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Mit ähnlichen Vorzeichen wie vor zwei Jahren ihre Trainingskollegin Tigst Assefa kommt die im Marathon unerfahrene Tigist Ketema zum Berlin Marathon und ist trotzdem die große Hoffnung auf eine spektakuläre Siegerzeit. Das Elitefeld der Männer ist in der Dichte so breit wie nie in der Veranstaltungsgeschichte, ihm fehlt aber der in Berlin übliche Superstar. Sowohl die deutsche als auch die österreichische Laufszene wird den Berlin Marathon der Männer mit Interesse verfolgen. RunUp.eu hat das Wichtigste rund um das große Jubiläum in der deutschen Hauptstadt zusammengefasst.
In den letzten beiden Jahren war der Berlin Marathon bei den Frauen fest in der Hand von Tigst Assefa. Sowohl ihr Streckenrekord von 2:15:37 Stunden 2022 als auch im Besonderen ihr Weltrekordlauf von 2:11:53 Stunden im vergangenen Jahr erstaunen nach wie vor. In diesem Jahr ist die Äthiopierin nicht dabei, sie absolvierte erst vor sieben Wochen den Olympischen Marathon als Gewinnerin der Silbermedaille.
Weltrekordträume dürfte in Berlin daher in diesem Jahr – man muss fast sagen: ausnahmsweise – niemand hegen, weder das Männer- noch das Frauenfeld lassen so eine Superleistung erwarten. Wenn da nicht eine Parallele bestünde…
Das Elitefeld der Frauen wird von Tigist Ketema angeführt, eine Trainingspartnerin der Weltrekordhalterin. Ketema nahm einen ähnlichen Werdegang wie Assefa, die in der Frühzeit ihrer Karriere auf den 800m unterwegs war und nach der Pandemie, auch durch physischen Problemen getrieben, in den Marathon gewechselt ist. Ketema lief noch bis 2023 hauptsächlich 1.500m- und 3.000m-Läufe. Wie Assefa fehlt in ihrer Mittelstreckenstatistik jeglicher Nachweis von Weltklasse.
Das hat sich wie bei ihrer Trainingskollegin mit dem Einstieg in den Marathon schlagartig verändert. Beim Dubai Marathon zu Jahresanfang stürmte die 26-Jährige zu einer Zeit von 2:16:07 Stunden, schneller war noch nie eine Läuferin bei ihrem Debüt. Auf Anhieb sprang sie auf Platz neun der ewigen Weltbestenliste, nur eine halbe Minute hinter Assefas erster Weltklassezeit in Berlin 2022 – damals ihr zweiter Marathon. Ketema will am Sonntag den ersten Halbmarathon in 1:08 Stunden anlaufen und eine persönliche Bestleistung anstreben, wie sie selbst am Donnerstag ankündigte. Renndirektor Mark Milde rechnet damit, dass die Äthiopierin damit alleine an der Spitze laufen wird.
Zweitschnellste in der Liste ist die ehemalige 1.500m-Weltrekordhalterin Genzebe Dibaba, die in ihrer Straßenlauf-Karriere bisher etwas wetterwendisch agierte. Der beste Marathon gelang ihr 2022 bei ihrer Premiere in Amsterdam mit einer Zeit von 2:18:05 Stunden. Yebrgual Melese und Paris-Siegerin Mestawot Fikir sind weitere Anwärterinnen auf den Sieg, falls sich Ketemas Favoritenstellung nicht realisiert.
Damit ist keine einzige kenianische Weltklasseläuferin am Start. Rosemary Wanjiru, die keinen Platz im starken kenianischen Olympia-Team gefunden hat, hätte die große Herausforderin Ketemas sein sollen, musste aber verletzungsbedingt absagen.
Aus europäischer Sicht interessieren der Auftritt von Melat Kejeta und der starken Britin Calli Hauger-Thackery, EM-Dritte im Halbmarathon von Rom und beste Europäerin bei der Straßenlauf-EM 2023 im Halbmarathon. Die Deutsche, heuer Vierte beim Dubai Marathon, hat den Olympischen Marathon früh beendet und plagte sich zuletzt im Trainingslager in St. Moritz mit Knieproblemen herum. Dennoch kündigte sie am Donnerstag einen Angriff auf ihre Bestleistung an (2:21:47).
Die 31-jährige Britin hat erst einen Marathon in den Knochen und zwar bei einer kleinen Veranstaltung nahe New York. Den lief sie aber in 2:22:17 Stunden beachtlich und wurde für die Spiele nominiert, wo sie wie Kejeta nicht ins Ziel kam. Stark sind die beiden Japanerinnen Mizuki Matsuda und Ai Hosoda, die sich in Berlin in Stellung für die Heim-WM 2025 in Tokio bringen könnten. Aufgrund von Verletzungen können die in Berlin trainierenden Zwillingsschwestern Deborah und Rabea Schöneborn nicht am diesjährigen Berlin Marathon teilnehmen.
Ein Name sticht aus dem hinteren Teil der Eliteliste heraus: Sviatlana Kudzelich. Der Veranstalter des Halbmarathons in Altötting hat versucht, die Belarussin mittels eines Crowdfunding-Projekts für die diesjährige Veranstaltung zu verpflichten, was offensichtlich nicht gelang. Dadurch wurde in süddeutschen Regionalmedien aber ihre Geschichte publik.
Die heute 37-Jährige zählte vor einigen Jahren in ihrer Heimat zu den bekanntesten Läuferinnen. 2014 verpasste sie bei den Europameisterschaften von Zürich 2014 nur knapp eine Medaille, 2016 belegte sie bei den Olympischen Spielen von Rio Platz zehn, beides im 3.000m-Hindernislauf. 2018 war sie in Berlin EM-Siebte im 10.000m-Lauf. Ihr größter Erfolg war aber der Hallen-EM-Titel über 3.000m 2015 in Prag.
Doch weil sie sich bei den landesweiten Protesten im Jahr 2020 auf die Seite der Protestierenden stellte und Präsidentschaftswahlen forderte, fiel sie im belarussischen Sport in Ungnade und wurde aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen. Als Konsequenz floh die Familie nach Kasachstan. Belarussische Sportler sind jedoch vom internationalen Leichtathletik-Verband (World Athletics) aufgrund des Russland-Ukraine-Kriegs für globale Meisterschaften suspendiert.
Kudzelich fehlt es augenscheinlich an finanziellen Möglichkeiten, ihre Leistungssportkarriere aufrecht zu erhalten. Nun steht sie also auf der Startliste des Berlin Marathon 2024. Es wäre ihr erst zweiter internationaler Wettkampf, seitdem sie ihr Heimatland verlassen hat – nach einem Halbmarathon in der Wahlheimat Kasachstan.
Ohne Eliud Kipchoge, der in den letzten beiden Jahren und insgesamt fünfmal den Berlin Marathon gewonnen hat, fehlt in diesem Jahr der große Name im Feld des ersten Marathon Majors im Herbst. Renndirektor Mark Milde hat daher, anders als in vielen Jahren der jüngeren Vergangenheit, ein breites Elitefeld verpflichtet. Es enthält fünf Läufer mit Bestleistungen unter 2:05 Stunden, neun weitere mit Bestleistungen unter 2:06 Stunden und ein weiteres Quintett mit Bestleistungen unter 2:07 Stunden.
Schnellster laut Vorwerten ist mit Abstand der Vorjahres-Dritte Tadese Takele. Der 22-jährige Äthiopier feierte damals ein berauschendes Debüt in einer Zeit von 2:03:24 Stunden, seither hat er keinen einzigen Wettkampf mehr bestritten. „Ich war in der Zwischenzeit verletzt, aber jetzt bin ich wieder fit“, versicherte er, sich gut vorbereitet zu haben. Der Berlin Marathon 2024 könnte damit die große Chance für Kibiwott Kandie sein, sein Potenzial erstmals im Marathon auszuschöpfen.
Der 28-jährige Kenianer zählt seit Jahren zur absoluten Weltelite im Halbmarathon und hielt dort jahrelang den Weltrekord. Dem wenig begeisternden Debüt 2021 in New York folgte in Valencia 2023 ein Marathon unter 2:05 Stunden, der bei der Weltklasse-Dichte in der spanischen Hafenstadt nur zu Rang sechs reichte. In diesem Jahr verpasste er die Olympia-Qualifikation im 10.000m-Lauf. Apropos verpassen: Sein Flug hatte Verspätung, weswegen die heutige Pressekonferenz ohne ihn über die Bühne ging.
Dazu zählen die ehemaligen Sieger des Hamburg Marathon, Cybrian Kotut, und Vienna City Marathon, Samwel Mailu, zum engsten Favoritenkreis. Viel Potenzial schreiben kenianische Medien dem Sieger des diesjährigen Daegu Marathon, Stephen Kiprop, der eine Halbmarathon-Bestzeit von 58:42 Minuten aufweisen kann, zu. Denn seine chronischen Knieprobleme, unter die er in den letzten Jahren gelitten hat, hätten sich verbessert.
Ganz beachtlich ist die Beteiligung der deutschen Topläufer in Abwesenheit der Olympia-Teilnehmer. Hendrik Pfeiffer, der die Olympia-Qualifikation im deutschen Team um winzige neun Sekunden verpasst hat, Filimon Abraham, Haftom Welday, Sebastian Hendel und Johannes Motschmann wollen allesamt mit Risiko anlaufen – mindestens 1:04 Stunden für die erste Marathon-Hälfte. Das lässt ein spannendes Rennen hinter der afrikanisch geprägten Spitze erwarten. Pfeiffer sagte bei der heutigen Pressekonferenz, er möchte erstmals unter 2:07 Stunden laufen.
Auch ein heimischer Topläufer unter den insgesamt laut Österreichischem Leichtathletik-Verband (ÖLV) 402 gemeldeten österreichischen Marathonläufer*innen in Berlin geht am Sonntag mit Zuversicht an den Start. Peter Herzog (Union Salzburg LA) fühlt sich so gut wie lange nicht in Schuss, wie er im Gespräch mit RunUp.eu erzählte.
Bei den Frauen geht Staatsmeisterin Carola Bendl-Tschiedel (LG Wien) auf ihre persönliche Bestleistung los, die sie in 2:47:11 Stunden vor einem Jahr just in Berlin erzielt hat.
Am 13. Oktober 1974 ging der erste Berlin Marathon über die Bühne, 50 Jahre später feiert sich Berlin als Lauf-Hauptstadt mit einem stimmungsvollen Rahmenprogramm und einer Jubiläumsaustragung des Marathons mit angemeldeten 58.212 Läufer*innen mit 161 verschiedenen Nationalitäten. Das bedeutet: Erstmals könnten am Sonntag faktisch über 50.000 in den größten deutschen Marathonlauf starten.
„50 Jahre ist wirklich ein großes Jubiläum. Berlin ist eine Lauf-Hauptstadt und wir wollen auch künftig die Menschen zu Bewegung und Fitness bewegen“, sagte Veranstalter Jürgen Lock bei der gestrigen Pressekonferenz und wies auf die enorme wirtschaftliche Strahlkraft des Berlin Marathon hin.
Erstmals findet im Rahmen des BMW Berlin Marathon ein zweiter Laufbewerb statt, der Generali 5K mit 10.000 Anmeldungen, der am Samstag über die Bühne gehen wird. Damit ist Deutschlands größte Marathon-Veranstaltung gleichzeitig Schauplatz der R5K-Tour, eine Initiative des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) gemeinsam mit den German Road Races (GRR) für Lauftalente im Altersspektrum zwischen 16 und 22 Jahren. Für sie gibt es eine attraktive Gesamtwertung. Die bisherigen vier Stationen waren Dresden, Paderborn, Hannover und Hamburg.
So bezeichnet der Berlin Marathon eine Art eigene Hall of Fame. Am Donnerstag wurden bei einem Pressetermin in der deutschen Hauptstadt Uta Pippig und Amanal Petros sowie Patrick Makau und Tegla Loroupe aus Kenia ausgezeichnet. Die in der DDR geborene Pippig hat den Berlin Marathon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dreimal gewonnen. „Ich habe wunderbare Erinnerungen an die Rennen in Berlin. 1990 durch das Brandenburger Tor zu laufen, das war der Wahnsinn“, blickt die mittlerweile 59-Jährige auf erfolgreiche Jahre zurück.
Petros hat im vergangenen Jahr in Berlin in einer Zeit von 2:04:58 Stunden einen neuen deutschen Marathonrekord aufgestellt. „Die Atmosphäre in Berlin ist einfach unglaublich. Der Marathon ist so international mit Läufern aus aller Welt“, sagte er. Gegenwärtig erholt sich der 29-Jährige vom Olympischen Marathon, den er frühzeitig aufgeben musste. Makau und Loroupe haben beim Berlin Marathon jeweils für Sternstunden gesorgt. Makau gewann zweimal, 2011 stellte er in 2:03:38 Stunden einen damaligen Weltrekord auf. Loroupe, die erste kenianische Marathonläuferin von Weltformat der Geschichte, siegte 1999 in einer damaligen Weltbestleistung von 2:20:43 Stunden.
Tags darauf wurden Naoko Takahashi, Paul Tergat, Irina Mikitenko und Tigst Assefa präsentiert. Takahashi, die 2000 in Sydney Olympiasiegerin wurde, sorgte 2001 für eine Sternstunde: Als erste Läuferin der Geschichte blieb sie mit ihrem Berlin-Sieg unter 2:20 Stunden (2:19:46). „Dieser Marathon hat mein Leben verändert. Es hat sich angefühlt, als hätte ich etwas Unmögliches für die Menschheit erreicht“, erinnerte sie sich. Auch Tergat schrieb in Berlin Geschichte: 2003 blieb er als erster Marathonläufer der Geschichte unter 2:05 Stunden und schraubte den Weltrekord auf eine Zeit von 2:04:55 Stunden. Der Vorstehende des kenianischen Olympischen Komitees sagte heute: „Berlin wird immer als eine große Geschichte meines Lebens in Erinnerung bleiben.“
Mikitenko triumphierte 2008 mit dem immer noch gültigen deutschen Rekord von 2:19:19 Stunden in Berlin, damals eine absolute Weltklassezeit. Zehn Jahre dauerte es, bis wieder eine Frau in Berlin schneller lief. Assefas Weltrekordleistung aus dem vergangenen Jahr ist längst Legende. „Ich war damals selbst überrascht über diese Zeit, aber ich hatte entsprechend trainiert. Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr wieder in Berlin starten und eine weitere schöne Geschichte schreiben kann“, so die Äthiopierin.
Autor: Thomas Kofler
Bilder: © SCC Events / Petko Beier