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Leise Hoffnung auf einen Heimsieg

Galen Rupp ist der gefeierte Local Hero beim Chicago Marathon. Neun Wochen nach den Olympischen Spielen von Tokio stellt sich bei ihm die Frage nach frischen Beinen. Der World Marathon Major in „Windy City“ verspricht einen spannenden Rennausgang.
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Als Galen Rupp am 8. August in Sapporo über die Ziellinie des Olympischen Marathon lief, verspürte er Enttäuschung und selbst im Nachgang bestenfalls gemischte Gefühle. Platz acht war für den Amerikaner am Ende einer schwierigen Phase nicht schlecht, aber halt auch nicht so genial wie der dritte Platz in Rio de Janeiro. Und dieser Medaillengewinn hatte die Erwartungshaltung bestimmt.

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Neuer Trainer, neue Ära

Eine schwierige Phase war es deshalb, weil nach 2018 die starken Resultate des US-Amerikaners plötzlich eine Unterbrechung fanden. Auf den Sieg beim Prag Marathon und Rang sechs beim Chicago Marathon, zwei Marathonläufe in 2:06, folgten körperliche Probleme und eine lange Pause aufgrund einer Operation an der Achillessehne. Das Comeback misslang völlig, weil sein langjähriger Trainer und Vertrauter Alberto Salazar sich aus den Fängen der Anti-Doping-Arbeit der US-amerikanischen Anti-Doping-Agentur (USADA) nicht mehr herauswinden konnte. Ob Salazars Experimente auch in Berührung mit Rupp gekommen sind, wie manche behaupten, ist lediglich Gegenstand von unwissenschaftlichen Spekulationen, Beweise liegen keine vor. Die andere Seite ist aber der Verlust von vertrauten und funktionierenden Beziehungen in der täglichen Trainingsarbeit und die mentale Belastung der unerwarteten, totalen Veränderung im sportlichen Leben. Das Aus beim Chicago Marathon 2019 war die logische Folge. Mit seinem neuen Coach Mike Smith gelang der schnelle Wiederaufbau. Als Sieger der US-Trials 2020 qualifizierte sich Rupp für die Olympischen Spiele. Die Pandemie ließ eine weitere Entwicklung nicht zu, es fehlten Wettbewerbsmöglichkeiten.

Kurze Pause nach Olympia

Und so stellt sich vor Chicago einerseits die Frage, ob die Wettkampfpraxis bereits gestillt ist und zweitens, wie frisch die Beine des 35-Jährigen sind. Nach dem Olympischen Marathon gab er in Interviews zu, ziemlich erschöpft gewesen zu sein. Aber vier Wochen vor dem Chicago Marathon lief der Amerikaner einen Halbmarathon beim Great North Run, fünf Wochen nach Olympia war die Zeit von 1:01:52 Stunden durchaus bemerkenswert. Ein Fingerzeig, dass Rupp in Chicago um den Sieg mitkämpfen kann. So wie 2017, als er viel umjubelt als erster Amerikaner seit Khalid Khannouchi den Klassiker gewinnen konnte. Die US-amerikanische Laufplattform „Let’s Run“ prognostiziert, dass die erwartet hohen Temperaturen dem Lokalmatador dienlich sein könnten – die Siegerzeit würde vielleicht nicht in jenen Regionen zu erwarten sein, in die Rupp nicht laufen kann.

Kipyegos beeindruckende Konstanz

Die Favoritenrolle beim Chicago Marathon liegt dennoch nicht auf den Schultern Galen Rupps, sondern auf jenen von Reuben Kipyego, der im Mai beim ultraschnellen Elitemarathon in Mailand mit einer Zeit von 2:03:55 Stunden in den elitären Kreis der sub-2:04-Läufer eingetreten ist. Aber nicht nur daraus leitet sich die Favoritenrolle des 25-Jährigen ab. Denn Reuben Kipyego mag zwar vom Namen her nicht in der Auflistung der Weltklasseläufer ganz oben auftauchen, seine Resultate sind seit Jahren beeindruckend: Marathon-Debüt als No-Name in 2:05:18 Stunden beim Buenos Aires Marathon 2018, zweieinhalb Monate später Sieg in Abu Dhabi in 2:04:40 Stunden, Steigerung auf 2:04:12 Stunden beim Valencia Marathon 2020 und der vorerst letzte Schritt in der norditalienischen Metropole.

Ebenfalls gut gelaufen ist in Mailand Seifu Tura, 24-jähriger Äthiopier, der wie Kipyego bei der Agentur Rosa Associati unter Vertrag steht. Tura ist zweimal unter 2:05 Stunden gelaufen, einmal 2018 einmal 2021, doch das sind die Ausreißer einer Konstanz über Jahre, die im Bereich von 2:08-2:09 angesiedelt ist. Tura hat eine enorme Mission zu leisten, denn seit 2012 hat kein äthiopischer Marathonläufer mehr den World Marathon Major in Chicago gewonnen. Er ist die größte Hoffnung, dazu vielleicht Deso Gelmisa, der im Vorjahr in Valencia unter 2:05 Stunden gelaufen ist. Bei den äthiopischen Trials musste er als Vierter knapp Sisay Lemma den Vortritt lassen, der vor einer Woche den London Marathon gewonnen hat (siehe RunAustria-Bericht).

Kiptanuis Chance auf den Durchbruch

Neben Kipyego sind noch zwei prominente Kenianer im Rennen. Dickson Chumba ist ein Dauerbrenner und hat bereits drei World-Marathon-Major-Siege auf der Habenseite, darunter jenen von Chicago 2015, wo er ein Jahr zuvor auch seinen schnellsten Marathon gelaufen ist (2:04:32). Sein letztes wirklich gutes Resultat war allerdings der dritte Platz beim Tokio Marathon 2019 in einer Zeit von 2:08:44 Stunden – ein Niveau, das am Sonntag nicht reichen wird. Viel versprechender ist da der Auftritt von Eric Kiptanui, dessen Durchbruch in der Marathonszene wohl eine Frage der Zeit ist. Am Sonntag könnte für einen der schnellsten Halbmarathonläufer der Geschichte dieser Zeitpunkt gekommen sein. Im April gewann er den Elitemarathon auf einem Flugfeld in Siena bei sehr schwierigen Bedingungen in einer persönlichen Bestleistung von 2:05:47 Stunden, 2020 war er Zweiter beim Dubai Marathon.

Eintagsfliege oder Leistungsbestätigung?

Fünf Läufer mit Bestleistungen unter 2:05 Stunden sind in Chicago am Start, einer der interessantesten aus diesem Kreis ist Kengo Suzuki aus Japan. Der 26-Jährige verblüffte alle, wohl inklusive sich selbst, als er im Februar beim Lake Biwa Marathon in Japan zum Sieg stürmte und dabei den japanischen Rekord auf eine Zeit von 2:04:56 Stunden setzte. Davor war Suzuki in etlichen Marathonläufen nie unter 2:10 Stunden geblieben, bei der nationalen Olympia-Vorausscheidung war er als Siebter ins Ziel gekommen. Nun stellt sich die Frage, ob der Fabelmarathon in Otsu eine Eintagsfliege war oder ob er diese Leistung bestätigen kann. Nicht viele Japaner konnten in den vergangenen Jahren Leistungen, die sie bei heimischen Topmarathons erzielt haben, bei großen internationalen Veranstaltungen wiederholen. Bei ihm ist die Erwartungshaltung groß: Kein Marathonläufer, der nicht auf dem afrikanischen Kontinenten geboren ist, ist jemals einen schnelleren Marathon gelaufen.

Obwohl das Feld in Chicago leistungsstark ist, musste der Veranstalter einige hochkarätige Absagen erleiden: der Äthiopier Getaneh Molla, Bestleistung von 2:03:34, fehlt genauso wie Hassan El Abbassi, gegen den ein Anti-Doping-Verfahren läuft, weshalb er suspendiert ist. Laban Korir hat sich kurzfristig für einen Start beim Amsterdam Marathon eine Woche später entschieden.

Bank of America Chicago Marathon

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