder den Marathon-Weltmeister. Es ist ein bedeutender Erfolg, den der 24-Jährige nicht nur für sich persönlich, sondern auch für sein…
Sechs Jahre nach dem WM-Titel seines Landsmanns Abel Kirui, mit dem Geoffrey Kirui weder verwandt noch verschwägert ist, stellt Kenia wieder den Marathon-Weltmeister. Es ist ein bedeutender Erfolg, den der 24-Jährige nicht nur für sich persönlich, sondern auch für sein Heimatland sicherstellte. Denn nach zwei maßlos enttäuschenden WM-Auftritten in Moskau und Peking, als Kenia jeweils ohne Medaille blieb, ist das ostafrikanische Läuferland ein Jahr nach dem Olympiasieg von Eliud Kipchoge wieder unumstritten on top der Marathon-Welt. Der Sieger des diesjährigen Boston Marathon wendete das Blatt, als er nach 35 Kilometern den bis dato führenden Äthiopier Tamirat Tola überholte und das Pendel im traditionsreichen Prestigekampf der beiden ostafrikanischen Hochburgen Richtung Kenia ausschlug. Tola, heuer Sieger beim Dubai Marathon und zweitschnellster Marathonläufer des Jahres, sicherte sich im Finale, als ihm die Kräfte entschwanden, gerade noch so die Silbermedaille vor Alphonse Simbu aus Tansania. Während Äthiopien damit bei einem WM-Titel bleibt, holte Tansania zum zweiten Mal nach 2005 (Silbermedaille durch Christopher Insengwe) eine Marathon-WM-Medaille. Auch wenn die Afrikaner ihre Vormachtstellung in der internationalen Marathonszene auch in London verteidigen konnten, boten einige Europäer starke Leistungen. Allen vor an Lokalmatador Callum Hawkins, aber auch Österreichs Teilnehmer Valentin Pfeil (LAC Amateure Steyr), der ein tolles Rennen zeigte und mit Rang 23 in einer Zeit von 2:16:28 Stunden die Erwartungen mehr als erfüllte.
Zufrieden stellende Leistung
„Das war ein super Rennen, sowohl von der Platzierung als auch von der Zeit her. Bei diesen schwierigen Bedingungen war das sicher mein bester Marathon bisher“, zog der 28-Jährige ein positives Fazit. „So ein Meisterschaftsrennen ist viel hektischer und unrhythmischer als ich es gewohnt war. Ohne Tempomacher muss man permanent selbst Entscheidungen treffen, welche Position man einnimmt und mit welche Gruppen man mitgeht. Platz 23 ist weißt mehr als ich mir erhofft habe, das Rennen hat sich bis zum Schluss wie aus einem Guss angefühlt. Das ist ein großer, weiterer Schritt in meiner Karriere“, war Pfeil stolz auf sich.
Stolz darf der Oberösterreicher über seine gesamte Entwicklung im letzten Jahr sein. Bei seinem ersten großen Auftritt im rot-weiß-roten Dress bei den Europameisterschaften in Amsterdam enttäuschte er auf der ganzen Linie und erreichte nur den 71. Rang. Anschließend scheint er gemeinsam mit seinem erfahrenen Coach Hubert Millonig die richtigen Schlüsse gezogen zu haben. Mit den Rängen eins und zwei bei den Halbmarathon-Staatsmeisterschaften in Salzburg und Graz im Herbst 2016 respektive im Frühjahr 2017 nahm er Schwung auf für den Vienna City Marathon, wo er seine persönliche Bestleistung deutlich verbesserte und das WM-Limit für London um zehn Sekunden verbesserte. In der für einen unerfahrenen Marathonläufer kurzen Vorbereitungszeit für London brachte sich der 28-Jährige wieder in gute Form. Auch wenn sich der Traum von der persönlichen Bestleistung auf der nicht ganz leichten Strecke in London, bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die 20°C, nicht erfüllte, ist die Endplatzierung mit Rang 23 mehr als beachtlich. Zwar konnte Pfeil das Tempo in der zweiten Rennhälfte (Splits: 1:06:50 und 1:09:38 Stunden) nicht ganz halten, dafür verbesserte er sich ab dem Halbmarathon um 19 Positionen. Als achtbester Europäer verbesserte er die beste Platzierung eines Österreichs bei einem WM-Marathon aller Zeiten (Edwin Kemboi mit Platz 32 in Peking) deutlich.
Vorentscheidung zur Halbzeit
An der Spitze des Marathons entwickelte sich ein typisches Meisterschaftsrennen mit überschaubarer, aber nie langsamer Tempogestaltung und einer großen Gruppe, die 26-köpfig die Zwischenzeit bei Kilometer 20 passierte. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits die Äthiopier und dann die Kenianer an der Spitze der Gruppe gezeigt. Nun aber kam die Tempoverschärfung initiiert vom Äthiopier Tamirat Tola abrupt. Direkt nach dem Halbmarathon, der in einer Zeit von 1:05:28 Stunden passiert wurde, trat der Sieger des Dubai Marathon und Olympia-Bronzemedaillengewinner im 10.000m-Lauf von Rio an und verbuchte einen zwischenzeitlichen Erfolg. Denn während die beiden Kenianer Geoffrey Kirui und Gideon Kipketer mitgehen konnten, fiel der vermeintlich härteste Konkurrent Daniel Wanjiru, Sieger des London Marathon 2017, zurück.
Gnadenloser Konter
Auch Kipketer, Zweiter des Tokio Marathon, offenbarte mit ständigem Zurückschauen Probleme und verlor tatsächlich kurz nach der 25-Kilometer-Marke den Anschluss. Eine Vorselektion war getroffen und Tamirat Tola schien auf die Siegerstraße einzubiegen, als er bei Kilometer 31 eine Lücke zu seinem Begleiter öffnete, die einige Sekunden groß wurde. Dann aber passierte dem 25-Jährigen ein verhängnisvoller Fehler, als er bei einer Verpflegungsstelle die Trinkflasche erst im dritten Versuch erwischte. Ein Rhythmusbrecher, der Tola irritierte und Kirui ermöglichte, den Rückstand rasch wettzumachen. Der Kenianer nutzte das Momentum und setzte sieben Kilometer vor dem Ziel einen entschlossenen Konter. Die Entscheidung war gefallen, der 24-Jährige erreichte die Tower Bridge in der drittschnellsten WM-Siegerzeit von 2:08:27 Stunden (nur Namensvetter Kirui war in Berlin und Daegu schneller, Anm.). Der anschließende Jubellauf, eingehüllt in eine kenianische Nationalflagge, war purer Genuss. Im Anschluss bejubelte und lobte der euphorisierte Weltmeister alles und jeden: „Das ist mit Abstand der beste Moment meiner Karriere. Das war mein großes Ziel, hier Weltmeister zu werden. Es kam alles etwas unerwartet für mich. Aber das war die beste Marathonstrecke und das beste Publikum, das ich je erlebt habe.“
Dramatik dahinter
Hinter dem am Ende überlegenen Sieger kam es zu dramatischen Duellen. Alphone Simbu aus Tansania löste sich erst von Daniel Wanjiru, der sich am Ende mit Platz acht zufrieden geben musste, dann überholte er den im Finale fast energielosen Gideon Kipketer im Kampf um Platz drei und machte Jagd auf Tola, den er um ein Haar sogar noch eingeholt hätte. Der Äthiopier hatte sich mehrmals umgedreht und schätzte den Abstand richtig ein, um wie seine Landsleute Lelisa Desisa und Yemane Tsegay, der diesmal als erster der großen Namen zurückfiel und aufgab, bei den letzten beiden WM-Auflagen die Silbermedaille zu gewinnen. Größer fiel der Jubel da beim 25-jährigen Simbu aus, der mit Abstand seinen größten Erfolg mit einer Bronzemedaille veredelte. Erst zum dritten Mal nach Paris 2003 und Berlin 2009 blieben alle drei WM-Medaillengewinner unter 2:10 Stunden.
Starke Europäer
Bei Stadtmarathons chancenlos, haben die Top-Europäer erneut unter Beweis gestellt, in Meisterschaftsrennen deutlich näher an die Afrikaner heranrücken zu können. Lokalmatador Callum Hawkins, bei Olympia bereits ausgezeichneter Neunter, lieferte eine hervorragende Leistung ab, die von Konstanz über die gesamte Distanz geprägt war. Im ersten Viertel des Rennens führte er sogar kurz, im Finale war er neben Kirui und Simbu der stärkste. Kurz vor dem Ziel schnappte der Schotte sich noch Kipketer und bog unter dem Jubel seiner Landsleute als Vierter auf die Tower Bridge ein. In einer Zeit von 2:10:17 Stunden gab es eine persönliche Bestleistung. 26 Sekunden fehlten zur ersten europäischen WM-Medaille im Marathon seit Viktor Röthlin 2007, wie der Italiener Ruggero Pertile vor zwei Jahren blieb dem besten Europäer in London Rang vier, der in diesem Fall keine Enttäuschung darstellte. Nur einmal in der WM-Geschichte war ein Brite im Marathon der Herren gleich gut, Peter Whitehead bei den Weltmeisterschaften vor 22 Jahren in Göteborg.
Einen „Hausrekord“ stellte auch der amtierende Europameister Daniele Meucci auf, der lange Zeit als Begleiter von Hawkins auftrat. Der 31-Jährige, der im Vorfeld in italienischen Medien Wiedergutmachung für die Enttäuschung in Rio ankündigte und nicht übertrieb, kam in einer Zeit von 2:10:56 Stunden als Sechster ins Ziel. Wäre der Marathon 50 Meter länger gewesen, hätte er auch noch Kipketer kassiert. Nach Rang acht vor zwei Jahren kam der Italiener, der heuer nach einer Verletzung erst spät ins Training einstieg, erneut unter die Top-Ten. Dort fanden sich auch dank guten Schlussphasen auch zwei Japaner ein. Yuki Kawauchi überholte kurz vor Schluss noch seinen Landsmann Kentaro Nakamoto und wurde vor ihm Neunter.
Afrika: Nur Kenia ist zufrieden
Auch wenn am Ende drei afrikanische Nationen für ein buntes Bild auf dem Podest sorgten und Kenia endlich wieder auf den WM-Thron zurückkehrte, konnten die ostafrikanischen Laufhochburgen nicht rundum zufrieden sein. Denn auch sie müssen erkennen, dass der Abstand zum Rest der Welt bei WM-Rennen deutlich geringer ist – was vorwiegend wohl im Charakter von Meisterschaftsrennen begründet ist. Kenia schnitt mit dem überlegenen Weltmeister, dem fünftplatzierten Gideon Kipketer, der lange auf Medaillenkurs lag, und dem achtplatzierten Daniel Wanjiru noch mit Abstand am besten ab. Äthiopien verlor Tsegaye früh, Hamburg-Sieger Tsegaye Mekonnen spielte nie eine Rolle an vorderster Front und belegte am Ende den für ihn desolaten 19. Platz – nicht einmal eine Minute vor Österreichs Top-Marathonläufer. Auch Kaan Kigen Özbilen, der für die Türkei startende Kenianer, konnte nicht überzeugen und belegte Rang 14. Zwei Jahre nach WM-Bronze kam Munyo Mutai dieses Mal auf Position elf ins Ziel. Aus US-Sicht gab es mit Rang 16 für Elkanah Kibet und Rang 42 für Bobby Curtis ebenfalls kein Resultat, das Jubel hervorrief. Der Südafrikaner Lusapho April fehlte ebenso an der Startlinie wie der Weltmeister von 2013, Stephen Kiprotich aus Uganda, der sich kurzfristig von der Startliste abgemeldet hatte.
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