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London Marathon: das verhinderte Top-Duell

Mit Sicherheiten im Prognostizieren von Sportereignissen und qualitativ hochwertigen Leistungen sollte man im Spitzensport immer sehr vorsichtig umgehen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das Duell der beiden lebenden Lauflegenden Eliud Kipchoge und Kenenisa Bekele beim diesjährigen London Marathon am kommenden Sonntag…

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Mit Sicherheiten im Prognostizieren von Sportereignissen und qualitativ hochwertigen Leistungen sollte man im Spitzensport immer sehr vorsichtig umgehen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das Duell der beiden lebenden Lauflegenden Eliud Kipchoge und Kenenisa Bekele beim diesjährigen London Marathon am kommenden Sonntag das Lauf-Highlight zumindest des Frühjahrs gewesen wäre und die gesamte Sportwelt elektrisiert hätte, liegt hoch. Der eine ist der Marathon-Master, der seit 2013 keinen einzigen Marathonlauf nicht gewonnen, in Berlin 2018 den Weltrekord auf eine Zeit von 2:01:39 Stunden gesenkt und im vergangenen Oktober im Wiener Prater auf einer vermessenen 42,195 Kilometer langen Strecke als erster Mensch der Geschichte einen Marathon in einer Zeit von unter zwei Stunden absolviert hat – wenn auch unter speziellen Regeln, die der Leichtathletik-Weltverband aus nachvollziehbaren Gründen nicht anerkennt. Der andere zählt zu den erfolgreichsten Läufern der Geschichte bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften und hält seit einer gefühlten Ewigkeit schier unüberwindbare Weltrekorde im 5.000m- und 10.000m-Lauf. Gemeinsam sind sie – Stand jetzt – die mit großem Abstand schnellsten Marathonläufer der Geschichte. Das in der globalen Sportlandschaft mit berechtigt enormer Spannung erwartete Duell dieser beiden Champions in den Straßen der britischen Hauptstadt fällt nun ins Wasser. Natürlich hat auch die Bedeutung dieses Sportereignis keine Daseins-Berechtigung in Zeiten der gesellschaftlichen Einschränkungen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie.
 

Auf dem Weg zum Marathon-Weltrekord (Berlin Marathon 2018) © SIP / Johannes Langer
Ein Teamplayer auf sich alleine gestellt

Eliud Kipchoge ist der Prototyp des Teamsportlers mitten in einer Einzelsportart. Er betont die Bedeutung der Zusammenarbeit mit anderen Athletinnen und Athleten im Trainingscamp in Kaptagat. Auf diese Wohlfühlatmosphäre muss er nun verzichten, die kenianische Regierung hat als Maßnahme zum Kampf gegen die Gesundheitskrise alle Trainingscamps im Land geschlossen. Der 35-Jährige trainiert ungewohnt zuhause und ist sportlich auf sich alleine gestellt. Sozial nicht, denn, wie er in diversen Interviews der letzten Wochen betont, genießt er die Zeit mit seiner Frau und seinen drei Kindern und hält an seiner Überzeugung eines einfach gestalteten Lebens fest. Jener Mann, dessen Stärke der absolute mentale Fokus auf seine sportliche Karriere und die Disziplin in der physischen Vorbereitung auf die Wettkämpfe ist, ist nun gezwungen, den Fokus vom Sport zu nehmen. Es fehlen nämlich Ziele: kein London Marathon, kein Olympischer Marathon im Jahr 2020.
Doch auch in Zeiten, in denen Spitzensportler zum „Nichtstun“ verdammt sind, tun sie sich schwer, die Füße stillzuhalten. Die Katze lässt das Mausen nicht. In einem ausführlichen Bericht der BBC kündigt Kipchoge ein Alternativziel an. Er will eine 300 Kilometer lange Tour durch sein Heimatland absolvieren – mit sportlichem Anreiz. Unter zehn Stunden oder anders formuliert „sub-10“. Wie er der BBC erzählte, hat Radfahren im Leben des schnellsten Marathonläufers der Welt eine Tradition. Als Kind fuhr er täglich in ein 40 Kilometer entferntes Dorf, holte bei Bauern Milch ab und verkaufte sie.
 

Berlin Maraton 2016. © SIP / Johannes Langer
Bekele: Sorgenvoller Blick in die Zukunft

Seit 17 Jahren, seit jenem legendären WM-Rennen über 5.000m von Paris, sind Eliud Kipchoge und Kenenisa Bekele harte Konkurrenten. In London wollte der Äthiopier erreichen, dass das Pendel nach Jahren wieder einmal in seine Richtung ausschlägt. „Ich war in einer sehr guten Position und habe mich sehr gut gefühlt“, erklärte der 37-Jährige gegenüber der BBC. Statt über sportliche Erfolge denkt der Äthiopier nun aber über die Gesundheit nach. „Ich blicke voller Sorgen in die Zukunft. Ich befürchte die Hungersnot, die unserem Land droht. Ich glaube zwar, dass wir die Krise überleben werden. Die Menschheit hat bereits bewiesen, diverse Desaster überstanden zu haben. Aber es wird nicht leicht.“ Neben den Befürchtungen in der Konfrontation der Gesundheitssysteme in Afrika, die weit weg von den Qualitätsstandards in der westlichen Welt sind, mit dem neuartigen Coronavirus, das die ganze Welt in Atem hält, sind die ostafrikanischen Länder, darunter auch Äthiopien und Kenia, überdies von einer beängstigenden Heuschreckenplage bedroht. Riesige Felder werden leer gefressen, die fatalen Folgen für das Ernährungssystem der Bevölkerung orientieren sich in der Prognose an den schlimmsten Befürchtungen. Da der Pulsschlag der Welt vom Coronavirus dominiert wird, haben die Medien in Europa wenig Zeit darüber zu berichten.
Bekele sieht sich in der Verantwortung und hilft einigen seiner Landsleute, mit finanziellen Spenden und indem er seine Hotels kostenlos für sie zur Verfügung stellt. In diesen großzügigen Räumen sind sichere Abstandsempfehlungen einhaltbar, im Gegensatz zu oft dicht besiedelten und engen Slums. Über seine sportliche Zukunft will er aktuell nicht sprechen. Ob er am 4. Oktober beim Alternativtermin des London Marathon am Start stehen wird, steht in den Sternen. Ob dann ein London Marathon nach dem eigenen Selbstverständnis oder ein reines Eliterennen wie beim heurigen Tokio Marathon geben wird – der Berlin Marathon hat diesen Plan B ebenfalls auf den Tisch gelegt, ist genauso unsicher. Selbst wenn, ist es fraglich, ob es dann zum großen Duell mit Eliud Kipchoge kommt, nach dem sich die Marathonszene vor Corona noch gesehnt hatte.
 

London Marathon 2020 am 4. Oktober

Das Veranstalter-Team des Virgin Money London Marathon hofft, dass die Jubiläumsausgabe Nummer 40 des Traditionsevents noch im Jahr 2020 über die Bühne gehen kann. Der Alternativtermin ist der 4. Oktober. Der Veranstalter garantiert allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die einen Startplatz für den 26. April gehabt hätten, einen Startplatz im Herbst. Alternativ können sie das Startgeld entweder in die London Marathon Charity stecken oder zurückverlangen. Als letzte Möglichkeit erhalten sie einen Startplatz für die Ausgabe am 25. April 2021, müssen in diesem Fall allerdings eine neue Nenngebühr begleichen.
Neben dem London Marathon fallen am kommenden Wochenende diverse Laufveranstaltungen in Europa aus, darunter der Metro Marathon in Düsseldorf. Der Veranstalter kündigt einen automatischen Transfer auf den Event am 11. April 2021 (ein noch unbestätigter Termin) oder bietet eine Rückerstattung der Nenngebühren an.
 
 
Virgin Money London Marathon

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