Man mag es kaum glauben, aber der Auftritt in Paris am Freitagabend war erst der dritte von Faith Kipyegon, der besten 1.500m-Läuferin aller Zeiten mit dem frischen Weltrekord von 3:49,11 Minuten, zwei Olympischen und zwei WM-Goldmedaillen, über die 5.000m. Jene Distanz, auf die sie angekündigt hatte, nach den Olympischen Spielen von Tokio wechseln zu wollen, es aber nicht getan hat. Wohl, weil ihre Überlegenheit auf der Mittelstrecke weiteren Ruhm versprach. Dass ihr Team rund um Startrainer Patrick Sang, Erfolgscoach u.a. auch von Lauflegende Eliud Kipchoge, im Hintergrund die längeren Distanzen vorbereitet haben, demonstrierte die Athletin in Paris. Bisher war sie nie unter 14:30 Minuten gelaufen, beide Male vor acht Jahren (!), im Stade Charléty stoppte die Zeitnehmung nach 14:05,20 Minuten. 1,42 Sekunden schneller als der bisherige Weltrekord der Äthiopierin Letesenbet Gidey, die Kipyegon im direkten Duell besiegte. Gidey finishte in 14:07,94 Minuten und hält nun zwei der Top-Drei Zeiten der Geschichte im 5.000m-Lauf. Nicht mehr jedoch den Weltrekord, der gehört nun dr Ausnahmeläuferin aus Kenia.
Dass eine Läuferin beide Weltrekorde in der so schwierigen Kombination 1.500m und 5.000m gleichzeitig hielt, hat es im Laufsport der Frauen, seit der 5.000m-Lauf flächendeckend etabliert ist, noch nie gegeben. Bei den Männern gelang dieses Kunststück dem Marokkaner Said Aouita sieben Jahre lang von 1985 an. Ein kleiner gedanklicher Ausblick Richtung Budapest: Noch nie hat eine Läuferin WM-Gold im 1.500m und 5.000m bei denselben Titelkämpfen gewonnen.
Eine Überraschung beim „Fast“-Debüt
Ob Kipyegon den Husarenritt in die Geschichtsbücher geplant habe? Sie sagte, nein und brachte das mit Überraschungsemotionen im Ziel auch zum Ausdruck: „Ich habe nicht an den Weltrekord gedacht. Daher weiß ich auch nicht, wie ich es geschafft habe. Ich habe mich nur an den Wavelights orientiert und versucht, das Rennen so relaxed wie möglich zu genießen. Als ich sah, dass ich den Weltrekord schaffe, war ich so überrascht. Ich habe einfach versucht, das Beste aus mir herauszuholen.“ Das Rennen in Paris war auch nicht auf sie ausgelegt so wie jenes in Florenz, sondern auf Gidey. Der Veranstalter verpflichtete hochkarätige Tempomacherinnen: Sarah Lahti, Tigist Ketema und zuletzt 3.000m-Hindernislauf-Weltrekordhalterin Beatrice Chepkoech. Nach 3.000m waren Gidey und Kipyegon alleine an der Spitze, der Rest der hochkarätigen Konkurrenz hing bereits zurück, wobei Ejgayehu Taye, bisher die Nummer fünf der ewigen Bestleistung, lange Zeit den Rückstand in Grenzen halten konnte. Sie finishte schlussendlich in einer Zeit von 14:13,31 Minuten, einen Hauch hinter ihrer Bestleistung, aber immer noch die achtschnellste Zeit der Geschichte.
Phänomenales Finale
Nach den Kilometersplits von 2:52,31, 2,49,73 und 2:49,87 Minuten spulte Gidey weiterhin konstante Rundenzeiten von ca. 68 Sekunden ab, der vierte Kilometer wurde in einer Zeit von 2:50,02 Minuten absolviert. Als die Wavelights an der Innenkante, eingestellt auf eine Zeit von 14:10,50 Minuten, was mit der erwartbar schnelleren Schlussrunde die Attacke auf den Weltrekord bedeutete, drohten, ein leichtes Übergewicht zu erlangen, schob sich die Kenianerin in die Führungsposition. 700 Meter waren noch zu laufen. Als die Glocke ertönte, schien der Weltrekord realisierbar. Kipyegon, mit Gidey knapp hinter sich, brauchte dafür eine 62er-Runde. Es sollte eine fantastische Schlussrunde von 60,6 Sekunden werden, absolut außergewöhnlich war aber die Beschleunigung für die letzten vielleicht 230 Meter. Laut „Let’sRun.com“ betrug der finale 200m-Split Kipyegons unfassbare 28,1 Sekunden. Womit die Weltrekord-Party begann und Gidey etwas ratlos die Ziellinie zu überqueren schien. Den bisherigen Meetingrekord von Genzebe Dibaba steigerte die Siegerin übrigens um über zehn Sekunden.
Mit sechs Läuferinnen unter 14:30 Minuten schaffte das Rennen in Paris einen neuen Rekord. Lilian Rengeruk, von ihrer kurzen Dopingsperre zurück, führte mit einer gewaltigen persönlichen Bestleistung von 14:23,05 Minuten das Verfolgerfeld vor Freweyni Hailu und Margaret Kipkemboi an. Als beste Nicht-Afrikanerin erreichte Alicia Monson das Ziel als Achte. Wie grandios das Starterfeld in Paris war, zeigt das Abschneiden der besten Europäerin. Laura Muir, Europameisterin, WM- und Olympia-Medaillengewinnerin im 1.500m-Lauf, stets chancenlos gegen eine wie Kipyegon, lief eine persönliche Bestleistung von 14:48,14 Minuten und wurde nur Elfte. Die 30-jährige Schottin, die nach der Trennung von Alex Young gegenwärtig auf Trainersuche ist, hat vor einigen Jahren in den 5.000m-Lauf hineingefühlt und insbesondere über 3.000m ein beachtliches Leistungsniveau bereits nachgewiesen, wenngleich ihr Fokus in den letzten Jahren der Mittelstrecke galt. Die Deutsche Hanna Klein, amtierende Hallen-Europameisterin über 3.000m, hatte es in dieses hochkarätige Feld geschafft, was eine besondere Auszeichnung ist. Das Rennen konnte sie aber nicht beenden.
Neuer britischer Rekord für Hodgkinson
Angesichts der Überperformance Kipyegons geriet die zweite großartige Siegerinnenleistung bei den Laufentscheidungen in Paris fast etwas in den Hintergrund und das völlig zu unrecht. Keely Hodgkinson war im 800m-Lauf so gut drauf, dass die die Tempomacherin bereits überholte, bevor die ausstieg. Nach einer Startrunde in einer Zeit von 57,35 (Tempomacherin mit leichtem Vorsprung auf Hodgkinson) erarbeitete sich die Britin bereits auf der Gegengerade einen großen Vorsprung und zog ihren ersten Wettkampf der Saison mit einem beeindruckenden Schritt durch. In einer Zeit von 1:55,77 Minuten verbesserte sie ihren eigenen, als Silbermedaillengewinnerin der Olympischen Spiele von Tokio aufgestellten, britischen 800m-Rekord um elf Hundertstelsekunden. „Ich bin ein bisschen schockiert, dass ich in meinem ersten Wettkampf der Saison gleich so schnell gelaufen bin. Mit dem vollen Stadion und diesem tollen Publikum war das möglich“, meinte die 21-Jährige, die ihre Vorfreude auf ihre Rückkehr in die „Stadt der Liebe“ ausdrückte – und zwar zu den Olympischen Spielen im nächsten Sommer.
Hodgkinson dominierte in der französischen Hauptstadt ein durchaus namhaftes Feld. Hallen-Weltmeisterin Ajee Wilson kam mit fast zweieinhalb Sekunden Verspätung auf den zweiten Platz vor Natoya Goule. Catriona Bisset blieb zum zweiten Mal in dieser Saison unter 1:59 Minuten und bereits zum fünften Mal unter zwei Minuten und wurde Vierte vor der in Frankreich lebenden Noélie Yarigo, die im Alter von 37 Jahren ihren eigenen Landesrekord für den Benin verbesserte, sowie Ex-Weltmeisterin Halimah Naakayi. Aus europäischer Sicht interessant: Léna Kandissounon aus Frankreich und Gabriela Gajanova aus der Slowakei nutzten die Diamond-League-Bühne für ihre ersten 800m-Läufe unter zwei Minuten.
Ergebnisse Diamond-League-Meeting Paris, Laufentscheidungen der Frauen
5.000m-Lauf der Frauen
- Faith Kipyegon (KEN) 14:05,20 Minuten *
- Letesenbet Gidey (ETH) 14:07,94 Minuten
- Ejgayehu Taye (ETH) 14:13,31 Minuten
- Lilian Rengeruk (KEN) 14:23,05 Minuten **
- Freweyni Hailu (ETH) 14:23,45 Minuten **
- Margaret Kipkemboi (KEN) 14:23,67 Minuten **
- Lemlem Hailu (ETH) 14:34,53 Minuten
- Alicia Monson (USA) 14:34,88 Minuten
- Agnes Ngetich (KEN) 14:36,70 Minuten
- Grace Loibach (KEN) 14:42,63 Minuten **
- Laura Muir (GBR) 14:48,14 Minuten **
…
DNF Hanna Klein (GER)
DNF Diribe Welteji (ETH)
800m-Lauf der Frauen
- Keely Hodgkinson (GBR) 1:55,77 Minuten *** / ****
- Ajee Wilson (USA) 1:58.16 Minuten
- Natoya Goule (JAM) 1:58.23 Minuten
- Catriona Bisset (AUS) 1:58.55 Minuten
- Noélie Yarigo (BEN) 1:58.65 Minuten *****
- Halimah Nakaayi (UGA) 1:58,81 Minuten
- Sage Hurta-Klecker (USA) 1:59,01 Minuten
- Léna Kandissounon (FRA) 1:59.65 Minuten **
- Gabriela Gajanova (SVK) 1:59.86 Minuten **
- Raevyn Rogers (USA) 2:00,00 Minuten
* neuer Weltrekord
** neue persönliche Bestleistung
*** neue Weltjahresbestleistung
**** neuer britischer Landesrekord
***** neuer Landesrekord für den Benin
Wanda Diamond-League-Meeting in Paris