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Die 23. Europameisterschaften der Leichtathletik wurde mit dem größten ÖLV-Team seit drei Jahrzehnten beschickt, nach fünf intensiven Wettkampftagen in Amsterdam ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Die fantastischen Erfolge im Siebenkampf der Damen warfen ein helles Licht auf…
Die 23. Europameisterschaften der Leichtathletik wurde mit dem größten ÖLV-Team seit drei Jahrzehnten beschickt, nach fünf intensiven Wettkampftagen in Amsterdam ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Die fantastischen Erfolge im Siebenkampf der Damen warfen ein helles Licht auf einen Schatten, der sich durch zahlreiche verletzungsbedingten Last-Minute-Absagen gebildet hat. Und so soll die neunte EM-Medaille in der Geschichte des Österreichischen Leichtathletik-Verband nicht alle kritischen Anmerkungen übertünchen.
Ivona Dadic (Union St. Pölten) lieferte in Amsterdam einen fantastischen Siebenkampf ab und erzielte in fast allen Disziplinen Leistungen an oder sogar über ihrem höchsten Leistungsniveau. Dadurch kam sie plötzlich in eine Region, wo der Medaillengewinn möglich wurde, und die junge Oberösterreicherin behielt die Nerven. „Unbeschreiblich! Ganz ehrlich: Ich hatte vor der EM nicht für möglich gehalten, dass ich eine Medaille holen kann. Ich habe diesen EM-Wettkampf von der ersten Sekunde an genossen, vor allem, weil ich fit und in Topform bin“, freute sich die 22-Jährige, die in den letzten Jahren einige Probleme mit der physischen Gesundheit hatte, zurecht. Ganz nebenbei freute sich sie nicht nur über eine Bronzemedaille, sondern mit 6.408 Punkten über einen neuen österreichischen Rekord und die Erbringung des anvisierten Olympia-Limits.
Im Jubel um Ivona Dadic darf aber Verena Preiner (Union Ebensee) nicht vergessen werden, die im Sog ihrer um ein Jahr älteren Landsfrau ebenfalls einen grandiosen Wettkampf ablieferte und in einer neuen persönlichen Bestleistung von 6.050 Punkten einen überraschenden siebten Rang erzielte. Damit konnten sich zwei Österreicherinnen im gerade zu Vergleichszwecken beliebten und repräsentativen Placing Table klassieren, was Österreich auf Platz 31 unter 38 platzierten und 50 teilnehmenden Nationen bugsierte – angesichts der zahlreichen Absagen ein ordentliches Abschneiden, welches das Standing der österreichischen Leichtathletik im internationalen Vergleich (siehe Team-Europameisterschaften) gut repräsentiert, aber auch zeigt, was mit voller Mannschaftsstärke möglich gewesen wäre.
Bevor der internationale Durchbruch der talentierten Ivona Dadic erfolgte und vom hervorragenden Abschneiden Verena Preiners ergänzt wurde, wurden die Sorgenfalten bei den österreichischen Funktionären von Tag zu Tag größer. Denn eine beispiellose Verletzungsserie zog sich durch das rot-weiß-rote Team. Alles begann mit Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger (ÖTB OÖ LA), eigentlich der spitzeste Pfeil im ÖLV-Köcher, ging weiter mit Hürdensprinterin Beate Schrott (Union St. Pölten), dem zweiten Diskuswerfer Gerhard Mayer (SVS Leichtathletik), 5.000m-Läuferin Jennifer Wenth (SVS Leichtathletik) und endete mit dem verletzungsbedingten Ausstieg von Zehnkämpfer Dominik Distelberger (UVB Purgstall). „Jeden Tag ein Ausfall eines Topathleten, das ist nicht gut und keine gute Optik“, unkte Hannes Gruber zur Mitte der EM, nach den ganzen Tiefschlägen. Was vorwiegend wie Pech klingt, muss dennoch kritisch hinterfragt und intern analysiert werden. Denn eine derartige Anhäufung von Verletzungen unmittelbar vor einem Saisonhöhepunkt entspricht nicht gerade der Normalität. Vielleicht wurden in der Vorbereitung auch einige Fehler begangen.
Was noch stutzig machte: Wer bei den Aussagen einiger Athleten genau hinhörte, war die EM-Absage aufgrund von Beschwerden auch durch den anstehenden Olympia-Start motiviert, den man nicht riskieren wollte. Auch Hannes Gruber schlug in diese Kerbe: „Bei keinem der Ausfälle ist es etwas Dramatisches. Für die Topathleten ist Rio der Saisonhöhepunkt, dem wird alles untergeordnet. Und für den Höhepunkt wird kein Risiko eingegangen. Ich will damit nicht sagen, dass die EM keine Bedeutung hätte, aber wenn irgendwo etwas nicht 100%ig läuft oder funktioniert, ist einfach die Notbremse zu ziehen und der Blick Richtung Rio zu richten.“
Kein Zweifel, die Olympischen Spiele sind das höchste der Gefühle im Sportlerleben und ein Olympia-Aus aufgrund eines risikoreichen Antritts in Amsterdam wäre mehr als ärgerlich, doch wenn man Dadics und Preiners Leistung in Amsterdam sieht, könnte auch zu einem anderen Schluss kommen. Die Europameisterschaften sind das Terrain, auf dem auch österreichische Leichtathleten Erfolge feiern und sich dank der medialen Berichterstattung ins Schaufenster der Öffentlichkeit kämpfen, laufen, werfen, springen oder sprinten können. Ob die Leistungen bei den Olympischen Spielen in Rio diese verpassten Möglichkeiten wettmachen können, wird sich weisen. Dabei darf man nicht vergessen, dass etwa Schrott, Mayer oder Wenth noch eine Leistungsbestätigung brauchen, um den Regeln entsprechend überhaupt Anrecht auf eine Olympia-Nominierung durch das Österreichische Olympische Comité zu haben.
Ohne den Einsatz der aufgrund von Verletzungen und Beschwerden verhinderten Athleten fällt die Bilanz bei der EM natürlich nicht so positiv aus wie erhofft, denn unter dem Strich war doch kein so schlagkräftiges ÖLV-Team in Amsterdam am Start wie angekündigt. Wenn man die großartigen Leistungen der beiden Siebenkämpferinnen als Highlight ausklammert, agierte der Rest des Teams entweder im Rahmen der Erwartbaren oder darunter. Gute Leistungen zeigten die Halbmarathonläufer Lemawork Ketema (team2012.at) und Andrea Mayr (SVS Leichtathletik), die die Ränge 20 und 30 belegten, Brenton Rowe (team2012.at), der im 5.000m-Lauf 15. wurde, und Hürdensprinterin Stephanie Bendrat (Union Salzburg LA), die das Halbfinale erreichte. Erwartungsgemäß keine Chance hatten Eva Wimberger (Union St. Pölten), Markus Fuchs (ULC Riverside Mödling), Veronika Watzek (KLC), Dominik Hufnagl (SVS Leichtathletik) in ihren Bewerben. Besonders die jungen, die sich teilweise ordentlich aus der Affäre zogen, konnten wichtige Erfahrungen für ihre zukünfigen Karrieren sammeln. Dass Halbmarathonläuferin Anita Baierl (TuS Kremsmünster) nicht in bester Verfassung nach Amsterdam reiste, war ebenfalls vorhersehbar. Zu den enttäuschenden und enttäuschten Österreichern zählen die Halbmarathonläufer Edwin Kemboi (KLC) und Valentin Pfeil (LAC Amateure Steyr) sowie 1.500m-Läufer Andreas Vojta (team2012.at), der weit entfernt von seinem Niveau vor einigen Jahren agiert.
Europameisterschaften 2016 in Amsterdam