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Kevin Kamenschak – ein Sternchen am Laufhimmel

Wird Kevin Kamenschak das Aushängeschild des heimischen Laufsports? RunUp hat den 19-jährigen gemeinsam mit seinem Trainer in Linz besucht.
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Zwei Medaillen hat Kevin Kamenschak (ATSV Linz LA) bei den Junioren-Europameisterschaften in Jerusalem im August gewonnen. Derartige Erfolgsmeldungen aus der Altersklasse U20 gab es zuletzt mit Günther Weidlinger im vorigen Jahrhundert. Wird Kevin Kamenschak das Aushängeschild des heimischen Laufsports? Das RunUp hat den 19-jährigen Oberösterreicher gemeinsam mit seinem Trainer Andreas Prem in seiner Heimatstadt Linz besucht und ist ins Leben des jungen Spitzensportlers eingetaucht.

Wenn Kevin Kamenschak über seine Silbermedaille (1.500m) und seine Bronzemedaille (5.000m) spricht, geht es um sein großes Ziel der Wettkampfsaison 2023. Mission accomplished! Doch zwischen den Worten ist keine Euphorie zu hören. Es ist eine eher nüchterne Zusammenfassung von Momenten der Freude und Genugtuung. Freilich war die U20-EM irgendwie ein Abschluss eines Zyklus, der Auszeichnung verdient. Der junge Sportler stellt ihn aber wie eine Zwischenetappe auf dem Weg in die Allgemeine Klasse hin. Dort, wo die Trauben ganz schön hoch hängen, denn die Leichtathletik ist nicht umsonst die Olympische Kernsportart und seine Teildisziplin Laufsport eine der global am weitesten verbreiteten Sportarten. Das bedeutet: unheimliche Leistungsqualität, länder- und kontinenteübergreifend. Der Weg ganz nach oben ist diffizil.

„Ich werde Läufer!“

Kevin Kamenschak hat einen hierzulande unüblichen Weg gewählt. Natürlich fühlt er sich, wie so viele junge, sportambitionierte Österreicher auch, mit Brettern unter den Füßen auf herrlich weißem Untergrund wohl. Selbst eine Leidenschaft zum Skisport hat es nicht einmal zu Plan B geschafft, geschweige denn ein Interesse außerhalb des Sports. Denn einen Plan B brauchte der Schüler der Handelsschule Linz mit Schwerpunkt Spitzensport nicht. Er hat sich früh dazu entschieden, Läufer zu werden. Trotz des für die heimische Sportszene exotischen Beigeschmacks. Er hält fest: „Für mich ist Laufen die normalste Sportart der Welt. Die erste, die man lernt!“ Von Mitschülern, vorwiegend jenen, die am Rasenrechteck einem runden Leder nachjagten, wurde er aufgezogen, weil er nur im Kreis laufen würde. Eine Episode illustriert plakativ ein Rendezvous von Talent und Willen. Sie ist repräsentativ für seinen Weg. In der Sportmittelschule lautete die klassische Aufgabe, in zwölf Minuten so weit wie möglich zu laufen. Jede*r kennt sie, viele verbinden den Test mit Unbehagen, andere mit Genugtuung. Kamenschak mit der Motivation, die aus einem Sportlerhirn stammt. Der Sportlehrer schwärmte nämlich von einem Schulrekord für die Ewigkeit. Der selbstbewusste junge Linzer entgegnete, er würde ihn im Folgejahr mit Sicherheit unterbieten. Auf das Gelächter der halben Klasse trat er wieder in den Verein ATSV Linz ein. Bereits mit fünf hatte Kamenschak mit dem Sieg beim Kinderlauf im Rahmen des Linz Marathon erste vielversprechende Spuren im Laufsport hinterlassen, das Laufen aber im Alter von zehn temporär beendet. Er nahm das Training wieder auf, brach den Schulrekord und fing an darüber nachzudenken, den Laufsport professionell anzugehen. Denn sein Talent war nicht nur ihm aufgefallen.

Eine Karriere mit Plan

Ein Sponsoringdeal mit Nike, für den Dietmar Millonig den Weg bereitet hat, Förderungen durch den ÖLV sowie die Sporthilfe und ganz besonders die Aufnahme ins Bundesheer sind Grundbedingungen, dass Kevin Kamenschak das ganze Jahr für den Sport leben kann. Twentyfour-Seven. „Wenn ich etwas mache, will ich es zu 100% machen und nicht irgendwie nebenbei“, erklärt er, warum ein karrierebegleitendes Studium oder ein Teilzeitjob für ihn nicht in Frage kommen. „Ohne den Heeressport wäre das natürlich unmöglich. Ich habe es über die Jahre geschafft, mir ein richtig gutes Umfeld aufzubauen.“ Neben seinem Trainer gehören Physiotherapeuten, die Ernährungsberaterin, der Mentalcoach und natürlich die Familie dazu, die ihn von Anfang an unterstützt hat. Früher zahlten die Eltern für Trainingslager, mittlerweile ist der 19-Jährige für sich und seine Laufbahn selbst verantwortlich. Finanziellen Druck fühlt er zurzeit nicht. „Ich bin gut versorgt und brauche mir nicht überlegen, ob ich mir ein Trainingslager im Ausland leisten kann oder nicht.“

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Kevin Kamenschak (Mitte) mit seinem Trainer, Andreas Prem (links), im RunUp-Interview

Ein Duo, ein Team

Einen dynamischen Drive erlebte sein Weg durch die Begegnung mit einem Sportwissenschaftler aus dem Mühlviertel, ausgebildet an der FH in Wiener Neustadt und damals neu eingestellt als Landestrainer für Triathlon am Olympia-Zentrum in der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Aus ihr wurde eine langjährige und vertrauenswürdige Trainer-Athleten-Beziehung. Andreas Prem ist ein junger Trainer mit Ambitionen und Visionen, Kevin Kamenschak sein erster Rohdiamant. Hohe Ziele und klare Vorstellungen begleiten die beiden seit fünf Jahren in der täglichen Arbeit miteinander. „Ich verbringe mehr Zeit mit Andi als mit meinen Eltern“, schildert Kamenschak, der wohlgemerkt noch im Elternhaus wohnt. Die Replik lautet nicht anders. 24/7 bei Trainingslagern, ansonsten sehen sich die beiden täglich vier bis fünf Stunden – zwei Trainingseinheiten stehen schließlich immer auf dem Programm. Ein hoher Anteil an Akribie erlaubt Prem neben seinen Aufgaben als Trainer nicht nur die Ausführung eines flexiblen Jobs mit viel Zeitausgleich in sportwissenschaftlicher Funktion am Olympia-Stützpunkt. Sie nährt auch ein großes Reservoir an Energie. Kamenschak witzelt angesichts des vollgepackten Kalenders: „Andi sollte manchmal etwas mehr schlafen, dann wäre er noch klarer im Kopf.“ Er versuche immer kritisch zu sein und beginne stets, bei sich selbst die Fehler zu suchen, beschreibt sich sein Trainer. Es gebe Phasen, da hinterfrage er sich zu stark.

100%

Mit 32 ist Prem selbst noch im Spitzensport-fähigen Alter. Auch ihn haben die U20-Erfolge nicht in Euphorie verleitet. Das Laufen sei eine planbare Sportart, weil man die Leistungsstärke der anderen kenne. „Wir haben mit den Medaillen gerechnet. Kevin hat schon öfters bewiesen, dass er am Punkt X seine Leistung bringt. Auch in Situationen, in denen andere vielleicht Probleme haben.“ Kamenschak wirft sofort ein, dass seinem Trainer ein Extra-Lob gebühre. Die konsequente Vorbereitung im Trainingslager in St. Moritz sei perfekt verlaufen. Jeden Tag wurde das Ziel verfolgt, das Maximum herauszuholen. Das erforderte Einbußen auf diversen Ebenen. Der Trainer hat den großen Rahmen im Auge. Er schwärmt von der Entwicklung, die Kamenschak in den letzten fünf Jahren nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch im Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen vollzogen hat. Der Umgang im Miteinander, das gegenseitige Vertrauen, die Qualität der Kommunikation, ehrliche und tiefgründige Gedanken über spezifische Themen, intensiver Austausch – das alles intensiviert nicht nur eine gute Zusammenarbeit, sondern fördert das Potenzial einer erfolgreichen Sportlerkarriere. Die Basis dafür seien die Leidenschaft an der Sportart und der Wille, an sich zu arbeiten. Beides bringe Kamenschak mit. „Natürlich versuchen wir Trainingsmethoden zu wählen, dass es möglichst angenehm ist. Aber Leistungssport ist per se nicht angenehm. Sich ständig weiterzuentwickeln, Tag für Tag, ohne die Freude zu verlieren. Nicht Fragen nach dem Warum zu stellen, sondern Chancen zu erkennen. Das ist eine große Herausforderung und nicht selbstverständlich.“ Der junge Sportler habe vollumfänglich verstanden, dass sein Handeln Konsequenzen hat. In alle Richtungen. Gesunde Kompromisse mit dem Leben außerhalb des Spitzensports inklusive der Beziehungen im sozialen Umfeld und Entwicklungsschritte in der Persönlichkeit eines jungen Menschen sind unabdingbar. „Ich setze jedoch nicht den Fokus darauf, was Spitzensportler vom normalen Leben verpassen, sondern darauf, wie es sich sinnvoll verbinden lässt.“ Unabhängig voneinander und gemeinsam werfen beide ihre volle Leidenschaft in die Waagschale. „Vielleicht bin ich ein bisschen ein Nerd“, schildert der Trainer. „Aber das, was uns beide am Leistungssport motiviert, ist die Tatsache, dass es keine Ausreden gibt. Du bekommst auf jeden Fall die Rechnung präsentiert, positiv wie negativ. Daher fruchtet nur ein 100%iges Investment: eine gescheite Vorbereitung, auch im Mindset, sowohl in den Trainingseinheiten als auch in vielen Bereichen wie Ernährung, Equipment, Alltagsgestaltung, Schlaf und Regeneration.“ Das Gespann funktioniert auch deshalb so perfekt, weil Einigkeit herrscht. „In all diesen Punkten kann ich mich 100% auf Kevin verlassen!“, betont der Trainer und ist überzeugt: Nur mit dieser Professionalität kann bereits in jungen Jahren ein Grundstein gelegt werden, der Erfolge in der Allgemeinen Klasse wahrscheinlicher macht.

In Harmonie

In der täglichen Zusammenarbeit genießen Kamenschaks Tun und Denken einen hohen Stellenwert. Ein Punkt, der seinem Trainer, der Bevormundung ablehnt, besonders wichtig ist. „Ich glaube schon, dass Kevin mir blind vertrauen würde. Ich mag’s nur nicht. Ich bevorzuge, dass er die Überzeugung teilt und alles kritisch hinterfragen darf“, so Prem, „Außerdem sind seine Empfindungen für die Gesamterkenntnis der Messwerte unerlässlich.“ Sein Schützling besticht durch ein relativ präzises Körpergefühl, das dem Abgleich mit Messwerten meist standhält und immer eine wichtige Einschätzungskomponente liefert. Auch vor Wettkämpfen ist Kamenschaks Meinung gefragt. Seine Rennintelligenz ermöglicht, dass eine flexible taktische Vorbereitung problemlos ist. „Letztendlich liegt es an mir, das Besprochene umzusetzen!“ Die Harmonie wirkt sich positiv auf Kamenschaks Selbstbewusstsein aus und hat ein hervorragendes zwischenmenschliches Verhältnis zwischen den beiden geformt. Es wird alles offen besprochen – ob den direkten Sport betreffend oder wichtige Themen außerhalb. Das Dasein als Spitzensportler mit all seinen Anforderungen akzeptiert Kamenschak klaglos, aber klar durchdacht. „Große Opfer gehören in der Trainingsarbeit dazu. Wie auch Leidenschaft. Für mich ist es selbstverständlich, dass mein ganzes Jahr voll auf den Sport ausgerichtet und alles dem Laufen untergeordnet ist.“ In fünf Jahren kürzte er ein singuläres Mal eine Einheit auf dem Fahrrad ab, erzählt Prem mit Stolz. Real ist eher das Gegenteil. Es komme oft vor, dass er beispielsweise im Intervalltraining auf der Bahn bereitwillig noch zwei 400er extra hinzufügt, merkt Kamenschak an. Das Nachwuchstalent hat für sich die Balance im Leben eines jungen Österreichers gefunden. Trainingsfleiß und hohe Disziplin harmonieren mit Entspannung und Erholung. „Wer mich nicht näher kennt, wird nicht glauben, dass ich eigentlich ein ganz schön fauler Mensch bin“, lacht er und fügt schnell hinzu: „Außerhalb des Sports!“ Liegen die Laufschuhe in der Ecke, liegt sein Träger oft stundenlang im Bett. An den wenigen trainingsfreien Tagen, spontan auch den ganzen Tag. In diesen Ruheperioden laufen Serien, das Smartphone liegt dabei meistens in der Handfläche und wird von den Fingern der anderen Hand am Display strapaziert. Ausnahmsweise bringt ein Mittagessen mit Freunden willkommene Abwechslung.

Getaktet

Ein Tag im Leben des Kevin Kamenschak ist nicht auf spannende Abwechslung und Abenteuerlust getrimmt, sondern auf Effektivität. Egal ob in Linz oder im Trainingslager, seine Trainingstage ähneln sich. Nach einem kleinen Frühstück folgt, nicht zu früh, die erste Trainingseinheit, bei der immer gelaufen wird. Dann wird der Energiehaushalt aufgefüllt, der Mittagsschlaf hilft bei der Erholung. Die zweite Trainingseinheit findet am späteren Nachmittag statt. Manchmal steht davor eine Therapiesitzung, eine Einheit mit der Ernährungsberaterin oder dem Sportpsychologen an oder danach eine Massage bzw. Physiotherapie. Dazu regelmäßiges Krafttraining, zwei Tage pro Woche sind ruhiger als die anderen fünf. Schritt für Schritt soll aus Kevin Kamenschak ein Spitzenläufer gedeihen. Neben der sportlichen Entwicklung ist auch die persönliche Reifung wichtig. Mit 19 ist der Linzer reifer als der überwiegende Großteil der gleichaltrigen Österreicher. Er hat klare Ziele, seine Leidenschaft als Beruf gestaltet, einen präzisen Plan und ein strukturiertes Leben. Es ist professionell und von Disziplin geprägt. Seine Gedankenwelt ist nicht repräsentativ für das auslaufende Teenager-Alter, sie dreht sich ums Training. Das sei selbstverständliche Grundvoraussetzung. Das sieht auch sein Trainer so: Seit dem Abschneiden bei der Junioren-WM 2022 in Cali ist Kevin Kamenschak im heimischen Fördersystem ein Name. Talent und Potenzial haben Erwartungen geschürt. „Wir erfahren gute Unterstützung und das ist sicherlich nicht selbstverständlich“, weiß Prem. „Die Grundvoraussetzung, dass das so bleibt und Kevin seinen Karriereplan wie gewünscht fortführen kann, ist Leistung zu bringen.“

Internationale Synergien

Den Großteil des Jahres lebt und trainiert Kamenschak in Linz und das soll auch so bleiben, weil er sich in seiner Heimatstadt wohl fühlt. „Als Läufer ist Linz eh noch die beste Stadt in Österreich. Wir haben zwei Trainingshallen für das Training im Winter“, lacht er. Doch Trainingskollegen auf seinem Niveau sind lokal wie national rar. Aktuell trainiert er vorwiegend mit dem Triathleten Thomas Windischbauer, der Kontakt zu Sebastian Frey ist weiterhin regelmäßig, aber nach dessen Umzug nach St. Moritz spärlicher. Daher haben Prem und Kamenschak schon vor einem Jahr den Anschluss an eine holländische Trainingsgruppe gefunden, um Synergien gewinnbringend zu nutzen. Im Spätwinter ging es zum gemeinsamen Trainingslager nach Flagstaff in der Höhe des US-Bundesstaats Arizona. Die Obhut hatte der polnischen Trainer Tomasz Lewandowski, Bruder des ehemaligen Mehrfach-Europameisters Marcin und holländischer Nationaltrainer für Mittelstreckenlauf, inne. Bereits davor trainierte man am holländischen Stützpunkt in Papendal und auch im Trainingsmekka von St. Moritz fand man zusammen.

„Kevin kann noch viel schneller laufen!“

Bewusst ist Prems Blick nach vorne gerichtet: „Jetzt müssen die nächsten Schritte passieren, dass wir nicht nur bei den zwei Junioren-EM-Medaillen bleiben, sondern dass die Entwicklung weitergeht.“ Auf Erfahrung kann der junge Trainer naturgemäß nicht bauen, aber auf Lerneffekte aus der eigenen Arbeit sowie auf Erkenntnisse aus Fortbildungen, Gesprächen mit anderen Trainern und Sportlern, nationaler und internationaler Zusammenarbeit. Als Sportwissenschaftler kennt er die Schwächen der Wissenschaft, die in ihrer analytischen Komposition Entwicklungen immer erst hinterher beschreibt, sie aber nicht antizipiert. Er denkt in kleineren Etappen: „Welche Inhalte möchte ich bis wann entwickeln, welche Leistungen brauche ich dafür und wie entwickle ich diese?“ Dabei sieht er bei seinem Athleten noch viel Luft nach oben. „Kevin kann noch viel schneller laufen!“ Wäre Kamenschak bereits gerne. Trotz U20-EM-Silber kam er im Spätsommer jedoch in keinen hochklassigen, internationalen 1.500m-Lauf. „Das Niveau steigt von Jahr zu Jahr und es wird immer schwieriger werden, in die richtigen Wettkämpfe zu kommen“, will er aber nicht jammern. „Im Prinzip ist es einfach: Wir müssen besser werden, schnellere Zeiten laufen und größere Erfolge vorweisen. Dann löst sich dieses Problem!“ Das „Wir“, das sich durch das ganze Gespräch zieht, ist beachtlich! Auch der Trainer beobachtet mit Ehrfurcht, wie breit die Weltspitze im 1.500m-Lauf geworden ist, mir reger europäischer Beteiligung. „Auf der eine Seite zeigt das, was auf uns zukommt. Aber die andere Seite ist motivierend. Narve Gilje Nordas ist beispielsweise kein Übertalent. Er ist einfach über Jahre seinem Training treugeblieben und irgendwann ist der Erfolg gekommen“, meint er. Die beiden wollen aber den Fokus nicht auf die anderen legen, sondern auf die eigene Leistung und auf die Chancen, „die wir kriegen werden und dann auch nutzen müssen.“ Nur so gehe es weiter bergauf. Dass die Chancen 2024 kommen werden, davon ist Prem überzeugt.

Jahre der Herausforderungen

Kamenschak hat die Mittelstrecke, den 1.500m-Lauf, als seine Disziplin bestimmt. Mittelstreckenrennen gelten als hart, besonders die 1.500m sind taktisch anspruchsvoll und erfordern eine hohe Tempohärte kombiniert mit fundierter Ausdauer. „Ganz plakativ zusammengefasst: Viele können Kevins Wettkampftempo 200 Meter lang laufen. Er muss es 1.500m lang halten. Der Schlüssel liegt in der Energieversorgung, nicht in der Schnelligkeit“, erklärt sein Trainer. Daran feilt das Gespann, insbesondere in den Vorbereitungsphasen. Schon mit 15 trainierte Kamenschak erstmals in St. Moritz, damals musste sich Prem dafür mehrfach rechtfertigen. „Für mich ist das Training in der Höhe wirkungsvoll und zwar aus einer Kombination aus der physiologischen Veränderung durch die Meereshöhe und der Energie, die ein Ort wie das Trainingszentrum in St. Moritz ausstrahlt.“ Der 19-Jährige kennt seine großen Gegner. Jakob Ingebrigtsen, der Mann, der in Topform selbst die afrikanische Elite regelmäßig am Nasenring durch die Arena zieht, ist nur gut drei Jahre älter als Kamenschak. Sogar noch ein Jahr jünger ist das holländische Ausnahmetalent Niels Laros, gegen den bei der U20-EM in beiden Disziplinen kein Gras gewachsen war. Kamenschak beruhigt: „In der U20 sind Leistungsunterschiede oft deutlich größer, weil unter jungen Athleten Entwicklungssprünge zeitversetzt passieren. In der Allgemeinen Klasse sammelt sich alles auf recht engem Raum.“ Diese Erkenntnis versetzt er mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein: „Es gibt generell niemanden, den man nicht schlagen kann!“ Sein Trainer blickt zurückhaltender in die Zukunft, kennt aber den Weg: „Mir ist bewusst, dass wir vieles richtig machen. Aber gleichzeitig ist mir bewusst, dass wir professioneller werden müssen. Und das bedeutet, das System Kevin weiter zu professionalisieren. Wie entwickelt sich seine Persönlichkeit? Was können wir im Training besser und schneller machen? Wie optimieren wir die Regeneration? Welche legalen Hilfsmittel gibt es, die noch nicht ausgereizt sind? Wir denken in längeren Perioden und wissen, dass wir nicht überschießen dürfen. Wir werden uns auf einige Dinge einigen, die uns verbessern.“

Warum nicht?

Fest im Visier sind die Europameisterschaften von Rom im Juni, natürlich träumt der Nachwuchsathlet von der allergrößten Bühne: Die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles sind längst im Hinterkopf. Nicht mit der Ambition, dabei zu sein. „Warum sollte ich nicht eine Medaille gewinnen?“, wirft er eine rhetorische Frage in den Raum, „Wenn das andere können, gibt es keinen Grund, weshalb ich es nicht auch kann.“ Außerdem träumt er davon, auf allen Distanzen vom 800m-Lauf aufwärts den ÖLV-Rekord zu halten: „Das würde sicher extrem gut ausschauen!“ Dieses enorme Selbstbewusstsein, das fundiert aus Kevin Kamenschak sprudelt, gilt es zurzeit im ersten Vorbereitungstrainingslager auf die Hallensaison mit harter Arbeit zu verknüpfen. Bereits im Winter will der dann 20-Jährige den Grundstein dafür legen, in der Weltrangliste in den Dunstkreis der Qualifikationsanforderungen für die EM zu kommen. Auf seine einzigen Alternativleidenschaft zum Laufen, dem Skifahren, wird er dabei wie in den letzten Jahren gänzlich verzichten, nicht einmal nur wegen der Verletzungsgefahr. „Ich würde mich ärgern, einen Trainingstag zu verpassen. Und damit einen Tag, an dem ich mich verbessern kann.“

Autor: Thomas Kofler
Bild: SIP | Johannes Langer

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