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Der London Marathon ist der Marathon, der die Weltklasse vereinnahmt. Seit Jahren wird die Tendenz immer klarer, dass – abgesehen von Olympischen Spielen – kein Marathon so viele Weltklasseläufer*innen in ein und demselben Rennen vereinen kann. Auch in diesem Jahr geben sich die Besten der Besten die Klinke in die Hand und kämpfen auf der Strecke um die Hierarchie in der Sportart.
In der Redaktion der US-amerikanischen Plattform „Let’sRun.com“ läuft den laufbegeisterten Mitarbeitern das Wasser im Mund zusammen. So betitelte die Plattform wortwörtlich den Artikel über die Publikation der starbesetzten Starterfelder beim London Marathon am 27. April 2025. Das britische Leichtathletik-Magazin „Athletics Weekly“ wählte die identische Metapher. Die „La Gazzetta dello Sport“ kündigte „den größten London Marathon aller Zeiten“ an und übernahm so die Kommunikation des Veranstalters. Die Vorfreude auf den diesjährigen London Marathon ist in der Szene groß. Denn diese beiden Rennen mit diesen Staraufgeboten werden wichtige Antworten auf spannende Fragen liefern.
Vielleicht schreibt in London aber heuer ein Läufer Geschichte, der im Marathon noch nicht zur Weltklasse gehört. Weil er noch keinen Marathon gelaufen ist. Jacob Kiplimo. Nie zuvor in der Geschichte des Laufsports gibt ein Läufer mit derartigen Vorwerten – und das noch dazu im Alter von erst 24 Jahren – seine Premiere auf der Traditionsdistanz. Der Ugander ist ehemaliger Weltrekordhalter im Halbmarathon, hat drei Halbmarathons in unter 58 Minuten absolviert, und ist zweifacher Crosslauf-Weltmeister.
Im Alter von 40 Jahren hat sich Eliud Kipchoge entschieden, es noch einmal mit den Besten der Besten aufzunehmen. Fast ein Jahrzehnt lang war ER der unumschränkt Beste der Besten. Die vier Siege beim London Marathon zwischen 2015 und 2019 haben dazu genauso beigetragen wie die beiden Weltrekordläufe, die beiden Olympiasiege und natürlich auch die sub-2-Leistung in Wien 2019. „Der London Marathon hält einen speziellen Platz in meinem Herzen. Ich verbinde mit ihm so viele wunderbare Erinnerungen und ich bin voll motiviert, weitere zu kreieren“, sagte die lebende Legende in einem Statement, das der Veranstalter verbreitete. Mit dem London Marathon verbindet Kipchoge aber nicht nur vier beeindruckende Siege, sondern auch die erste Niederlage nach vielen Jahren im „Corona-Rennen 2020“, als er gesundheitlich angeschlagen im strömenden Regen nur Achter wurde. Im selben Rennen lief Peter Herzog seinen immer noch gültigen österreichischen Rekord.
Doch nach dem schlechtesten Marathon-Jahr seiner Karriere (Platz zehn in Tokio, chancenlos bei Olympia) ist Kipchoge freilich nach wie vor DIE Persönlichkeit in der Szene, aber sportlich nicht mehr unantastbar. Auch altersbedingt. Er ließ in einem Statement wissen, dass er noch daran glaube, im Feld der jungen Stars konkurrenzfähig zu sein. Außerdem sei Laufen schließlich sein Leben!
Einige Medienberichte rund um die Bekanntgabe des London Marathon, der seinen Rekordsieger zur 45. Auflage mit Handkuss begrüßt, suggerieren, dass Kipchoge nach seiner Aufgabe bei den Olympischen Spielen tatsächlich auch über einen Rücktritt vom Leistungssport nachgedacht hat. Nun spricht er aber wieder über Motivation, Inspiration und Training – in leicht philosophischer Ausdrucksweise, wie die Öffentlichkeit sie vom 40-Jährigen mittlerweile gewohnt ist.
Angesichts der unheimlichen Ansammlung von Stars zählt Timothy Kiplagat aus Kenia, der über eine Bestleistung von 2:02:55 Stunden verfügt, zu den klaren Außenseitern. Die Teilnahmen von Amanal Petros, Sondre Moen, Australiens neuen Rekordhalter Andrew Buchanan oder von Halbmarathon-Europameister Yemaneberhan Crippa haben es schwer, die mediale Aufmerksamkeit zu erhalten, die sie eigentlich verdienten. Die „La Gazzetta dello Sport“ wies in ihrem Bericht hin, dass Crippa damit nicht für einen Start bei der Straßenlauf-EM in Brüssel zwei Wochen davor in Frage kommt.
Leichter hat es in der britischen medialen Öffentlichkeit Emile Cairess, der das Aufgebot der nationalen Läufer beim London Marathon anführt.
Der London Marathon der Frauen vereint mit Ruth Chepngetich, Tigst Assefa und Sifan Hassan die drei schnellsten Läuferinnen der Geschichte. Er vereint auch die letzten beiden Olympiasiegerinnen Peres Jepchirchir und Sifan Hassan. Und er vereint die beiden Weltrekordhalterinnen: Ruth Chepngetich und Peres Jepchirchir, die den „Women’s Only“ World Record seit dem Vorjahr hält. Letzterer wankt angesichts dieser Startaufstellung gehörig, wobei im Sport, auch im Marathon, schön öfters das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ hohe Erwartungshaltungen platzen hat lassen.
Das Aufgebot birgt dennoch spannende Voraussetzungen: Ruth Chepngetich wird erst zum dritten Mal den Marathon laufen, bisher ohne gigantischem Erfolg: 2020 wurde sie Dritte, im Vorjahr lediglich Neunte. Dass die Weltrekordhalterin, die in Chicago optimale Tempomacherarbeit durch männliche Läufer genoss, aber auch in reinen Frauenrennen schnell laufen kann, hat sie bereits zweimal beim Nagoya Women’s Marathon gezeigt. Sifan Hassan dürfte die Staransammlung entgegenkommen, sie hat ihre Stärken im Finale – der Sieg beim London Marathon 2023 und bei den Olympischen Spielen von Paris sind zwei kräftige Beweise dafür.
Autor: Thomas Kofler
Bild: © SIP / Johannes Langer