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Irgendwie markiert der tragische Tod von Kelvin Kiptum eine neue Ausgangsposition im Olympischen Jahr. Denn nun ist Eliud Kipchoge hinblicklich der Olympischen Spiele von Paris wieder der alleinige Superstar. Nicht nur aus kenianischer Sicht, sondern auch für die globale Marathonszene. Unabhängig dessen geht es für den nun 39-jährigen Superstar beim Tokio Marathon darum, sich mit einem guten Rennen Rückenwind für den Traum der dritten Olympischen Goldmedaille in Folge zu holen. Dafür wählte er einen schnellen Marathon und einen recht großen Abstand zum Olympischen Marathon – nämlich fünf Monate gegenüber dreieinhalb, wie es etwa zum London Marathon gewesen wäre. Für Kipchoge, das hat er mehrfach in Medien betont, genau die richtige Bühne, um für Paris 2024 in Schwung zu kommen. Den Weltrekord hat der Superstar nicht angesprochen, aber einen neuen Streckenrekord würde er in Tokio schon gerne laufen. Und er hat beste Erinnerungen an Japan, nicht nur an die Olympischen Spiele 2021: „Die Japaner lieben das Laufen, ihre Kultur ist vom Laufen geprägt und sie lieben den Marathon.“ Gelänge es diese japanische Kultur in die ganze Welt zu kopieren, lebten wir in einer Laufwelt, so Kipchoge in einer für ihn typischen Ansprache bei einem Medientermin kurz vor Weihnachten.
Das Elitefeld der Männer beim Tokio Marathon, wo Kipchoge 2022 trotz einer kurzen Fehlleitung in einer starken Zeit von 2:02:40 Stunden gewonnen hat (Streckenrekord), ist wohl auf seine Bedürfnisse maßgeschneidert. Die Möglichkeiten zu gewinnen, sind groß. Damals (Amos Kipruto) wie heute (Benson Kipruto) gibt es einen prominenten Gegner im Rennen, der ihn auf nach der Halbmarathon-Durchgangszeit noch fordern und zur Höchstleistung treiben soll. Der 32-jährige Kipruto hat 2022 den Chicago Marathon gewonnen und ist ein Jahr später beim Weltrekordlauf von Kiptum als Zweiter ins Ziel gekommen. Dazu kommt freilich der Triumph beim Boston Marathon 2021, gefolgt von zwei dritten Plätzen beim Klassiker in den folgenden Jahren. Der Tokio Marathon ist der erste Marathonlauf außerhalb der USA seit fast drei Jahren für den Kenianer.
Vielleicht müssen auch seine beiden Landsleute Vincent Ngetich und Timothy Kiplagat zu realistischen Herausforderern von Kipchoge gezählt werden, die mit ihren Bestleistungen von 2:03:13 Stunden und 2:03:50 Stunden sogar noch vor Kipruto rangieren, nicht jedoch dessen Erfolgsliste und Erfahrungen im Weltklassebereich toppen können. Der 25-jährige Ngetich bestach nach einigen guten Halbmarathons mit seinem Marathon-Debüt von 2:03:13 Stunden beim Berlin Marathon 2023, 31 Sekunden hinter Kipchoge im übrigen. Er hat in Tokio bereits einen Halbmarathon gewonnen, damals aber in einer Zeit über einer Stunde. Kiplagats herausragender Marathon gelang ihm in Rotterdam 2023. Der schnellste Äthiopier im Starterfeld laut Meldeliste ist Hailemaryam Kiros, Vorjahressieger Chalu Deso ist auch am Start, angesichts der Konkurrenz aber unwahrscheinlicher Wiederholungstäter.
Mit Weltmeister Victor Kiplangat aus Uganda ist ein junger Marathonläufer am Start, dem ein ordentlicher Leistungssprung durchaus zuzutrauen ist. Der Fokus der üblicherweise euphorischen japanischen Marathonfans dürfte auf Kengo Suzuki liegen. Der japanische Rekordhalter musste den Olympia-Qualifikationsmarathon im Herbst ausgeben und braucht eine Zeit von unter 2:05:51 Stunden, um doch noch ein Ticket für Paris 2024 zu erhalten. So schnell ist der 28-jährige Lokalmatador bei seinem letzten gefinishten Marathon tatsächlich gelaufen – in Tokio, allerdings vor zwei Jahren. Hinblicklich der Olympischen Spiele ist das im übrigen die einzig spannende Frage, weil in Tokio nur Eliteläufer am Start sind, die aus Nationen stammen, die schon mindestens drei Läufer mit erbrachtem Limit haben. Ichitaka Yamashita geht exakt mit einer Bestleistung von 2:05:51 Stunden ins Rennen, Kenya Sonota mit einer acht Sekunden darüber.
Mehr als nur eine Randnotiz: 49 (!) Läufer mit einer Bestzeit von unter 2:10 Stunden sind am Sonntag in der japanischen Hauptstadt am Start, 34 davon sind Japaner.
Was Eliud Kipchoge für das Männerrennen ist, ist Sifan Hassan für das Eliterennen der Frauen. Nämlich eine prestigeträchtige Verpflichtung des jüngsten Mitglieds der World Marathon Majors aus der absoluten Weltklasse. Hassan ist nämlich wie der Kenianer gegenwärtig die zweitschnellste Marathonläuferin der Geschichte, nachdem sie im Oktober in Chicago in einer Zeit von 2:13:44 Stunden triumphiert hat. Die 31-Jährige hat die Möglichkeit, bei ihrem dritten Marathonstart den dritten World Marathon Major zu gewinnen.
Für die Niederländerin ist der Start beim Tokio Marathon gewissermaßen wie für Kipchoge eine gedankliche Reise in der Vergangenheit. Stark eingeschränkt von den harten japanischen Maßnahmen in der Pandemiezeit erlebte Hassan in Tokio bei den Olympischen Spielen ihre bisherige Hochzeit: Mit den Goldmedaillen über 10.000m und 5.000m sowie der Bronzemedaille im 1.500m-Lauf hat Hassan Geschichte geschrieben. „Das sind großartige Erinnerungen und ich denke, dass ich dieses Olympische Feuer wieder in mir entfachen kann, wenn ich nach Tokio zurückkehre“, so die gebürtige Äthiopierin.
Wäre das nicht außergewöhnlich genug, weist das Tokioter Starterfeld vier Läuferinnen mit Bestleistungen unter 2:18 Stunden und zehn Läuferinnen mit Bestleistungen unter 2:20 Stunden auf. Der Streckenrekord von Brigid Kosgei (2:16:02) steht ordentlich am Prüfstand, denn die prognostizierten Bedingungen am Sonntagmorgen japanischer Zeit sind vielversprechend. Eine derartige Ansammlung ist herausragend und liest sich wundervoll. Die Europarekordhalterin, die Läuferin der Jetzt-Zeit mit dem größten Talent für die Bandbreite zwischen 800m bis hin zum Marathon, wird herausgefordert von der amtierenden Weltmeisterin Amane Beriso, die 2022 aus dem Nichts den Valencia Marathon in einer Zeit von 2:14:58 Stunden, sowie den ehemaligen Tokio-Siegerinnen Rosemary Wanjiru (2023) und Lonah Chemtai Salpeter (2020).
Die Kenianerin ist unter Druck: Mit einer Superleistung ist sie ernsthafte Kandidatin für einen Olympia-Startplatz für ihr Heimatland, dasselbe gilt natürlich auch für Beriso, die als Weltmeisterin im äthiopischen Lager in einer noch besseren Position sein mag. Zum Kreis der sub-2:20-Läuferinnen zählen auch Tigist Abayechew, Sutume Kebede, die den Houston Halbmarathon im Jänner in einer überragenden Zeit von 1:04:37 Stunden gewonnen hat, Buzunesh Getachew und Meseret Abebayahau aus Äthiopien sowie Magdalena Shauri aus Tansania und die Japanerin Hitomi Niiya.
Die 36-Jährige ist die einzige japanische Topläuferin im Feld, da der Tokio Marathon für die Japanerinnen nicht als offizielle Olympia-Qualifikationsmöglichkeit eingestuft ist. Niiya hatte sich verspekuliert: Anstatt die japanischen Trials zu laufen, setzte sie im Herbst 2023 auf ihren Angriff auf den japanischen Marathonrekord beim Berlin Marathon und scheiterte krachend, beim Osaka Women’s Marathon vor gut einem Monat musste sie aufgeben. Eine schöne Kuriosität: Niiya hat vor 17 Jahren als fast 19-Jährige die erste Auflage des Tokio Marathon gewonnen.
Khishigsaikhan Galbadrakh, Landesrekordhalterin der Mongolei, und die kanadische Debütantin Andreas Seccafien gehen auf die Jagd des Olympia-Limits von 2:26:50 Stunden.