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Kritik wegen Aussetzung des Olympia-Qualifikationsraums
Vor zwei Wochen hat der Leichtathleitk-Weltverband (World Athletics) aufgrund der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie den Qualifikationszeitraum für die Olympischen Spiele für Leichtathletinnen und Leichtathleten bis einschließlich 30. November ausgesetzt (siehe RunAustria-Bericht). Begründet wurde diese durchaus drastische Maßnahme mit der fehlenden Chancengleichheit…
Vor zwei Wochen hat der Leichtathleitk-Weltverband (World Athletics) aufgrund der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie den Qualifikationszeitraum für die Olympischen Spiele für Leichtathletinnen und Leichtathleten bis einschließlich 30. November ausgesetzt (siehe RunAustria-Bericht). Begründet wurde diese durchaus drastische Maßnahme mit der fehlenden Chancengleichheit der Sportlerinnen und Sportler je nach Herkunft. In manchen Ländern wird eine vollständige Rückkehr in die gewohnten Trainingsaktivitäten und vielleicht auch der Zugang zu internationalen Wettkämpfen früher realisierbar sein als in anderen. Die gegenwärtig globalen Reiseeinschränkungen mit dem Kollaps des Luftverkehrs sind ein weiteres Problem, dessen Erholung schwer abschätzbar bleibt. World Athletics bekräftigt hier sein Verständnis als weltumspannende Sportart. Ein wesentlicher Grund der Überlegung von World Athletics dürfte aber der Zusammenbruch der Anti-Doping-Arbeit praktisch quer über den Erdball gewesen sein. Aufgrund der Reiseeinschränkungen und sozialen Verhaltensempfehlungen sind Dopingkontrollen im gewohnten Umfang aktuell unmöglich, daher vermutlich die Wahl eines relativ weit entfernten Termins zur Wiederaufnahme des Qualifikationszeitraums. Doch obwohl die Entscheidung unter Zustimmung aller Kontinentalverbände getroffen wurde, vermehrte sich in den letzten Tagen die Kritik aus der Leichtathletik an diesem Entschluss.
Leichtathletik-Saison auf dem Spiel?
Die ehemalige Weltmeisterin und Hindernislauf-Weltrekordhalterin Emma Coburn war eine der ersten Läuferinnen, die sich entschlossen zu Wort meldete. „Diese Entscheidung nimmt uns die letzte Hoffnung, 2020 zu einem produktiven und bedeutungsvollen Jahr in unserer Karriere zu machen“, schimpfte die 29-Jährige. Coburn ist einer Disziplin zugehörig, die heuer nicht zur Diamond League gehört, weswegen für sie im Gegensatz zu Läuferinnen und Läufern anderer Spezialdisziplinen auch eine kurze Wettkampfsaison im Spätsommer und Herbst, auf die World Athletics noch hofft, auch aus finanzieller Perspektive weniger bedeutend ist. Ihr Landsmann Evan Jager, ebenfalls Hindernisläufer, steckt beispielsweise in einer verschärften Situation: Aufgrund einer langwierigen Verletzung hat er die gesamte Saison 2019 verpasst und damit keine Leistungen, die in die Weltrangliste oder weiteren Qualifikationskriterien fließen können. „Der Großteil der Motivation in diesem Jahr schnell zu laufen ist wieder weg“, schrieb der US-Amerikaner auf Twitter. Er sprach sich zwar für das Einfrieren der Weltrangliste aus, sieht aber nicht ein, warum erbrachte Olympia-Limits bedeutungslos sein sollen.
Athletics Association fordert Gespräche
Andere dürften dagegen das Angebot einer kurzen Saison gerne entgegennehmen – schließlich geht es um wichtige Einnahmen durch die Start- und Preisgelder, aber auch durch Sponsor- und Förderungsgelder, die auf eine gewisse öffentliche Präsentation zählen. Die kontrovers diskutierte, kürzlich auf Initiative von Dreisprungstar Christian Taylor gegründete „The Athletics Association“ fordert weiterführende Diskussionen mit World Athletics. Laut einer von der selbsternannten Athletenvertretung in die Waagschale geworfenen Umfrage unter 685 Leichtathleten sollen 82% der Befragten auch zur Zeit der COVID-19-Krise normal trainiert haben, drei von fünf wünschen sich, dass ihre etwaigen Wettkampfleistungen vor dem 1. Dezember für die Olympia-Qualifikation zählen.
Euromeetings befürchten finanziellen Schaden
Zuletzt hat auch die seit über vier Jahrzehnten bestehende Gruppe europäischer Ein-Tages-Meetings, darunter auch jene der Diamond League, den Entschluss von World Athletics kritisiert und in einem offenen Brief an WA-Präsident Sebastian Coe gefordert, den Beginn des Qualifikationszeitraums für Olympia einige Monate vorzulegen. Die Veranstalter hoffen auch Durchführungen von Meetings in der zweiten Jahreshälfte, fürchten aber, durch die fehlende Olympia-Qualifikationsmöglichkeit ein Desinteresse von Topathletinnen und -athleten an ihren Meetings. Dieses Ausbleiben der Stars könnte, so die Befürchtung, gravierende finanzielle Folgen für die Finanzierung der Meetings haben. Denn die Möglichkeit der Olympia-Qualifikationsmöglichkeit sei, abseits des sportlichen Reizes dieser Dramaturgie für das Publikum, ein „Hauptargument“ in diesen Gesprächen.
Enges Zeitfenster für Marathonläufer
Eine eigene, separate Perspektive verdienen die Marathonläuferinnen und -läufer. Denn während die Laufszene in der Bahn in der Hallensaison 2020/21 sowie in der ersten Jahreshälfte des nächsten Jahres genügend Meetings zur Verfügung haben werden, um die Position in der Weltrangliste zu verbessern oder gegebenenfalls Limits direkt zu unterbieten, wird die Zeit im Marathon knapp. Realistischerweise haben jene, die die Olympia-Qualifikation noch nicht in der Tasche haben, höchstens noch zwei Möglichkeiten in einem stressigen Terminplan oder nur eine Möglichkeit, die notwendige Leistung zu bringen (Das betrifft vorwiegend die direkten Limits, denn für die Weltrangliste zählen auch Halbmarathon-Leistungen, Anm.). Der Österreichische Leichtathletik-Verband (ÖLV) denkt darüber nach, die Österreichischen Marathonmeisterschaften 2020 im Dezember stattfinden zu lassen, um den Athleten den Genuss der Zusatzpunkte für die Weltrangliste zweifach, nämlich 2020 und 2021, anbieten zu können, was in Einzelfällen über Olympia-Teilnahme oder Nicht-Teilnahme entscheiden könnte. Dann würden die diesjährigen Staatsmeisterschaften im Ausland über die Bühne gehen.
Andere fürchten um die Qualität der Spitzenfelder im diesjährigen, durch eine prominente Verschiebungen enorm dichten Marathon-Kalender im Herbst. Immerhin finden im Herbst gleich fünf World Marathon Majors und Dutzende weitere hochkarätige Großveranstaltungen statt. Der schwedische Marathon-Nationaltrainer Lorenzo Nesi kritisierte im schwedischen Fernsehen, dass angesichts der WA-Entscheidung der gesamte Marathon-Herbst keine Rolle für die Olympia-Qualifikation spielen würden und daher der Druck bei den ersten Qualifikationsrennen im Dezember auf die Athleten unheimlich groß sein würde. Die Marathons in Valencia oder Fukuoka, um zwei prominente Beispiele von Dezember-Marathons zu nennen, könnten große Anziehungskraft auf europäische Marathonläuferinnen und -läufer entfachen und damit zu großen Gewinnern der Entscheidung von World Athletics werden. Für den Fall, dass das Gespenst „COVID-19“ bis dahin aus der Laufszene vertrieben oder in irgend einer Weise geschwächt ist.
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